Aufruf zur Beendigung der NATO-Angriffe

Veran Matic, Chefredakteur von B92, wendet sich an die NATO

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Veran Matic, Chefredakteur des unabhängigen serbischen Radiosenders B92 (bei xs4all), der wegen Zensur bereits ins Netz ausweichen mußte, forderte am 30.3. im Namen der serbischen Opposition, die sich seit Jahren dem "Nationalismus, Haß und Krieg" widersetzt hat, zur Einstellung der NATO-Angriffe auf.

Die Luftangriffe sollten, so Matic, angeblich die Kriegsmaschine von Milosevich stoppen und den Menschen im Kosovo sowie den Serben helfen, die ebenfalls unter dem Regime von Milosevich leiden. Die Folgen des NATO-Angriffs aber haben für ihn die Bemühungen in Montenegro und Bosnien-Herzegovina zunichte gemacht und einen Angriff auf die sowieso schwachen demokratischen Kräfte im Kosovo und in Serbien ermöglicht. Die NATO habe keine Strategie, und jede niedergehende Bombe verstärke nur die humanitäre Katastrophe.

Matic antwortet auf die Frage von Freunden aus dem Westen, warum es in Serbien zu keiner Rebellion käme: "Die meisten Menschen fühlen sich von den Ländern hintergangen, die ihre Vorbilder waren. Heute landete eine Bombe im Hof unseres Korrespondenten in Sombor. Sie explodierte glücklicherweise nicht, aber viele Bomben taten das in vielen Höfen. Die Menschen werden jetzt dazu genötigt, zu den Waffen zu greifen und sich ihren Söhnen anzuschließen, die bereits in der Armee sind. Wenn die Bomben überall um sie herum fallen, kann sie niemand mehr davon überzeugen, obwohl dies einige versucht haben, daß dies nur ein Angriff auf ihre Regierung und nicht auf ihr Land ist." Und er zitiert Zoran Zivkovic, den oppositionellen Bürgermeister von Nis: "Vor 20 Minuten wurden Bomben auf meine Stadt abgeworfen. Die Menschen, die hier leben, sind dieselben, die 1996 für die Demokratie gestimmt und vor 100 Tagen protestiert haben, als die Regierung versuchte, ihren Wahlsieg zu bestreiten. Sie stimmten für dieselbe Demokratie, die es in den USA und in Europa gibt. Heute wurden Bomben auf meine Stadt von den demokratischen Staaten USA, Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Kanada geworfen! Macht das irgendeinen Sinn!"

Die NATO habe mit den Angriffen das Kind mit dem Waschzuber ausgeschüttet. Wenn es zu einer Demokratie kommen soll und man den Aufstieg von Populisten und Demagogen vermeiden wolle, dann seien freie Medien notwendig, doch die Bomben hätten die zarten Pflänzchen der Demokratie für lange Zeit im Kosovo, in Serbien und Montenegro vernichtet. Sie haben auch die pro-demokratischen Kräfte in der Republik Srpska getroffen und grünes Licht für einen Krieg gegen Milo Djukanovic, den Präsidenten von Montenegro, gegeben.

Erst gestern hatte B92 um Verständnis gebeten, nicht mehr direkt aus dem Kosovo zu berichten. Jetzt sagt Matic, daß auch Journalisten bereits getötet wurden. Sowohl für die Menschen im Land als auch für die außerhalb sei ein ungehinderter Fluß von korrekten Nachrichten notwendig. Jetzt aber höre man nur noch Kriegspropaganda, wozu auch die Rhetorik des Westens gehöre.

Radio B92 werde, soweit es die Umstände erlauben, weiterhin berichten und Nachrichten über das Internet, über Satellit und die vielen Sender vermitteln, die sie aus Solidarität weiter verbreiten.

Eine Gruppe von internationalen Künstlern fordern in einem Aufruf Break the logic of war! Desert! Open the borders!, daß die NATO-Länder durch ihren Angriff moralisch verpflichtet seien, die Grenzen für alle Flüchtlinge zu öffnen, besonders für Männer, die den Kriegsdienst verweigern wollen oder bereits desertiert sind.