Back to the Roots?
- Back to the Roots?
- Flexible Bauweisen
- Auf einer Seite lesen
Zur aktuellen Renaissance des urbanen Holzbaus
Dass gerade der archaische Baustoff Holz sich in jüngster Zeit zu einer Art Trendsetter urbaner Architektur gemausert hat, ist nicht frei von Ironie. Überraschend freilich kommt das nicht. Denn der Holzbau schafft es einerseits, Antworten auf immer drängender werdende Fragen - der Energiewende etwa, oder dem verantwortlichen Umgang mit natürlichen Ressourcen - zu geben. Und andererseits den städtischen Kontext auf so subtile wie nachhaltige Weise neu zu beleben.
Dass Holz widerstandsfähig ist, stabil und langlebig, zeigen uns Jahrhunderte alte Fachwerkhäuser in malerischen Altstädten eindrucksvoll. Und dass der Wald selbst eine zentrale Rolle beim Klimaschutz spielt, wissen wir eigentlich auch. Denn durch die Ernte von Holz zum Bauen (und Heizen) wird wieder Platz geschaffen für dessen Neubildung und damit auch für den weiteren Entzug von klimaschädlichem CO2 aus der Atmosphäre.
Eine nachhaltige Holzproduktion und die Verwendung von Holz statt energieintensiver Baumaterialien (wie Stahl, Beton oder Aluminium) weisen einen beeindruckend positiven Effekt auf den Klimaschutz auf. Wie relevant der Holzbau im Sinne der Nachhaltigkeit sein kann, demonstriert der Neubau des Umweltbundesamtes in Berlin-Marienfelde. Ein interdisziplinäres Projektteam aus Architekten, Landschaftsplanern, Bauphysikern, Haustechnikern, Bauforschern und Tragwerksplanern hat hier ein ökologisch optimiertes Nullenergiehaus in Holzbauweise realisiert, bei dem energetische Konzepte und die Nutzung erneuerbarer Energien in die gestalterische Lösung konzeptionell einfließen. So werden baukultureller Anspruch und energetische Anforderungen im wahrsten Sinne des Wortes unter einem Dach vereint.
Eine Hauslandschaft in Holz
Darüber hinaus knüpft der urbane Holzbau an etwas an, das man das Denkmodell des Fachwerks nennen könnte: Nämlich ein zeittypisches, allgemein verständliches und akzeptiertes Ordnungsprinzip darzustellen, welches den Rahmen und Maßstab individueller Selbstverwirklichung bildet.
Das lässt sich beispielsweise an einer Hauslandschaft in Holz illustrieren: Die Berliner Architekten Bruno Fioretti Marquez schufen eine eigene kleine Stadt im schweizerischen Lugano, eine wogende Dachlandschaft mit vier Innenhöfen, deren Maßstäblichkeit die kleinen Nutzer berücksichtigt. Es ist dies der Versuch, einen Kindergarten in ein heterogenes Stadtgebiet mit drei- bis achtgeschossigen, eher unattraktiven Gebäuden zu integrieren. Sieben mal acht Module mit trapezförmigem Grundriss und unterschiedlichen Dachneigungen bilden ein Gewebe, das sich schützend um die Spielhöfe legt, zu denen sich die Räume mit Glasschiebetüren öffnen. Umhüllt ist die Kinderstadt - auch ungewöhnlich im urbanen Kontext - vollständig von Holz.
Ein weiteres, sprechendes Exempel ist in Zürich zu besichtigen: Der japanische Architekt Shigeru Ban realisierte - in Zusammenarbeit mit der Schweizer Holzbau-Koryphäe Hermann Blumer - für die Mediengruppe Tamedia einen Aufsehen erregenden Holzbau. Die ohne Schrauben, Nägel und Leim auskommende Konstruktion im Quartier Aussersihl wurde 2014 offiziell eröffnet. Das fünfgeschossige Bürogebäude bietet hoch- und vor allem gleichwertige Arbeitsplätze für rund 480 Mitarbeiter. Mit seinem Volumen passt sich der Neubau als Blockrandbebauung an die Regelbauhöhen der umliegenden Gebäude an. Auch die Ausbildung eines Mansarddaches und eines überhohen Erdgeschosses entstanden in Anlehnung an die stadträumlichen Eigenheiten des Quartiers.
Für Unverwechselbarkeit sorgt eine sehr spezielle Holzkonstruktion, die das Gebäude trotz vorgeblendeter Glasfassade dominiert. Das Ergebnis stellt eine ausdrucksstarke Synthese dar: Die Verbindung von japanischer Zimmermannskunst, die auf hoher Passgenauigkeit gründet und gänzlich ohne Leim oder zusätzliche Stahlverstärkungen auskommt, mit einer strukturell "neutralen" Architektur, die sich offen für Nutzungsänderungen zeigt.