Bahn nimmt den Bus: DB setzt auf Ersatzverkehr

Generalsanierung oder "Generalunsinn"? Verkehrspolitische Kompetenzen werden angezweifelt. Symbolbild: Tama66 auf Pixabay (Public Domain)

Staatskonzern schrieb 2022 rote Zahlen und peilt für laufendes Jahr 33 Milliarden Euro Schulden an. Kritiker zerpflücken Konzept zur Generalsanierung.

Die Deutsche Bahn (DB) sucht 2.000 Busfahrer. So steht es in einem internen Bericht der Konzernsparte DB-Netze, aus dem am Donnerstag die WirtschaftsWoche zitierte.

Busfahrer? Fallen derzeit nicht täglich im Schnitt 275 Züge aus, im Jahr über 100.000, weil massenhaft Zugpersonal fehlt? Über Brandenburg war zu lesen, dass die Streichliste im Regionalverkehr sich zu 16 Prozent damit erklärt, dass es einfach nicht genügend Lokführer und Zugbegleiter gibt.

Aber der Staatskonzern meint es ja nur gut. Schließlich will man das in Jahrzehnten verschlissene Schienennetz jetzt endlich und in großem Stil runderneuern und deshalb 17 "Hochleistungskorridore" je knapp fünf Monate komplett sperren. Statt mit dem ICE im Stakkato von Mannheim nach Frankfurt (Main) oder von Hamburg nach Berlin zu zuckeln, geht es ab Sommer 2024 in einem Rutsch über die Autobahn – wenn mal gerade nicht Baustelle ist.

"Generalunsinn"

Aber Nörgler finden sich immer: "Generalsanierung ist Generalunsinn", beklagte am Mittwoch Bahnfachmann Winfried Wolf von "Bürgerbahn – Denkfabrik für eine starke Schiene". In dem von kritischen Schienen- und Fahrgastverbänden alljährlich am Vortag der offiziellen DB-Bilanzpressekonferenz vorgelegten "Alternativen Geschäftsbericht" zur Deutschen Bahn werden die Pläne förmlich zerrissen.

Ganze zehn Punkte sprächen dagegen, darunter folgende: Zweigleisige Abschnitte ließen sich problemlos "unter rollendem Rad" erledigen, die Umleitungsstrecken seien der Zusatzbelastung nicht gewachsen, die Fahrzeitverlängerungen vergraulten zahllose Pendler ins Auto, lediglich zwölf Prozent des Bestands sollten modernisiert werden, für 88 Prozent gäbe es so wenig einen Plan wie für eine Vollelektrifizierung. In Deutschland sind lediglich 60 Prozent des Netzes unter Strom befahrbar, in der Schweiz seit Jahrzehnten 100 Prozent.

Außerdem sei das Vorhaben ein "Deutschlandtakt-Killer". Eigentlich will die Bundesregierung die Fahrgastzahlen laut Koalitionsvertrag bis 2030 verdoppeln und dafür einen Taktfahrplan nach Schweizer Vorbild etablieren – alles im Sinne des Klimaschutzes. Allerdings ließ Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zuletzt ausrichten, die Einführung um 40 Jahre auf 2070 zu verschieben, womit auch die Ambitionen in puncto Kundenzuwachs Makulatur sind.

Grüne Welle für Autofahrerpartei

Mit dem Konzept Generalsanierung werde das Klimaziel der Ampel im Bereich Schiene "verunmöglicht", befand Wolf und weiter: "Es wird den Schienenverkehr insgesamt zurückwerfen und die Misere mit dem Fahren auf Verschleiß, der wachsenden Unpünktlichkeit und dem Ausfall von Tausenden Zügen im Jahr vertiefen." All das passe "ideal ins Programm der Autofahrerpartei FDP".

Tatsächlich hat der jüngste rot-grün-gelbe Krisengipfel Wissing einen Freifahrtschein für gleich mehrere Irrwitzprojekte ausgestellt, darunter den forcierten Ausbau von Autobahnen, die Aufweichung der Emissionsziele des Verkehrssektors sowie eine E-Fuel-Offensive auf EU-Ebene.

Das alles sind Bauklötze der altbekannten "klimafeindlichen Betonpolitik", wie sie "Bürgerbahn" geißelt, und was auch die Regierungsansage, die Erlöse der zu erhöhenden LKW-Maut zum Großteil in die Ertüchtigung der Bahn zu stecken, nicht besser macht. Wer es ernst meint mit "Vorfahrt für die Schiene", kann nicht länger den motorisierten Individualverkehr pushen und weiter millionenfach Autos verkaufen wollen.

Schuldenberg wächst

Zumal die Deutsche Bahn mit Karacho auf den Abgrund zurast. Woran auch die "Erfolgsbilanz" nichts ändert, die der Konzernvorstand am heutigen Donnerstag verkündete. Wie DB-Chef Richard Lutz mitteilte, spielte das Unternehmen einen Rekordumsatz von 56,3 Milliarden Euro (plus 19,1 Prozent) ein, nach Steuern blieb aber ein Verlust von 227 Millionen Euro hängen.

Trotz nach der Pandemie wieder angezogener Fahrgastzahlen (132 Millionen im Fernverkehr) – 2023 werde es mit "deutlich mehr als 150 Millionen Reisenden eine neue Rekordzahl" geben –, rechne man fürs laufende Jahr mit einem operativen Verlust von etwa einer Milliarde Euro. Schuld daran seien die hohe Inflation und "milliardenschwere Vorleistungen für zusätzliche Verbesserungen in der Infrastruktur". Die Gesamtverbindlichkeiten könnten sich dabei auf "über 33 Milliarden Euro" erhöhen.

In der Presse war im Vorfeld dagegen von einem auf 41,5 Milliarden Euro wachsenden Schuldenberg die Rede. Um den zu schmälern, erwägt der Vorstand den Verkauf der Logistiktochter DB Schenker, die einen Rekordgewinn von 1,8 Milliarden Euro erwirtschaftete. Schenker soll einen Marktwert von 15 Milliarden Euro auf die Waage bringen.

Eisenbahngeschäft in der Verlustzone

Das gut laufende Auslandsgeschäft täuscht seit Jahren über die miese Performance im eigentlichen Kerngeschäft hinweg: die Beförderung von Personen und Waren auf der deutschen Schiene. Vor allem im Güterverkehr schreibt die DB Cargo schon länger tiefrote Zahlen. Aber auch die Bilanzen im Fern- und Regionalverkehr bewegten sich 2022 unter dem Strich. Insgesamt bleibe der Eisenbahnbetrieb bei zwar steigendem Umsatz und Ergebnis "mit minus 600 Millionen Euro in der Verlustzone", heißt es in der Konzernmitteilung.

Vor genau zwei Wochen hatte der Bundesrechnungshof (BRH) Alarm geschlagen. Der Staatskonzern gerade angesichts seiner Schuldenlast zu einem "Sanierungsfall, der das gesamte System Eisenbahn gefährdet", befanden die Prüfer in einem Sonderbericht . Ihr Fazit: "Die DB entwickelt sich immer mehr zu einem Fass ohne Boden.

Apropos: Bahnchef Lutz strich im Vorjahr mehr als doppelt so viel Geld ein wie 2021. Dem Geschäftsbericht zufolge lag die Vergütung des Vorstandsvorsitzenden bei 2,24 Millionen Euro. Sein Grundgehalt lag bei fast 970.000 Euro. Hinzu kam ein Bonus von mehr als 1,26 Millionen Euro. Wohl bekomm 's!

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