Bahnreform: Wieso die Zerschlagung der Deutschen Bahn die Probleme nicht löst
Deutliche Worte vom Bundesrechnungshof zu Problemen der Deutschen Bahn. Zerschlagung des Konzerns im Gespräch. Warum sich auch die Bahnpolitik ändern muss.
Die Nachricht ist nicht unerwartet gekommen, aber doch schmerzhafter ausgefallen, als man sich gedacht hatte. Während an den Bahnsteigen der Republik die Reisenden auf ihre viel zu oft verspäteten Züge warteten; in Stuttgart darüber spekuliert wurde, ob Stuttgart 21 tatsächlich bis Ende 2025 fertig wird; machte der Bundesrechnungshof im März der Hoffnung ein Ende, dass wenigstens die Einführung des Deutschlandtickets für ein bisschen kollektives Neun-Euro-Ticket-Feeling à la "Lasst uns das Leben in vollen Zügen genießen" sorgen werde.
"Deutsche Bahn grundsätzlich reformieren und Dauerkrise beenden!", überschrieben die Rechnungsprüfer ihre Pressemitteilung. Die Bahn habe seit 2016 rund 30 Milliarden an Schulden angehäuft, fünf Millionen Euro pro Tag. Mehr als jeder dritte Fernzug sei 2022 verspätetet gewesen, die Infrastruktur sei überaltert. Der Bund müsse nun als Alleineigentümer handeln, endlich entscheiden, was er will. Und dann: das auch umsetzen.
Viele der wartenden Fahrgäste dürften allerdings überrascht gewesen sein, dass diese Bahn längst nicht mehr nur das Naheliegende tut und Menschen von Flensburg nach Füssen oder irgendwo dazwischen bringt.
Die Deutsche Bahn ist zu einem internationalen Konzern geworden
Seit der großen Bahnreform Anfang der 1990er-Jahre hat sich die Deutsche Bahn zu einem riesigen Konzern entwickelt, der direkt oder indirekt an über 600 Unternehmen in gut 80 Ländern beteiligt ist und in rund 30 Ländern Schienennetze baut oder mitbetreibt. So erhielt der Konzern 2009 unter dem Jubel des damaligen Verkehrsministers Peter Ramsauer (CSU) den 17-Milliarden-Euro-Auftrag zum Aufbau eines Schienennetzes in Katar.
Der Bundesrechnungshof hat dieses Firmengeflecht als eine der Ursachen für die Bahnmisere in Deutschland ausgemacht: Der Konzern sei überkomplex geworden. Dem Bund fehle eine Eigentümerstrategie; dieses Defizit nutze die Führung der Deutschen Bahn, um weiter zu expandieren.
Tatsächlich wirkt die Bahnpolitik des Bundes über die Jahre hinweg unstrukturiert und oft auch widersprüchlich. So wurden Aufträge wie jener aus Katar jahrelang von der Politik als Erfolg gefeiert. Die Deutsche Bahn im Ausland, das war ein Zeichen der Stärke, eine Werbung für Deutschland, die Bundesregierung.
Oft kommen auch außenpolitische Erwägungen ins Spiel: Wenn ein Unternehmen wie die Bahn in Katar oder in Saudi-Arabien unterwegs ist, dann bedeutet das auch Einfluss. Außenpolitiker und Diplomaten finden das internationale Engagement der Deutschen Bahn auch heute keineswegs schlimm.
Ein Grund ist China, dessen Staatsunternehmen immense Summen in den Bau und den Betrieb von Infrastruktur in Afrika und im Nahen und Mittleren Osten stecken. Das Ziel: wirtschaftlicher und politischer Einfluss. In einer Zeit, in der sich die Fronten verhärten und die deutsche Außenpolitik auch im Nahen Osten an China verliert, lautet die Rechnung: Jeder Auftrag für ein deutsches Unternehmen bedeutet weniger Einfluss für Peking.
Dabei sind solche Geschäfte auch erst einmal kein Problem: Die Bahn bekommt dafür Geld, muss also keines in die Hand nehmen. Und 17 Milliarden Euro mehr sind 17 Milliarden Euro weniger Schulden. Oder Preiserhöhungen.
Bahnpolitik ohne System und langsame Planung
Doch die Einflussnahme der Bundespolitik endet nicht bei solchen Verträgen. Auch in Deutschland nimmt man immer wieder Einfluss darauf, was die Bahn tut oder nicht tut. Hätte die Bahn Stuttgart 21 gebaut, wenn es nicht den gewissen Druck aus der Politik gegeben hätte? Würde sie einen Fernbahntunnel unter Frankfurt planen, wenn der Bund das nicht so wollen würde, in seinem Streben nach dem Deutschlandtakt?
Dabei erweckt man den Anschein, dass die Bahn damit pünktlicher, kundenfreundlicher, überhaupt besser wird. Und vielleicht wird das auch in 20, 30 Jahren so sein. Das Problem dabei ist nur, dass die wirklichen Herausforderungen in der Summe vieler kleiner Mängel bestehen: Weichen, Signale, marode Brücken.
Was im Bericht des Bundesrechnungshofes nicht erwähnt wird, ist die Tatsache, dass die enormen Schulden der Bahn nicht durch schlechtes Wirtschaften entstanden sind. Sondern dadurch, dass das, was Politik und Gesellschaft sich wünschen, viel Geld kostet. Wenn die Ansage ist, das Fahrgastaufkommen bis 2030 zu verdoppeln, müssen mehr Züge auf die Schiene – die Geld kosten. Und wenn man in Stuttgart einen neuen Bahnhof baut, dann kostet auch das Geld. Zusätzlich zu den vielen kleinen Dingen, die die Bahn reparieren muss.
Und auch wenn man versucht, die Masse an Ankündigungen und Entscheidungen der Bundesregierungen und Bundestage der vergangenen 20 Jahre – es sind viele – zu strukturieren, stellt man fest, dass da überhaupt kein System drin ist. Die wichtigen Dinge bleiben viel zu oft einfach liegen.
Etwa die Beschleunigung der extrem langen Entscheidungs- und Genehmigungsprozesse. Beispiel: Der Brenner-Basis-Tunnel, den Österreich und Italien unter den Alpen durchbauen; schon in einigen Jahren soll der fertig sein. Damit sollen viele der Autos und Lastwagen von der Brenner-Autobahn verschwinden. Doch obwohl sich die Fertigstellung schon seit Jahren abzeichnet, wurde über mit den Planungen für die Bahnstrecke aus Deutschland zum Tunnel erst vor wenigen Jahren überhaupt begonnen. Erst 2025 soll der Bundestag darüber entscheiden, ob die Strecke gebaut wird.
Während man also in ein paar Jahren einen ganzen Flughafen in die nordhessische Einöde stellen kann, von dem man immerhin nach Sylt fliegen kann, dauert es Jahre, bis selbst kleinste Bahnbauten genehmigt werden. Bei Großprojekten wie der Festen Fehmarnbelt-Querung, einem Bahn- und Straßentunnel zwischen Deutschland und Dänemark vergingen sieben Jahre, bis der Planfeststellungsbeschluss aus Deutschland vorlag.
Was änderte es, wenn die Deutsche Bahn zerschlagen würde?
Nun, nachdem der Bundesrechnungshof deutliche Worte gesprochen hat, ist die Bundespolitik aller Couleur wieder in Fahrt geraten: Eine Bahnreform müsse her, die Bahn zerschlagen werden, fordern die Unionsparteien. Künftig solle sich eine reine Infrastrukturgesellschaft einzig um das Streckennetz kümmern, unbeeinflusst von der Konzernspitze der Deutsche Bahn.
Nach dem Willen der Bundesregierung soll eine gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft innerhalb der Bahn-Holding entstehen, aber ohne Einflussmöglichkeit durch das Bahn-Management. Die Infrastrukturierer sollen dem Konzept nach keine Gewinne an die Bahn abführen müssen und sie primär dafür verwenden, auf die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene hinzuarbeiten.
In jedem Fall würde die Sache so aussehen, dass alle Unternehmen, die das deutsche Schienennetz benutzen, dafür eine Gebühr bezahlen, die dann wiederum vollständig in die Infrastruktur fließen würde.
Doch das Wichtigste wird man nicht sofort beheben können: Die Modernisierung des Schienennetzes wird Zeit benötigen. Und viel Geld kosten. Knapp 88 Milliarden Euro sollen bis 2027 in die Bahninfrastruktur fließen, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Davon sind aber bislang nur 43 Milliarden Euro im Haushalt gedeckt.
Der Bundesrechnungshof kritisiert den hohen Zuschussbedarf deutlich. Doch die Frage ist, ob sich der hohe Sanierungsbedarf überhaupt aus den Umsätzen der Bahn decken lassen, ohne dass die Ticketpreise völlig unbezahlbar werden.
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