Balkonkraftwerke: Um dieses kleine Bauteil gibt es große Aufregung
Ein vereinfachtes Regelwerk soll den Einsatz beliebter Stecker-Solargeräte erleichtern. Doch nun sorgt eine Diskussion für Unruhe: Es geht um ein fehlendes Bauteil und Wechselrichter.
Solare Balkonkraftwerke sind auf dem besten Weg, eine feste Größe in der umweltfreundlichen Energieversorgung von Kleinverbrauchern zu werden. Die Energiepreiskrise im vergangenen Jahr hat zu einem großen Ansturm auf die kleinen Stromerzeuger geführt.
Einige Bundesländer und Städte unterstützen die Anschaffung bereits mit Förderprogrammen, andere arbeiten daran. Auch die seit Anfang 2023 geltende Mehrwertsteuerbefreiung für kleine Solaranlagen erleichtert gerade Menschen mit kleinem Budget die Kaufentscheidung.
Doch nicht nur fehlende Finanzmittel können ein Hindernis für die Stecker-Solargeräte sein. Auch das unübersichtliche Regelwerk aus technischen Normen und gesetzlichen Bestimmungen bremste lange Zeit zumindest den offiziellen Einsatz der Solargeräte.
Viele Nutzerinnen und Nutzer verzichteten daher bisher darauf, ihre Geräte anzumelden und genehmigen zu lassen. So hat sich eine Graswurzelbewegung von "Guerilla-Solaranlagen" entwickelt.
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In den vergangenen Monaten aber haben Netzbetreiber, Behörden und Politiker versprochen, dass sie die Rahmenbedingungen für Balkonkraftwerke vereinfachen wollen. Im Mai veröffentlichte auch das Bundesjustizministerium einen Referentenentwurf, der die rechtlichen Hürden im Miet- und Wohneigentumsrecht senken soll.
Produktnorm bis Ende des Jahres
Eine weitere wichtige Entwicklung ist eine Produktnorm für Stecker-Solargeräte, die deren technische Eigenschaften und Sicherheitsmerkmale festlegt. An dieser Norm arbeiten der zuständige Verband der Elektrotechnik Elektronik und Informationstechnik e.V. (VDE) sowie Akteure der Solarbranche seit mehreren Jahren.
Im Oktober 2022 hatte der VDE einen Normentwurf veröffentlicht, zu dem bis März 2023 hunderte Stellungnahmen eingingen, die anschließend in den Fachgremien fachlich geprüft und bewertet wurden. Die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS), die seit Langem an der Norm mitarbeitet, rechnet nun mit einem baldigen Fortschritt:
Ziel ist nach wie vor, dass die neue Norm bis zum Jahresende fertiggestellt werden kann. Gelingt das, können Anfang 2024 die Hersteller beginnen, ihre Produkte an die Norm anzupassen und zu zertifizieren. Danach wird es noch eine ganze Weile dauern, bis wirklich für Endkunden Steckersolargeräte "gemäß VDE 0126-95" am Markt erhältlich sein werden.
Jörg Sutter, Geschäftsführer der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie
Wenn die Anwender dann Stecker-Solargeräte kaufen können, die nach dieser Produktnorm zertifiziert sind, wäre das ein großer Schritt zu mehr Sicherheit und Zuverlässigkeit. Wer ein solches normgerechtes Balkonkraftwerk kauft, sollte die Gewissheit haben, dass es allen Anforderungen und Regeln entspricht.
Trotzdem wird es wohl notwendig sein, die so zertifizierten Produkte regelmäßig von den zuständigen Behörden überprüfen zu lassen. Denn nicht immer halten technische Geräte, was ihre Zertifikate versprechen. Entscheidend ist, was die Hersteller nach der Zertifizierung tatsächlich in ihre Geräte einbauen. Das zeigt eine aktuelle Diskussion…
Diese Mängel bei Mikro-Wechselrichtern bergen Risiken
Bei dieser Diskussion geht es um einen wichtigen Bestandteil der Balkonkraftwerke: den Mikro-Wechselrichter. Dieses Mini-Bauteil nimmt den Gleichstrom von einem oder mehreren Solarmodulen des Balkonkraftwerks auf, wandelt ihn in Wechselstrom um und speist ihn in das jeweilige Hausnetz ein.
Für diese Wechselrichter gibt es spezialisierte Hersteller, die ihre Produkte an die Anbieter von Balkonkraftwerken liefern.
Die auf dem deutschen Markt erhältlichen Balkonkraftwerke werden von der Bundesnetzagentur (BNA) als zuständiger Regulierungsbehörde geprüft. Im Juni 2023 sah sie sich veranlasst, vor mangelhaften Solarwechselrichtern für Balkonanlagen zu warnen.
Einige dieser Geräte wiesen keine CE-Kennzeichnung, keine deutsche Bedienungsanleitung oder keine deutsche Händleradresse auf. Solche Produkte dürften in Deutschland nicht vertrieben und betrieben werden.
Zum vereinfachten Verständnis: Bringt ein Hersteller das CE-Kennzeichen an seinem Produkt an, erklärt er damit, dass dieses Produkt den geltenden Anforderungen der Europäischen Union entspricht. Wenn er es nicht anbringt, ist das zweifelhaft.
Ferner hat die BNA auch Solarwechselrichter gefunden, die zwar diese formalen Anforderungen erfüllten, aber bei einer messtechnischen Überprüfung Mängel aufwiesen. Einige Produkte überschritten im Betrieb die gesetzlichen Grenzwerte für die elektromagnetische Verträglichkeit, teilte die BNA mit. Gleichzeitig gab die Behörde mehrere Hinweise, worauf Verbrauchern beim Kauf von Wechselrichtern achten sollten.
Serienproduktion ohne Abschalt-Relais
Einige Elektrotechniker aus der Balkonsolarbranche wollten es genauer wissen und untersuchten selbst einige Wechselrichter. Dabei stellten sie zunächst bei einem Gerät des chinesischen Herstellers Deye fest, dass ein vorgeschriebenes Abschaltrelais fehlt.
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Dieses Relais dient der doppelten Sicherheit, wenn der Stecker des Solargeräts aus der Steckdose gezogen wird oder es zu einem Stromausfall kommt. Normalerweise schaltet sich der Wechselrichter dann blitzschnell elektronisch ab.
Sollte die elektronische Abschaltung einmal nicht funktionieren, übernimmt das Relais diese Funktion elektromechanisch.
Ohne Relais könnte es dann unter weiteren ungünstigen Umständen zu einem mehr oder weniger leichten Stromschlag kommen.
Inzwischen hat sich herausgestellt, dass Deye zur Zertifizierung seines Wechselrichters zwar ein vorschriftsmäßiges Gerät mit Abschaltrelais eingereicht hatte. Bei der Serienfertigung ließ der Hersteller das Relais jedoch weg.
Er befürchtete, dass das elektromechanische Bauteil bei den hohen Temperaturen in den Wechselrichtern auf den Balkonen schnell verschleißen könnte. Dies würde die Aussichten verschlechtern, dass der Wechselrichter die angestrebte Langzeitgarantiezeit erreicht.
Fragwürdige Nachrüstung
Nach bisher noch weitgehend inoffiziellen Informationen will der Hersteller das Problem nun dadurch lösen, dass er seine Wechselrichter mit einem Zusatzgerät nachrüstet. Dieses soll ein Abschaltrelais enthalten und von außen an den Wechselrichter gesteckt werden. BNA und VDE waren dazu allerdings skeptisch bis ablehnend.
Inzwischen hat Deye seine Kunden auf seiner deutschsprachigen Website darum gebeten, die Wechselrichter vom Netz zu nehmen, bis ein neues Zertifikat für das Produkt vorliegt.
Diese Geschichte hat in der aufstrebenden Balkon-Solarbranche für einige Aufregung gesorgt. Wie DGS berichtet, hat ein Anbieter von Balkonkraftwerken inzwischen damit begonnen, die mitgelieferten Wechselrichter auszutauschen. Auch hier fehlt das Relais.
Weitere Anbieter haben inzwischen von sich aus mitgeteilt, dass ihre Wechselrichter das betreffende Relais enthalten und damit den Anforderungen entsprechen. Allerdings gibt es auch einige größere Anbieter, die sich zu diesem Thema noch ausschweigen.