Bangladesch: Der Mensch frisst sich selber auf

Seite 2: Die Felder werden durch die Zucht von Garnelen und Krabben für den Export versalzen

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Der Arbeit wegen strömen täglich mehr Menschen aus den ländlichen Gegenden in die 18-Millionen-Megametropole, deren Einwohnerzahl so jährlich um 4,2 Prozent zunimmt. Zur Landflucht kommt es, weil die Felder der Bauern durch die Zucht von Garnelen und Krabben für den Export versalzen. Die Garnelenzucht wurde in den 90er Jahren von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond (IWF) angestoßen.

Dazu kommt, dass das benachbarte Indien während der Regenzeit die Schleusen seiner Staudämme öffnet, so dass noch mehr Wasser nach Bangladesch fließt und die Felder zum Teil für Monate überschwemmt. Wenn die bengalischen Bauern dann in der Trockenzeit das Wasser dringend benötigen, schließt Indien die Schleusen. Dadurch drückt Meerwasser in die Flüsse hoch und fördert die Versalzung.

Zur Steigerung der Exporte werden immer mehr ehemalige Reisfelder mit Salzwasser geflutet. Foto: Gilbert Kolonko

Schon vor der Hauptstraße Hemayetpur wird deutlich, dass nicht nur die Gerbereien die Umwelt belasten. Textilfirmen und Wäschereien geben ihr Abwasser ungefiltert in einen lilafarbenen Bach. Am Rande der Hauptstraße entlässt ein Industriepark der Aji-Gruppe sein blaugefärbtes Abwasser in einen überlaufenden Graben, so dass die farbige Brühe bis an den Eingang von Restaurants und Verkaufsläden schwappt. Dabei gehört die Aji-Gruppe, die unter anderen für C&A Textilien herstellt, noch zu den vorbildlichen Unternehmen im Land:

Sie bezahlt ihren Angestellten den Mindestlohn von 5300 Takka (etwa 53 Euro) im Monat, während die ausländischen Firmen für die Produkte aus Bangladesch 25% weniger zahlen als noch vor ein paar Jahren. Sieben Kilometer nördlich von Hemayetpur, in Sabhar, stürzte am 24.April 2013 das achtstöckige Rana-Plaza-Gebäude ein, in dem mehrere Textilfabriken ihren Sitz hatten: 1135 Menschen starben, 2438 wurden zum Teil schwer verletzt. Die anschließenden Versprechen der westlichen Textil-Einkäufer, sich für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen in ihren Produktionsfirmen einzusetzen, klingen im Angesicht ihrer aktuellen Preisdrückerei wie blanker Hohn.

Auch im neuen Industriepark fließen die chromverseuchten Abwasser in der offenen Kanalisation unter Teeständen entlang. Foto: Gilbert Kolonko

"Die Weltbank und der Internationale Währungsfond (IWF) haben uns vor 30 Jahren einen Weg gezeigt, wie wir den Hunger im Land bekämpfen können: indem wir uns selber aufessen und unserer korrupten Elite wie den westlichen Konzernen die besten Stücke abgeben", kommentiert der Menschenrechtsaktivist Hasan Mehedi das seit 25 Jahren anhaltende Wirtschaftswachstum in Bangladesch: "Denn der Preis für dieses "Wachstum" ist die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen durch Billigindustrien für den Export", fügt er erklärend hinzu.

Schon jetzt ist bekannt, dass Dhaka in 20 Jahren das Grundwasser ausgehen wird - und diese Prognose wurde im letzten Jahr gestellt, mit 700.000 Bewohnern weniger. Die vier großen Flüsse der Megametropole sind durch die Industrieabfälle so verdreckt, dass zwei von ihnen schon jetzt nicht mehr zu reinigen sind. Zudem wird Uferland der Flüsse Dhakas zur Landgewinnung illegal mit Sand aufgeschüttet, um dort weitere Fabriken und Häuser zu bauen - in der Altstadt Dhakas leben schon jetzt bis zu 135.000 Menschen auf einem Quadratkilometer.

Kein Kriegsgebiet-sondern eine blühende Neubaugegend an der Gabtoli Road inmitten von brennenden Müllhaufen und chemieverseuchten Abwässern. Foto: Gilbert Kolonko

Nicht nur die deutsche Lederindustrie verhindert durch Tricksereien die Erwähnung des Herkunftslandes auf dem Endprodukt. Auch bei Karstadt steht auf dem Emblem Karstadt-Essen, statt Karatschi. Dass der Konzern Kik die letzten Monate wegen des Fabrikbrands bei Ali Enterprise, bei dem 256 Menschen starben, am Pranger stand (und nicht Karstadt) war nur Zufall: Der Fabrikbesitzer in Karatschi, bei dem Karstadt produzieren ließ, bezahlte regelmäßig sein Schutzgeld - Kiks Fabrikinhaber in Karatschi nicht.

So geht es nicht darum einzelne Firmen anzuprangern - es ist das aktuelle System. Es braucht auch nicht darauf gehofft werden, dass irgendeine Regierung oder ein Konzern Anstoß für etwas Neues geben wird. Dagegen gibt es schon die vorbildlichen Ausnahmen, wie die österreichische Firma Waldviertler, die ihr Leder noch umweltverträglich selber gerbt. Deren Chef, Heinrich Staudinger, bereit ist, für seine Überzeugungen ins Gefängnis zu gehen.