Banken als Mittel der Aufstandsbekämpfung?

In Mexiko wird pro-zapatistischen Organisationen der Geldhahn abgedreht

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In den letzten Wochen hat sich für einige der wichtigsten und renommiertesten Unterstützerorganisationen der zapatistischen Bewegung eine ganz neue Konfliktlinie aufgetan: Sie haben massiven Ärger mit der Bank, und ihre gesamte Arbeit droht, aufgrund lahm gelegter Geldströme verunmöglicht zu werden.

Eine Vielzahl von Nichtregierungsorganisationen arbeiten im südmexikanischen Chiapas mit der zapatistischen Autonomieregierung zusammen. Manche unterstützen die Ausbildung von Gesundheitspersonal, andere den Aufbau und die Ausstattung von Schulen, wieder andere helfen, Projekte für die zapatistischen Bauernfamilien im von der Guerilla EZLN kontrollierten Gebiet auf die Beine zu stellen. Die meisten von ihnen arbeiten seit gut zehn Jahren völlig legal, meist unter dem strengen Auge der mexikanischen Steuerbehörden, die über Spendenaufkommen, Ausgaben und Geldbewegungen genau Bescheid wissen.

Zuerst traf es das Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de las Casas das vom ehemaligen Bischof Samuel Ruiz geleitet wird. Erst im Februar hatte die Organisation aufgrund neuer Erkenntnisse, die auf den Aussagen eines ehemaligen Paramilitär-Führers basieren, eine Klage beim interamerikanischen Menschenrechtsgerichtshof eingereicht, in der sie den ehemaligen Präsidenten Ernesto Zedillo der Ausbildung, Ausstattung und Anleitung paramilitärischer Gruppen beschuldigt. Dann, am 4. April 2005, wiesen plötzlich alle sieben Bankkonten der Nichtregierungsorganisation bei der zur Citigroup gehörenden BANAMEX einen Saldo von null Peso auf. Von einem Tag auf den anderen, kurz nachdem ein größerer Betrag aus dem Ausland eingegangen war. Bis heute ist unklar, ob die Bank das verschwundene Vermögen erstatten wird, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Angestellten des Menschenrechtszentrums.

Jetzt, einen guten Monat später, steht Enlace Civil, die offizielle Kontaktstelle der zapatistischen Autonomie-Regierungen zur Zivilgesellschaft, vor einem ähnlichen Problem. Am 19. Mai tauchte der regionale Geschäftsführer der BBVA-Bancomer – der mexikanische Zweig eines transnationalen Bankkonzerns baskischen Ursprungs – in Begleitung zweier Notare in den Büros von Enlace Civil auf. Die Herren forderten die Organisation auf, binnen eines Monats all neun Konten, die sie bei seiner Bank unterhielt, aufzulösen. Die Aufforderung erstreckte sich auch auf private Konten, die Mitarbeiter von Enlace Civil bei der BBVA unterhalten. Als Grund für diese Massnahme gab der Geschäftsführer Adulfo Ruiz Hernández an, die Bank müsse „sich vor Geldwäsche schützen“.

Verdacht auf Geldwäsche

Enlace Civil arbeitet seit Mitte der 90er Jahre als eingetragener Verein, und nimmt den Großteil der Solidaritätsgelder in Empfang, die für die autonomen zapatistischen Gemeinden bestimmt sind. Die Buchführung des Vereins wurde, da er vom Staat nie als gemeinnützig anerkannt und demnach nicht von der Steuer befreit wurde, vom Fiskus stets akribisch überwacht.

Zu den prominentesten Geldgebern für die zapatistische Autonomie gehören die finnische Botschaft in Mexiko, die baskische und diverse italienische Regionalregierungen, sowie einige italienische und katalanische Gemeinden, die Städtepartnerschaften mit autonomen zapatistischen Gemeinden eingegangen sind. Sie alle stünden praktisch unter dem Generalverdacht der Geldwäsche, würde die Bank bei ihren Vorwürfen bleiben.

Diese Vorwürfe scheinen umso absurder, als die Bank, die hier mit Steinen wirft, selbst im Glashaus sitzt: Die in Mexiko erst 1982 privatisierten Banken waren in der zweiten Hälfte der 90er Jahre unter Präsident Zedillo in den größten Korruptionsskandal der mexikanischen Geschichte verwickelt, den Fobaproa-Skandal, benannt nach einem Fonds zur „Rettung der Banken“. Als die Finanzinstitute nach der Wirtschaftskrise von 1994 vor dem Bankrott standen, wurden, um die Banken vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten, die Schulden dieser privaten Unternehmen in Höhe von rund 60 Milliarden Dollar kurzerhand in Staatsschulden umgewandelt. Es wurde verfügt, dass das Geld aus den staatlichen Rentenkassen zu entnehmen sei und über einen Zeitraum von 25 Jahren abzuzahlen – was einer Zwangsbürgschaft der gesamten mexikanischen Bevölkerung für ein paar Unternehmer gleichkam, die pleite zu gehen drohten.

1998 kam heraus, dass großzügige Summen an bereits bankrotte Unternehmen ausgezahlt worden waren, und einige Banken einen Großteil des Geldes umgehend auf Auslandskonten überwiesen hatten, anstatt ihre Schulden damit zu begleichen. Einem Bericht des Center for Public Integrity zufolge waren die Banken, die damals die größten irregulären Kredite erhielten, Banamex und Bancomer (später von Citibank und BBVA aufgekauft) sowie Bital und Banorte. Bis heute wurde niemand für diese illegalen Transaktionen belangt, und der mexikanische Staat steht weiterhin für die Schulden der Banken gerade – was gute Beziehungen zwischen dem Bankmanagement und staatlichen Stellen in Mexiko nahe legt.

Seit 2001 ermittelt auch der spanische Richter Baltazar Garzón gegen den BBVA-Konzern wegen Steuerhinterziehung, illegaler Rentenfonds, geheimer Konten und anderer Finanzdelikte in großem Stil.

Nach Mario Alberto Solórzano, der Anwalt der mexikanischen Menschenrechtskommission Comisión Mexicana de Defensa y Promoción de los Derechos Humanos darf „keine Bank aufgrund eines Verdachts auf Geldwäsche ihre Dienstleistung kündigen, da sie an die nationalen Handelsgesetze gebunden ist, die klar festlegen, dass ein bloßer Verdacht auf ein Finanzdelikt eine solche Maßnahme nicht rechtfertigt“.

Die Bank dementiert nun den Vorwurf der Geldwäsche. Man habe dem Kunden aus „operativen“ und „internen“ Gründen seinen Vertrag gekündigt, weil das im Interesse des Konzerns liege, und sehe sich als privates Unternehmen nicht verpflichtet, dies weiter zu erläutern.

Ebenfalls vor einem Monat wurde von BBVA ohne Angaben von Gründen bereits das Konto von OSIMECH geschlossen, einer Organisation traditioneller indigener Heiler, die ihren Sitz in Oventic hat, einer der zapatistischen Regionalregierungen.

Für Julio Mata, der Vorsitzende des Angehörigenvereins von Gefangenen, Verschwundenen und Opfern von Menschenrechtsversetzungen in Mexiko, entsprechen die Beraubung des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé und die Belästigung von Enlace Civil durch die Bank „einer Strategie der Bundes- und Landesbehörden, um Organisationen und Bewegungen zu zerschlagen, indem zuerst ihr guter Ruf beschädigt wird, um sie anschließend auf nationaler und internationaler Ebene weiter zu schwächen.“