Bauzinsen erreichen Spitzenwerte und bringen Immobilienbesitzer in die Klemme
Die Zinsen für Immobiliendarlehen haben höchsten Wert der letzten zwölf Jahren erreicht. EU- Kommissar warnt vor sozialem Notstand. Lohnt sich das eigene Heim noch?
Steigende Zinsen stellen viele Immobilienbesitzer in Deutschland und Europa vor große Herausforderungen, insbesondere wenn es um die Anschlussfinanzierung geht. Nachdem die Europäische Zentralbank (EZB) im September den Leitzins auf 4,5 Prozent angehoben hatte, könnten jetzt die monatlichen Kreditraten das Budget vieler Haushalte überfordern.
Die Zinsen für Immobiliendarlehen haben den höchsten Wert in den vergangenen zwölf Jahren erreicht, teilte der Baufinanzierer Interhyp am Donnerstag mit. Die Zinsen für zehnjährige Darlehen seien im September auf über vier Prozent gestiegen.
Immobilienbesitzer in der Zinsfalle
Kredite mit einer Zinsbindung von 15 oder 20 Jahren kosten demnach Anfang Oktober mit knapp 4,2 Prozent nur unwesentlich mehr, bieten Kreditnehmern aber eine höhere Kalkulationssicherheit. Darlehen mit einer Zinsbindung von fünf Jahren sind mit durchschnittlich mindestens 4,3 Prozent wieder teurer geworden.
Experten gehen davon aus, dass sich an diesem Trend so schnell nichts ändern wird. Die Zinsen dürften weiter steigen, wofür eine anhaltend hohe Inflation und relativ robuste Konjunkturdaten sprechen. Mit einer Entspannung und günstigeren Konditionen ist laut Interhyp frühestens Mitte 2024 zu rechnen.
Soziale und finanzielle Herausforderung
Die Lage für Besitzer von Immobilien könnte sich vor diesem Hintergrund zu einem "sozialen Notstand" entwickeln, erklärte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni gegenüber dem Handelsblatt. Das betreffe hauptsächlich Länder, in denen variable Zinssätze für Immobiliendarlehen weitverbreitet sind.
Auch in Deutschland ist ein erheblicher Teil der Verträge betroffen. Das geht aus Daten der European Mortgage Federation hervor, auf die sich das Handelsblatt beruft. Danach hatten im ersten Quartal rund 17 Prozent der neu abgeschlossenen Verträge eine Zinsbindung von unter einem Jahr, weitere zehn Prozent eine Laufzeit zwischen einem und fünf Jahren.
Besonders hart trifft es diejenigen, die ihre Kredite zu Zeiten niedriger Zinsen aufgenommen haben und deren Zinsbindung nun ausläuft. Je nach Höhe der Zinsen und der anfänglichen Tilgung kann eine monatliche Mehrbelastung von rund 1.000 Euro entstehen, rechnen Experten im Handelsblatt vor.
Fördermöglichkeiten und Herausforderungen
Um soziale Härten und eine Überforderung der Haushalte zu vermeiden, soll hier der Staat helfen. So fordert Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) konkrete Hilfen, etwa in Form von Förderkrediten der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW).
Auch für Interhyp sind steigende Zinsen kein Grund, auf den Traum vom Eigenheim zu verzichten. Wer zum Beispiel in ökologisches Wohneigentum investiert, kann bereits ab dem 16. Oktober von einer KfW-Förderung profitieren. Eine Familie könne so bis zu 71.000 Euro sparen.
Der Baufinanzierer weist auch darauf hin, dass der Immobilienmarkt auf die steigenden Zinsen mit sinkenden Kaufpreisen reagiert hat.
Das gilt allerdings nicht für Neubauten, wie Daten der Kreditplattform Europace zeigen. Deren Kaufpreise blieben in den vergangenen Monaten nahezu unverändert. Die Preise für Bestandsimmobilien und Eigentumswohnungen sind dagegen deutlich gesunken.
Ob die Bundesregierung den Immobilienbesitzern tatsächlich unter die Arme greift, ist noch offen. Die Vorsitzende des Bauausschusses im Bundestag, Sandra Weeser (FDP), äußerte sich gegenüber dem Handelsblatt zurückhaltend.
Man müsse genau hinschauen, wo das Wohneigentum von Familien gefährdet sei. Für die Bundesregierung bleibe es aber entscheidend, die Schuldenbremse einzuhalten. Und wo das Geld für die Kreditrate nicht reiche, könne auch Wohngeld beantragt werden.
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