Stadtentwicklung: Der Speckgürtel wächst wieder
- Stadtentwicklung: Der Speckgürtel wächst wieder
- Haus im Umland entzieht sich der Obrigkeit
- Keine Alternative zu Bau in Randlagen
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Trend zur Reurbanisierung hält an. Zugleich schwelt ein unstillbarer Durst nach dem Haus im Grünen. Warum der neue Wohnungsbau einen Identitätsraum braucht.
Dass der Bayerische Verfassungsgerichtshof vor einiger Zeit ein Volksbegehren gegen den Flächenverbrauch als unzulässig abgelehnt hat, ist bedauerlich. Weil der Boden einerseits unsere natürliche Lebensgrundlage und andererseits eine nicht erweiterbare Ressource darstellt, bedarf er eines besonderen Schutzes.
Schon vor Jahrzehnten hat der renommierte Ökonom Edgar Salin, als er über Prosperität und Zukunftschancen einer Region sinnierte, klargemacht, dass dies nicht über das Wuchern der Städte ins Umland geht, sondern die Vitalisierung von innen heraus braucht.
Dabei dachte man, das Phänomen der Suburbanisierung habe seine Zukunft längst hinter sich gelassen. Welch' ein Irrtum! Zwar sprach man in den letzten Jahren nur noch von der "Reurbanisierung" und der "Renaissance der Städte". Aber längst hat die aktuelle Wohnungsnot, d.h. der Umstand, dass viele in der Stadt keine geeignete und erschwingliche Wohnung mehr finden, das Problem wieder akut werden lassen.
Freilich ist das kein Grund für das übliche Lamento. Stattdessen müssen wir begreifen, dass sich mit dem gängigen, allerdings zu eng gefassten Stadtbegriff realiter kaum mehr operieren lässt, dass sehr viel stärker in regionalen Zusammenhängen gedacht und gearbeitet werden muss.
Es ist hier durchaus interessant, was der Publizist Dirk Vaihinger, auf den Schweizer Kontext bezogen, zu Protokoll gegeben hat:
Der gemeine Menschenverstand glaubt, das Wort "agglo" sei eine Abkürzung des städtebaulichen Begriffs Agglomeration. Weit gefehlt! Von diesem Ursprung hat sich agglo längst gelöst. Es dient als Bezeichnung für eine diffuse Mischung aus Provinz, Bildungsferne und Heckspoiler. Auch eine leichte Bedrohlichkeit schwingt mit. Nicht umsonst reimt sich agglo auf aggro und nicht auf Vorstadt.
Aus der bloß abschätzigen Verwendung des Worts ist in jüngerer Zeit aber etwas Neues erwachsen. In agglo klingt heute ein Anflug von Respekt an, eine Achtung vor Zusammenhalt, Subkultur und Nonchalance. Der agglo-Slang ist in der Jugendsprache schon lange Standard. So wie die Hip-Hop-Bewegung das amerikanische Ghetto aufgewertet hat, gilt auch für agglo: Es bedeutet immer noch proletarisch und laut, aber zugleich cool, tough, bad.
Vorstadt ist da, wo die Stadtgrenze endet oder zumindest das Weichbild der Stadt ausläuft. Die Eisenbahn hat Agglomeration und Suburbia ermöglicht, weshalb an ihren Adern entlang gesiedelt wurde. Die Randwanderung von Industrie und Wohnen wurde oftmals von der sich ausbreitenden Stadt wieder eingeholt, etwa als 1920 die Einheitsgemeinde "Groß-Berlin" umgesetzt wurde.
Doch erst seit der Wiederaufbauwelle der Fünfzigerjahre und angetrieben durch den motorisierten Individualverkehr entstand das, was allgemein als Suburbia vorgestellt wird. Und seit den 1960er-Jahren lockten Randgemeinden die Städter mit gesetzlichen Bauerleichterungen, billigen Grundstücken, Steuervergünstigungen und kostenloser Infrastruktur dorthin, wo der Fernsehtraum vom Eigenheim im Grünen noch Wirklichkeit werden kann.
Seit den 1980er-Jahren kamen immer komplexere, nicht integrierte Einkaufszentren sowie neben Industrie auch produktorientierte Dienstleistungen hinzu. Nachfolgend siedelten sich im Umland vermehrt hochwertige Arbeitsplätze (Medienindustrie, Verwaltung) an, wobei die Emanzipation von der Kernstadt nun auch die qualifizierten Jobs erreichte. Wurden zunächst Flughäfen, Mülldeponien und Kläranlagen an den Stadtrand delegiert, sprach man um die Jahrtausendwende davon, dass die Kernstadt im Begriff sei, "Mülleimer der Stadtregion" zu werden.
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