Stadtentwicklung: Der Speckgürtel wächst wieder

Seite 3: Keine Alternative zu Bau in Randlagen

Freilich ist das nur die eine Seite der Medaille. Denn es gibt absehbar keine Alternative, als Bauflächen in Randlagen oder im Umland der Städte ins Visier zu nehmen. Die Lage ist eben verzwickt. Wenn unsere Gesellschaft pro Jahr etwa 400.000 neue Wohnungen benötigt (wie es etwa der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung besagt – und davon gut 100.000 Sozialwohnungen), dann braucht es dafür Platz. Die Nachverdichtung der bestehenden Städte ist absolut sinnvoll; sie stößt aber – quantitativ – an Grenzen und – qualitativ – vielerorts auf enorme Gegenwehr.

Dass die immer wieder neue Flächeninanspruchnahme "draußen" Kritik hervorruft, ist nachvollziehbar. Allein, es handelt sich dabei um einen gesellschaftlichen Aushandlungsprozess, der unter ungleichen Ausgangsbedingungen stattfindet: Wenn man etwa den Flächenverbrauch auf 30 ha zurückdrehen will, so heißt das, diejenigen Ansprüche an den Raum, die bereits realisiert sind, gegenüber zukünftigen eindeutig zu bevorzugen. Mit welchem Recht?

Was als Flächenfraß beklagt wird, ist das Resultat eines komplexen Zusammenspiels von politisch-ökonomischen Randbedingungen, individuellen Präferenzen und ihrer politisch-planerischen Regulierung. Um Missverständnissen vorzubeugen: Dies ist dezidiert kein Plädoyer für den urban sprawl. Die Kritik daran ist, auch im Sinne der Begrenzung räumlicher Verwertungsprozesse und einer Reorientierung auf urbane Qualitäten, unbedingt berechtigt.

Doch statt sich offen und schonungslos mit den Gegebenheiten auseinanderzusetzen, befleißigt man sich im Fachdiskurs eines idealisierenden, bloß Schwarz-Weiß-Kontraste wahrnehmenden Blickes. Das ist so sinnvoll wie, sagen wir, Eiswürfelmaschinen in der Antarktis.

Nötig hingegen ist es, Visionen für die stadtregionale Entwicklung zu entwerfen: Ziele, auf die sich die Bevölkerung und Gebietskörperschaft einigen können; Richtpunkte auf der Grundlage der Anforderungen für eine nachhaltige Entwicklung; Wegmarken, die sich an den Akteuren orientieren und auf das Notwendige und Machbare konzentrieren. Es gilt, angemessene – eben auch baulich-räumliche – Qualitäten für Suburbia zu definieren.

Gewiss, man darf die inhärenten Gefahren nicht kleinreden: Dass die Größe der Aufgabe und die Dringlichkeit des Handelns Innovation blockiert. Dass sie Maßnahmen favorisiert, die langfristige und nachhaltige Perspektiven (im Wortsinne) verbauen. Eine bloß quantitativ ausgerichtete Wohnungspolitik kann allzu schnell einmünden in monofunktionale und sozial homogene Express-Siedlungen irgendwo "jwd"1. Also genau das Gegenteil von dem, was für eine sinnvolle urbanistische Perspektive erforderlich ist.

Dennoch, oder gerade deshalb, gilt es, sich von vorschnellen Urteilen freizumachen. Unter der Überschrift "Quint-Essenz" hat der unnachahmliche Komiker Heinz Erhardt einmal folgendes Gedicht veröffentlicht:

Mal ist die Tür zum Paradies
geschlossen und mal offen
weil manches Mal man nüchtern ist
und manches Mal besoffen.

Muss man denn, um im Bild zu bleiben, betrunken sein, um die Region als Ganzes zu sehen? Sei es in der Globalisierungs-Rhetorik als Grundeinheit zur Vernetzung in strategischen Allianzen, sei es unter den Zielen der Nachhaltigkeit als kleinster geeigneter Einheit für "Vor-Ort"-Konzepte?

Es gilt doch, dafür Visionen zu entwerfen: Ziele, auf die sich die Bevölkerung und Gebietskörperschaft einigen können; Wegmarken, die sich an den Akteuren orientieren und auf das Notwendige und Machbare konzentrieren. Wir müssen angemessene – eben auch baulich-räumliche – Qualitäten für Suburbia definieren. Deshalb lautet die Aufgabe: Aus dem, was unter Suburbanisierung oder Zwischenstadt subsumiert wird, einen Identitätsraum zu machen.

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