Stadtentwicklung: Der Speckgürtel wächst wieder
Seite 2: Haus im Umland entzieht sich der Obrigkeit
- Stadtentwicklung: Der Speckgürtel wächst wieder
- Haus im Umland entzieht sich der Obrigkeit
- Keine Alternative zu Bau in Randlagen
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Vehement wurde die Gesellschaftslosigkeit der Vororte bemängelt. In der Langeweile moderner Nachbarschaften und in der Uferlosigkeit des ungesteuerten Wachstums ginge doch gerade jene Urbanität verloren, welche die Stadt zum Träger unserer kulturellen Entwicklung mache. Der zum Wohlstand gekommene Mittelstand und die oberen Schichten vergraben sich in der Idylle des draußen gelegenen Einfamilienhauses.
Natürlich war das eigene Haus im Umland der Städte in urbanistischer Hinsicht immer ein Problem: Es entzog sich weithin dem planenden Zugriff und der ordnenden Hand der Obrigkeit. Es war insofern a priori ein Element der Regellosigkeit, als es nicht nur räumlich zur Stadt, sondern zugleich zu der für die Stadt typischen städtebaulichen Verregelung auf Distanz ging.
Offenkundig gibt es die unstillbare Sehnsucht breiter Schichten gerade nach Suburbia, nach dem Einfamilienhaus im Grünen, nach einer Distanz zur hektischen, lauten, die Umwelt belastenden, zunehmend unsicheren City, nach einer Nähe zur Natur, nach einer Gemeinschaft, die Sicherheit, Ruhe und soziale Homogenität verspricht, nach einer Umwelt, die kindgerechter ist als das Innere der großen Stadt.
Doch dass jener Prozess, in dem sich die Einfamilienhausgebiete nach "Art einer Wanderdüne" immer weiter ins Umland hinausschoben, zwar stark auf der raschen Verbreitung des privat genutzten Autos basiert, aber keineswegs zwangsläufig ist, wird gern vergessen. Denn unterstützt und befördert wird er durch eine Vielzahl staatlicher Rahmensetzungen und Förderpolitiken (Straßenbau, Baukindergeld, Pendlerpauschalen).
Das politische Ziel einer "nivellierten Mittelstandsgesellschaft" hat damit tatsächlich eine Art "Leitbild" erhalten – wenngleich eines, das in der Fachwelt stets umstritten war: Bis heute weiß sie sich einig in der Ablehnung des freistehenden Einfamilienhauses als Landschaft zerstörendes und antiurbanes Symbol kleinbürgerlicher Enge und baukulturellen Niedergangs.
Doch im Diktum von der Zersiedelung schwingt ein romantischer Landschaftsbegriff mit: die Vorstellung von der unberührten Natur, völlig außer Acht lassend, dass in Mitteleuropa nahezu jede Landschaft von Menschen gestaltet, mithin künstlich ist. Manifest wird dies besonders im Umkreis von Großstädten und im Bereich der ökonomischen Entwicklungsachsen.
Ursächlich dafür ist – neben der immer dichteren Verkehrserschließung, neben der fortschreitenden Auslagerung von bestimmten städtischen Funktionen (z. B. Baumärkten, Logistik-Center, Deponien) – der Strukturwandel der Landwirtschaft selbst (z. B. die Extensivierung von Grenzertragsböden). Doch wo immer weniger Menschen vom Boden und von der Landwirtschaft leben, scheinen Landschaft und Freiraum plötzlich zum Versprechen einer natürlich geordneten Zukunft zu werden. Gesellschaftlich ist das verständlich. Doch deswegen noch nicht richtig.
Die Diskussion um die Zersiedelung baut eine doppelte Frontstellung auf – die Landschaft gegen das Bauen, und die Kernstadt gegen die Umlandgemeinden –, die sich kaum produktiv anwenden lässt auf eine suburbane Landschaftsrealität aus flurbereinigten Äckern, begradigten Flüssen und Feldwegen, Hochspannungsleitungen usw.
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