Bedingte Medienfreiheit

Seite 2: Tendenzschutz vs. Medienfreiheit

Wie aber steht es um publizistische Verantwortung, um das Erfüllen der öffentlichen Aufgaben des Journalismus (wie Kritik und Kontrolle) laut Landespressegesetzen? Um die Einhaltung von Richtlinien des Pressekodex, denen zufolge Verlag und Redaktion getrennt arbeiten sollten?

Wichtig mit Blick auf die Strukturen an der Stelle: Verständlicherweise fordern Journalisten-Vertreterinnen und -Vertreter wie Tina Groll (dju) oder Frank Überall (DJV) mit Bezug auf Grundgesetz, Landespressegesetze und Pressekodex, Verleger hätten "grundsätzlich die Finger von redaktionellen Entscheidungen zu lassen".

Aber sie wissen natürlich auch, dass im selben Grundgesetzartikel 5 unter Ziffer (2) steht: "Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze (...)". Als ein solches Gesetz hierzulande gilt das Betriebsverfassungsgesetz, dessen Paragraf 118 zufolge privat-wirtschaftlich verfasste Medien (wie die des Ippen-Verlages) in der Regel als "Tendenzbetriebe" angesehen werden, deren Eigentümer weitgehende Rechte haben, im Sinne von "Tendenzschutz".

Bei der verlegernahen "Initiative Tageszeitung e.V." heißt es dazu: "Mitarbeiter oder Mitglieder der Redaktion können nicht unter Berufung auf den grundgesetzlichen Schutz der Pressefreiheit verlangen, dass Artikel veröffentlicht werden, die der Tendenz des Blattes widersprechen".

Oder wie es der konservative Publizist Paul Sethe, einer der fünf FAZ-Gründungsherausgeber, bereits 1965 in seinem berühmten Leserbrief an den Spiegel formuliert hatte: "Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten. Frei ist, wer reich ist. Das Verhängnis besteht darin, dass die Besitzer der Zeitungen den Redakteuren immer weniger Freiheit lassen, dass sie ihnen immer mehr ihren Willen aufzwingen."

Das scheint mehr als ein halbes Jahrhundert später auf ganz neue Weise aktuell – zumindest, was privat-wirtschaftliche Medien wie die Zeitungen des Ippen-Verlags betrifft.

Mit dem "Zweiten", also hier dem öffentlich-rechtlichen Teil der deutschen Medienlandschaft, sieht man besser? Das zweite aktuelle Beispiel zum Thema "Bedingte Medienfreiheit" sei hier das von Marietta Slomka moderierte heute-journal im ZDF vom 24. November 2021.

Bei Minute 26:30 der gut halbstündigen Sendung wurde im Nachhinein ein Beitrag zum Thema "Mathias Döpfner als alter und neuer BDZV-Vorsitzender" aus den im Netz noch auffindbaren Versionen einfach herausgeschnitten, ohne darauf hinzuweisen, dass und warum dies geschah; vgl. auch hier.

Das hat der Chefredakteur des Branchendienstes kress, Markus Wiegand, Anfang Januar öffentlich gemacht. In dem gelöschten ZDF-Beitrag ging es laut Wiegend um Turbulenzen im Axel-Springer-Verlag nach der Ippen-Recherche, dem Reichelt-Rücktritt und nach umstrittenen Äußerungen von Mathias Döpfner sowie aktuell um die am 24. November, also am ZDF-Live-Sendungstag, stattgefundene Präsidiumssitzung des BDZV, die wiederum Döpfner trotz mancher Rücktrittsforderung den Rücken gestärkt hatte.

Der Branchendienst kress fragt in der Überschrift: "Warum zensiert das ZDF einen Beitrag über Axel Springer und den BDZV?" Das ZDF hat demnach bestätigt, dass der Beitrag online nicht mehr abrufbar sei. "Aus rechtlichen Gründen kann der Beitrag leider nicht in der Mediathek bereitgestellt werden", habe das ZDF mitgeteilt und Nachfragen zu den Gründen zumindest zunächst "entschieden" abgewehrt.