Bedingte Medienfreiheit

Seite 3: Springer habe gegen ZDF-Beitrag nicht geklagt

Wiegand schreibt, ihm als Augenzeugen des "unter geheimnisvollen Umständen verschwundenen Beitrags" sei auf den ersten Blick nichts Justiziables am Kurzfilm aufgefallen. Döpfner sei "einfach nicht sehr gut" weggekommen, "was auch damit zu tun haben könnte, dass Axel Springer bei ARD und ZDF wegen der scharfen Berichterstattung der Bild (gegenüber den Öffentlich-Rechtlichen, d.A) nicht wirklich viele Freunde" habe.

Springer allerdings habe gegen den Beitrag nicht geklagt, halte der Konzern fest. Dort wundert man sich laut Wiegand ebenfalls, dass der Beitrag nicht mehr abrufbar sei.

Der kress-Chefredakteur hält zwei Aspekte für merkwürdig: "Die klammheimliche Zensur eines Beitrags, den Millionen Menschen live gesehen haben". Aber auch "die Weigerung (Kommasetzung redigiert, d.A.), dafür einen Grund zu nennen.

Wiegand folgert nachvollziehbar: "Wenn es in Teilen der Bevölkerung Vorbehalte gegen die öffentlich-rechtlichen Sender gibt, trägt so ein Verhalten sicher nicht dazu bei, das Vertrauen zu steigern."

Nach der Veröffentlichung habe dann die kress-Redaktion zunächst über informelle Kanäle "doch noch eine Begründung für die Löschung" erreicht: "Offenbar sind in dem fraglichen ‚Heute Journal‘-Beitrag juristisch angreifbare Passagen".

An der mangelnden Kommunikation und fehlenden Transparenz zur Löschung habe es allerdings auch senderintern Kritik gegeben. Als Update fügte die kress-Redaktion schließlich noch an, ein ZDF-Sprecher habe am 4. Januar mitgeteilt: "Der Beitrag ist aus rechtlichen Gründen nicht mehr in der ZDFmediathek verfügbar. Die zuständige Redaktion hat ihn wegen einer ungenauen Formulierung zurückgezogen."

Der Springer-Verlag habe sich über den Beitrag weder beschwert noch die Veröffentlichung in der Mediathek verhindert. Die Entscheidung sei innerhalb des ZDF getroffen worden.

Die beiden hier skizzierten Fall-Beispiele (also: wie schnell und wie tief "Medienfreiheit" so oder so fallen kann) weisen Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf: Es geht um das "Verschwinden" von zwei mehr oder weniger kritischen Beiträgen mit Blick auf den Axel-Springer-Verlag.

Einmal privat-rechtlich, das andere Mal öffentlich-rechtlich. Das eine Mal bereits vor der Veröffentlichung, beim zweiten Beispiel hinterher. In beiden Fällen wird offiziellerseits darauf verwiesen, dass der Springer-Verlag nicht aktiv gegen die Beiträge vorgegangen sei. Zumindest im "Fall Ippen" wird das in Kommentaren mit guten Gründen bezweifelt.

Schwer zu sagen, was bedenklicher wäre: Wenn das Verschwinden der Beiträge tatsächlich auf Interventionen auf dem Hause Springer zurückginge, oder aber, wenn in vorauseilendem Gehorsam seitens der Medienorganisationen Ippen-Verlag und ZDF diese Beiträge kassiert wurden und damit die "innere Medienfreiheit" massiv unterlaufen wäre.

Mit Blick auf Medienfreiheit nur "bedingt abwehrbereit"? Vielleicht erscheinen auch hier angesichts des mächtigen Gegenspielers Springer-Verlag (und ähnlich wie gesamtgesellschaftlich gerade durch die Pandemie) lange bestehende und sich verschärfende Strukturprobleme gleichsam wie im Brennglas verdeutlicht – Medienfreiheit wird zwar prominent im Grundgesetz versprochen, aber spätestens, wenn es kritisch wird, erweist sie sich alles andere als garantiert. Es sei denn, als Freiheit der Reichen und Einflussreichen.