"Begrenzung der Zuwanderung": CDU und CSU einigen sich auf die Zahl 200.000
Der Richtwert soll aber keine "Obergrenze" sein: "Das Grundrecht auf Asyl wird nicht angetastet"
Der erste Akt zu den Koalitionsvereinbarungen der neuen Regierung ist vorbei. Die Union musste einen Kompromiss finden zwischen der Obergrenzen-Forderung des Teams Seehofer in der CSU und dem insistierendem Nein der CDU-Kanzlerin Angela Merkel zur "Obergrenze" ("eine Frage von Redlichkeit und Glaubwürdigkeit"), damit man mit einer gemeinsamen Ausgangsposition in die Verhandlungen mit der FDP und den Grünen gehen kann.
Die Führung der Schwesterparteien hat es mit einer Chiffre geschafft, wie die Tagesschau, die das Kompromisspapier in die Hände bekam, am Sonntagabend berichtet. Die Lösungsformel des Konflikts wird dort so formuliert:
Wir wollen erreichen, dass die Gesamtzahl der Aufnahmen aus humanitären Gründen die Zahl von 200.000 Menschen im Jahr nicht übersteigt.
Vereinbarung zwischen CDU und CSU, laut Tagesschau
Das ist eine Absichtserklärung mit einem innenpolitischen Richtwert. Die Zahl 200.000 entspricht exakt der Größe, die Seehofer als Obergrenze immer postuliert hat. Der CSU-Chef kann also mit einem Verhandlungserfolg zurück nach Bayern fahren, wo man bereits damit begonnen hat, an den Beinen seines Throns zu sägen. Auf den Begriff "Obergrenze" muss er verzichten. Das hätte Schwierigkeiten mit grundrechtlichen Vorgaben ergeben und an der Glaubwürdigkeit der Kanzlerin gesägt. Man einigte sich auf eine Gesamtzahl als gemeinsamen Richtwert.
Diesem liegt folgende Ungleichung zugrunde: Die Summe der Flüchtlinge plus subsidiär Geschützte plus Familiennachzug plus umgesiedelte Flüchtlinge ("relocated") minus die Zahl der abgeschobenen Migranten bzw. der freiwilligen Rückkehrer soll "kleiner gleich" 200.000 sein.
Die CDU forderte laut Tagesschau, dass dieser Richtwert von 200.000 nicht mit Zurückweisungen an der deutschen Grenzen verbunden sein dürfe: "Das Grundrecht auf Asyl wird nicht angetastet".
Das Wort Obergrenze werde deshalb nicht verwendet. Von Begrenzung der Zuwanderung ist laut ARD-Hauptstadtstudio lediglich die Rede - das will auch die CDU. Stichwort: "2015 darf sich nicht wiederholen." (Hervorheb. i.O.) Tagesschau
Wie es die Zeit interpretiert, wird auch "künftig niemand abgelehnt werden, weil er in diesem Jahr der 200.001. ist".
Andererseits bekennen sich CDU und CSU nicht nur zum Recht auf Asyl im Grundgesetz, sondern auch zur Genfer Flüchtlingskonvention sowie zu "unseren aus dem Recht der EU resultierenden Verpflichtungen zur Bearbeitung jedes Asylantrags"
Die Zeit
Dafür soll ein Ablauf geschaffen werden, der in der Großen Koalition schon diskutiert wurde, dort aber nicht mehrheitsfähig war. Damals wurde die Diskussion unter dem Stichwort "Transitzonen" geführt.
Neu in Deutschland ankommende Asylbewerber sollen nach dem Willen der Union künftig in speziellen Aufenthaltszentren bleiben, bis über ihre Verfahren entschieden ist. Falls Anträge abgelehnt werden, sollten die Betroffenen aus diesen Einrichtungen abgeschoben werden.
Vereinbarung zwischen CDU und CSU, laut Tagesschau
An Details werde noch gefeilt, teilt die Tageschau mit. Die Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios, Tina Hassel, brachte in ihrer Interpretation der Kompromisslösung einen weiteren Begriff ins Spiel, den des "atmenden Deckels":
Die Lösung könnte demnach in der Verbindung von einem Einwanderungsgesetz für Fachkräfte und einer Kontingentlösung für all die Flüchtlinge sein, die weder ein Recht auf Asyl haben noch unter den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention fallen. Für diese Menschen könnte eine Art "atmender Deckel" eingeführt werden.
Tina Hassel, Leiterin des ARD-Hauptstadtstudios