Bei Luisa Neubauer wird Markus Lanz schwach
Seite 2: "Ja, die arme Automobilindustrie"
- Bei Luisa Neubauer wird Markus Lanz schwach
- "Ja, die arme Automobilindustrie"
- Auf einer Seite lesen
Die Autoindustrie-Passagen begannen mit dem Bezug auf die IAA in München und Lanz' Frage an Luisa Neubauer, ob es richtig gewesen sei, "dieser gebeutelten Automobilindustrie so sehr auf die Pelle zu rücken"? Darauf lächelt Neubauer nur spöttisch "Ja, die arme Automobilindustrie.", um dann konzentriert loszulegen:
Na ja, man muss sich ja so ein bisschen fragen: Wofür steht diese Automobilindustrie? In Deutschland ist das Auto ein großes Kulturgut, und im letzten Jahrhundert ein großes Sinnbild für Freiheit, für Wohlstand, für Wohlergehen; es zeigte: dem Land geht es besser, es steht für Wohlstand, für Jobs. Lange Zeit wurde in Deutschland Wirtschaft sehr geradlinig ausgerichtet auf das Wohlergehen der Automobilindustrie. Dann geht's der Wirtschaft gut, den Menschen gut - wo ist das Problem?
Jetzt sind wir in einer neuen Phase und die sieht so aus: Wir merken, das geht mit dem Verkehr in Deutschland nicht mehr so weiter. Mobilität muss neu gedacht werden. Was macht Menschen wirklich frei? Wie können sie auch unabhängig vom Auto frei sein, mobil sein, von A nach B kommen, zur Arbeit kommen, nachts, tags - das alles sind ja ganz neue Fragen. Das heißt, für die Verkehrspolitik stellt sich die Grundsatzfrage: Machen wir die Gesellschaft glücklich? Oder machen wir die Automobilkonzerne glücklich? (...)
Dass man dann diese Messe als Sinnbild nimmt für eine Politik, die es lieber den Konzernen recht macht, statt dafür zu sein, dass wirklich in dem Tempo, wie man das Jahre fürs Auto gemacht hat, auf ÖPNV und auf Bahn gesetzt wird (...) Da finde ich es wirklich in Ordnung, zu sagen: Das skandalisiert man.
Denn der öffentliche Nahverkehr wird von den Konzernen nicht gewollt. Realistisch gesehen ist jede S-Bahnlinie für einen Automobilkonzern ein neues Problem, weil sie mehr Konkurrenz zum eigenen Produkt bedeutet.
"Stumpf zu sagen 'Wir halten den Status quo', das geht so nicht auf"
Neubauer argumentierte überraschenderweise nicht mit ökologischen Daten, Erderwärmungszenarien, schmelzenden Gletschern und traurigen Eisbären, sondern streng ökonomisch: Es waren schließlich die Konzerne, die vom Bund mehr Planungssicherheit, also "mehr Staat" forderten, längst werde die deutsche Autoindustrie international von Trends verschluckt. "Stumpf zu sagen 'Wir halten den Stratus Quo', das geht so nicht auf." – während die großen Automobilkonzerne in Deutschland alle weiterhin auf den Verbrenner setzen, laufe China uns den Rang ab.
Dann kam es zu einem Wortwechsel, in dem Lanz seine Moderatorenrolle verließ und Auto-Parteigänger wurde. Als Neubauer ausführte, die IAA mit ihren Ausstellungen neuester E-Mobile sei angesichts der Verkaufszahlen für fossile Fahrzeuge Greenwashing, fragte Lanz: "Das heißt, Sie nehmen das den Automobilkonzern nicht ab?"
Neubauers Antwort: "Ich glaube nach dem Dieselskandal tun wir uns alle ein sehr großen Gefallen, die Integrität der Automobilindustrie mal ganz grundsätzlich infrage zu stellen."
Da machte Lanz ein Gesicht, dass man gar nicht anders, als ein betont "dummes Gesicht" bezeichnen kann, als die Karikatur von Unverständnis: Mit hochgezogenen Augenbrauen, halb offenen Mund, weit aufgerissenen Augen, hält er den Kopf schief und beugt sein Kinn vor. Fehlt nur noch, dass er laut "Häähh???" ruft.
Das brachiale Lobbying der Automobilkonzerne
Wenn wir uns angucken, mit welcher Art von brachialem Lobbying die Automobilkonzerne in den letzten Jahren verhindert haben, dass Umweltauflagen und Klimaziele eingehalten werden – es gibt keinen Konzern, der wirklich ein Konzept dafür hat, wie man irgendwann einmal weniger Autos auf deutschen Straßen hat.
Da stellt man einfach fest: Als Verkehrsminister müsste man salopp gesagt die Eier in der Hose haben, diesen Konzernen auch mal eine Ansage zu machen.
Luisa Neubauer
Nun fragt Lanz: "Welche Ansage sollte man denen machen?"
Neubauer: "Dass wir natürlich E-Autos wollen. Und dass es gut ist, wenn es in Deutschland einen guten Industriestandort gibt. Wir werden in Deutschland doch darüber nachdenken müssen – und das ist ja jetzt keine radikale Überlegung – wie die sieht Mobilität aus, die nicht auf immer mehr Autos setzt?"
Lanz: "Sollen die gesetzlich vorschreiben: Baut weniger Autos?"
Neubauer ist klug genug, hier nicht "Ja!" zu sagen, was eigentlich die offenkundige, richtige Antwort gewesen wäre.
Daraufhin versucht Lanz Neubauer eine Falle zu stellen und sie bei – vermeintlicher! – Inkompetenz zu erwischen: "Wie groß ist der Anteil der Automobilindustrie, ums einmal zu verstehen: wie viele Arbeitsplätze hängen an der Automobilindustrie?"
"Viele Hunderttausend. Wir sind in den höheren Hunderttausenden"
Lanz' letzter Versuch, polemisch: "Sie wissen's nicht genau..."
Woraufhin Neubauer Hilfe durch Widman bekommt, der ihr bestätigt, dass sie richtig liegt: "knapp 800.000".
"Herr Lanz, jetzt machen wir uns hier nicht lächerlich."
Nun entwickelte Lanz plötzlich weitere eigene wilde Thesen, und wurde endgültig Autolobbyist: "Es müsse doch ein politisches Interesse sein, dass es dieser Automobilindustrie einigermaßen gut geht."
Sie argumentiert dagegen: "Nein, es muss vielmehr ein politisches Interesse sein, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben."
Man müsse einen großen Unterschied machen, ob es den Konzernen gut geht, oder gutbezahlte Jobs vorhanden sind.
Lanz: "Sie sind da sehr schwammig... Sie sagen irgendwelche Jobs, sie reden von Transformation"
Neubauer: "Wo bin ich jetzt an dieser Stelle schwammig?"
Lanz: "Naja, sie wollen doch das Ende dieser Industrie."
Neubauer: "Das habe ich nicht gesagt."
Lanz: "Aber sie wollen weniger davon."
Neubauer: "Herr Lanz, jetzt machen wir uns hier nicht lächerlich. Die Feststellung ist: Damit Deutschland in Zukunft Mobilitätssysteme nachhaltig aufbauen kann, braucht es mehr Mobilität jenseits vom Auto."
Lanz: "Sage ich ja: weniger Autos. Das heißt, weniger Arbeitsplätze."
Neubauer: "Nein, die Rechnung ist nicht so einfach. Wer baut die Busse, wer die Schienen? Ich halte es für respektlos den Beschäftigen gegenüber, nicht eine Sekunde damit zu verbringen, mal zu überlegen: Wie sieht eine nachhaltige Zukunft ihrer Industrie aus, die ja kommen muss, sondern Menschen da rein rennen zu lassen."
Lanz: "Sorry ich komme da gerade nicht mit. Die deutsche Autoindustrie ist anders als von Ihnen hier behauptet vor ein paar Minuten sehr wohl auf dem Weg in die Elektromobilität. Nicht nur aus altruistischen Gründen. Sondern, weil der chinesische Automarkt in Zukunft ein elektrischer sein wird. Und die wollen dort verkaufen. Das heißt, diese Transformation findet statt, ich finde sehr schnell."
Desinformationsfernsehen
Neubauer beharrt darauf, gerade jetzt sei es existentiell für gesicherte Arbeitsplätze, dass man sich frage, "welche Veränderung kommt, welche wollen wir? Und wie bringen wir das zusammen?"
Dann versuchte Lanz noch, zu moralisieren: "Ist es nicht wahnsinnig respektlos, Leuten gegenüber, die sich jetzt gerade sehr bemühen, auf E-Mobilität umzustellen." Menschen wollten womöglich gern mit ihrem Auto fahren, und sich keine Vorschriften machen lassen.
So wird Fernsehen zu Desinformation. Denn tatsächlich sorgt eine autozentrische Politik, die Verbilligung des Autoverkehrs, das fehlende gute ÖPNV-Netz erst dafür, dass Menschen das Gefühl haben, ohne Autos könnten sie nicht mobil sein.
Jedes Jahr wird der Autoverkehr mit Milliarden-Beträgen subventioniert. Trotzdem stellen sich immer mehr Menschen die Frage: "Möchte ich Auto fahren oder muss ich Auto fahren?"
Luisa Neubauer gelang es aber, in ihrem konzentrierten Auftritt, in Markus Lanz den Lobbyisten der Autokonzerne herauszukitzeln. Plötzlich stand sie selbst als Realistin gegenüber einem Ideologen da.