"Beim Frühstück im Coffee-Shop"

Die "Welt" testet in Berlin ein handlicheres Zeitungsformat

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Die Zeitungslandschaft kriselt weiter vor sich hin, doch endlich hat man - außer dem Internet - einen neuen Schuldigen gefunden: Die Tageszeitungen sind hierzulande einfach zu unhandlich. Die Springer-Tageszeitung "Die Welt" testet seit Montag in Berlin ein verkleinertes Format. In Großbritannien sind die Erfahrungen mit eben diesen Tabloidformaten bisher gemischt.

Jung und dynamisch möchte die "Welt Kompakt" erscheinen, als erste Qualitätszeitung in der Bundesrepublik in dem handlichen Tabloidformat neue Leserkreise erschließen, ohne die anderen abzuwürgen. Am Montag erschien in Berlin die erste Ausgabe im neuen Format, das als 32-Seiter in Kleinformat für 50 Cent käuflich zu erwerben ist. Acht Wochen lang soll der Testlauf dauern, der auch für andere Blätter wegweisend werden könnte.

Die Krise der Tageszeitungen hängt eng zusammen mit dem Aufstieg des Internet. Konnten sich früher viele Zeitungen über das einträgliche Geschäft mit Stellenanzeigen, Wohn- und anderen Kleinanzeigen das Budget aufbessern, sind diese Märkte unwiderruflich verloren. Das gilt nicht nur für den deutschen Zeitungsmarkt. In allen ähnlich strukturierten Medienmärkten führte die Krise der Verlage neben der Entlassung von Redakteuren und freien Mitarbeitern auch zur Suche nach neuen Ideen. In Großbritannien testeten bereits mehrere Tageszeitungen das kleinere handliche Format. Der "Independent" befand es nach acht Monaten für so gut, dass die klassische Broadsheet-Variante Mitte Mai eingestellt wurde. Insgesamt 15 Prozent mehr Leser, insbesondere Frauen, hat das neue Format laut Independent angesprochen. Diesen Erfolg konnte bislang jedoch keine andere Zeitung nachahmen - auch nicht die altehrwürdige "Times", die derzeit in beiden Formaten erscheint.

Im Praxistest konnte sich die erste Ausgabe "Welt Kompakt" gut behaupten. Das kleinere Format erweist sich in U-Bahnen und auf Tischen als praktischer. Allerdings fällt auch das Verstecken dahinter deutlich schwerer. Die Ankündigung von "Welt Kompakt"-Chefredakteur Peters, dass das neue Format ideal sei "für mobile, aktive Menschen, die unterwegs lesen wollen, in der U-Bahn ... oder beim Frühstück im Coffee-Shop" lässt das neue Zielpublikum erahnen.

Die "Welt" will sich deutlich verjüngen, auch wenn das zu Lasten des Inhalts geht. Denn kleinere Seiten bedingen kürzere Artikel und weniger Themenvielfalt. Randthemen, Kommentare und Glossen fallen zwangsläufig noch schneller unter den Tisch als bisher schon. Die "Welt Kompakt" hat es laut Chefredakteur Peters vorerst geschafft, den Redaktionsschluss nach Mitternacht herauszuzögern. Spötter bezeichnen es deshalb bereits jetzt als "Newsticker zum Mitnehmen" - für alle, die den Rechner nicht vor dem Frühstück einschalten wollen.