Benoît Hamon, Sieger der jungen Linken

Benoît Hamon mit Bernie Sanders, Sept. 2016. Bild: Marion Germa / CC BY-SA 3.0

Frankreich: Der Präsidentschaftskandidat des PS steht fest: Chancen für Rot-Rot-Grün als neue Trikolore?

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Wird Frankreich rot-rot-grün? Der Überraschungskandidat Benoît Hamon hat gestern die Vorwahlen des sozialdemokratischen PS (Parti Socialiste) gewonnen. Der Sieg gegen Manuel Valls, der bis vor kurzem noch Premierminister war, fiel eindeutig aus. Hamon gewann 58 Prozent der Stimmen.

Es war die letzte einer ganzen Reihe von Wahlklatschen für die Politik Hollandes. Hamon wird dem Lager der Frondeurs, die gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Partei unter Hollande rebellieren und für einen Kurs stehen, der sich als deutlich links markiert. Exemplarisch dafür steht ihr Widerstand gegen das Arbeitsgesetz.

Die politischen Ziele, für die Hamon wirbt, sprechen für sich: Er exponierte sich mit der Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens für das Lager der Realisten als "Träumer". Er will die Arbeitszeit noch unter der 35- Stunden-Woche festlegen, zielt damit also in die vollkommen entgegengesetzte Richtung von Valls und Hollande.

Linke Politik eng mit ökologischer Politik verbinden

Grundlegend vertritt Hamon die Auffassung, dass zeitgemäße linke Politik engstens mit Umweltpolitik verquickt ist, so präsentiert er auch eine rigidere Abschaltungspolitik bei den AKWs. Ihren Anteil an der Stromproduktion will er künftig auf 50 Prozent reduzieren. Es soll mehr Umweltabgaben geben. Bis 2025 will er Dieselmotoren abschaffen.

Bei seinem letzten TV-Duell gegen Valls führte er mit großer Bestimmtheit aus, dass es eine Art Diskriminierungs-Polizei brauche, um Anti-Diskriminierungsgesetze im allgemeinen Bewusstsein zu verankern und durchzusetzen. Hamon tritt für den Schutz von Whistleblowers ein, für die Legalisierung von Cannabis. Bei dem heiklen Thema "Sterbehilfe" bezieht er eine Pro-Haltung, die entschiedene Gegner hat.

Die Liste kontrovers diskutierter Themen, wo Hamon einen Standpunkt einnimmt, der nicht wenige gegen ihn aufbringt, zum Beispiel bei der Reproduktionsmedizin oder beim Verbot von Pestiziden, ließe sich noch weiter fortsetzen. Wie groß der Rückhalt dafür ist, den Hamon in der Bevölkerung finden kann, ist noch nicht einzuschätzen. Mit dem von ihm vorgeschlagenen Moratorium für die Euro-Rettungspolitik und der Abkehr von der Austeritätspolitik trifft er aber den Nerv vieler.

"Kandidat der neuen Arbeitswelt"

An der Vorwahl des PS nahmen knapp nach ersten Schätzungen 1,3 Millionen Wähler teil. Auch wenn sich diese Zahl noch verändert wird, fest steht es sind weniger als bei der letzten Vorwahl des PS und viel weniger als bei den Konservativen.

Hamons Wahl zum Kandidaten wird als Neuanfang des PS gewertet. Sympathisanten des PS versprechen sich, dass sich die Jugend wieder neu für die Partei begeistern kann, wenn sie sich an ihren linken Kern erinnert. Mit Hamon gibt es einen Anschluss an die Widerstandsbewegung, die sich bei den Protesten gegen das Arbeitsgesetz gezeigt hat ("Nuit debout").

Auch sein Konzept des Grundeinkommens, das Hamon bereits modifiziert hat, womit er zeigte, dass seine Positionen verhandelbar sind, wird als Zeichen seiner "Verankerung im Jetzt" gewertet. Er würde anders als die etablierten Parteipolitiker wie Valls mehr Gespür und mehr Ahnung von den neuen Arbeitswelten und -bedingungen der digitalen Zeit haben, so die optimistischen Kommentare.

Die Frage ist, ob er damit Mehrheiten schaffen kann. Das hängt nun davon ab, ob es ihm gelingt, nicht nur die "Realos" seiner Partei, die von Valls vertreten wird, zu überzeugen - manche sehen auf den PS eine Splatung zukommen, wie sie die SPD in Deutschland erlebt hat -, sondern auch die Linke außerhalb des PS.

Bündnis mit Mélenchon?

Sollte es ihm gelingen, Mélenchon von der Linken links vom PS (La France insoumise) zu überzeugen, dass sich dieses Lager, zu dem auch die kommunistische Partei gehört, seinem anschließt, würde dies auf einen Wahlkampf von Rot-Rot-Grün gegen Rechts von der Mitte hinauslaufen. Dass er mit diesem Programm den Rückhalt der französischen Grünen hat, versteht sich, bei Mélenchon, der selbst kandidiert, ist dies ganz und gar nicht sicher.

Einfache Kalküle gibt es nicht. Denn da ist auch noch der Kandidat Macron. Der frühere Wirtschaftsminister, der nicht zum PS gehört, zieht nicht nur enttäuschte sozialdemokratische Politiker vom rechten Flügel aus seine Seite, sondern auch PS-Wähler. Dass vor allem Macron von Marine Le Pen in der jüngsten Zeit attackiert wurde, ist auf den bisherigen Erfolg der Kampagne Macrons ("En marche") zurückzuführen.

Zu den Eigentümlichkeiten der französischen Präsidentenwahl gehört, dass die zweite Runde, also die zur Stichwahl, eine ganz eigene Dimension hat. Nach der ersten Wahlrunde wird noch einmal ganz neu mobilisiert, bislang vereitelte die Zusammenführung bis dato divergierender Lager zur Stichwahl den Sieg von Kandidaten des Front National.

Nach einer aktuellen Umfrage sieht es nicht so aus, als ob es Hamon in die zweite Runde schafft. Als gesetzt gilt Marine Le Pen, die mit 25 Prozent vorne liegt. Dahinter liegen der Kandidat der Republikaner, François Fillon, und Emmanuel Macron, mit 22 Prozent und 21 Prozent. Fillon hat durch den Skandal Unterstützung verloren, Macron gewonnen.

Bemerkenswert ist, dass auch diese Umfrage von der Tradition ausgeht, dass die Kandidatin Le Pen die Stichwahl nicht gewinnen wird. Bislang hat der Wahlkampf in Frankreich aber bestätigt, was sich beim Brexit und bei der Wahl Trumps im Großen zeigte, dass "Überraschungen" die neue Normalität sind.

Für viele Kommentatoren haben sich die Chancen von Marine Le Pen durch den linken Kandidaten Hamon erhöht.