Berliner Tagesspiegel stellt CDU-Politiker bloß: Rache mit Rechtsbruch

Seite 2: "Keine Angaben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind"

In den Community-Richtlinien des Tagesspiegels heißt es:

Bitte beachten Sie auch bei der Wahl des Namens die geltende Richtlinie und geben sich möglichst ein seriöses Pseudonym. (...) Bitte beachten Sie auch, dass Kommentare, die Sie auf den Seiten von Tagesspiegel.de abgeben, öffentlich sind. Sie können von jedermann gelesen werden. Machen Sie in Ihren Beiträgen deshalb keine Angaben, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind. Dies gilt insbesondere für Post- und E-Mail-Adressen.

Community-Richtlinien Verlag Der Tagesspiegel

Wenn Politiker oder konkret Pressesprecher von Parteien beim Tagesspiegel nur unter ihrem Klarnamen diskutieren dürfen – für wen gilt das dann noch? Nach dem bei Rehfeldt angelegten Maßstab muss künftig wohl jeder Lobbyist mit seiner "Enttarnung" rechnen, ob aus Industrie, Gewerkschaft oder etwa Klimaschutzbewegung.

Darf künftig niemand mehr anonym bleiben, der in das kommentierte Thema involviert oder von diesem betroffen ist? Jedes aktive Mitglied eines Vereins könnte zur Angabe eines "Disclaimers" verpflichtet sein. Und alle Journalisten?

Der Tagesspiegel äußerte sich auf eine Anfrage von Telepolis innerhalb einer siebenstündigen Frist am Freitag nicht dazu.

Im Beitrag leitet das Blatt ein öffentliches Interesse, das offenbar die zugesagte und gesetzlich geschützte Vertraulichkeit überwiegen soll, von einem vagen Verdacht des Arbeitszeitbetrugs bzw. einer nicht zulässigen privaten Internetnutzung her.

>Mehr als 100 Kommentare zu Texten, die auf tagesspiegel.de erschienen sind, hat Rehfeldt zwischen 10 und 16 Uhr geschrieben, die meisten davon am Vormittag. Das fällt in die Kernarbeitszeit des Bezirksamts. Die Nutzung dienstlicher E-Mail-Adressen ist in der bezirklichen "Dienstvereinbarung zur Nutzung des Internet" geregelt. Unter Punkt 2.2 heißt es da: "Die private Nutzung des Internet und der anderen Dienste ist grundsätzlich nicht zulässig."

Margarethe Gallersdorfer und Lorenz Maroldt im Checkpoint

Rehfeldt sagt laut Tagesspiegel dazu allerdings, er habe "stets darauf geachtet, die stets als private Meinung zu verstehenden Kommentare nicht in der Dienstzeit zu verfassen, sondern das in Pausen zu tun".

Im Bezirks-Newsletter für den Berliner Stadtteil Neukölln zitiert Tagesspiegel-Redakteurin Madlen Haarbach am 31. Mai Rehfeldt dazu knapp und indirekt, aber wohl sehr relevant: "Ein entsprechendes Verfahren gegen ihn sei mittlerweile abgeschlossen."

Hannes Rehfeldt war eine Woche zuvor zum Stadtrat für Gesundheit und Soziales gewählt worden, wobei die vorherige Berichterstattung des Tagesspiegels eine wichtige Rolle spielte. Seine Kandidatur war zum Zeitpunkt der Enthüllung bereits bekannt.