Bernard Kouchner und die Zwangsarbeit in Burma
Der neue französische Außenminister hatte vor Jahren die Verstrickungen des französischen Energiekonzerns Total mit dem Militäregime in Burma weiß gewaschen, nach der Niederschlagung der Proteste werden sie in Frankreich erneut in Zusammenhang mit möglichen Sanktionen diskutiert
Burma ist in aller Munde, seitdem in den letzten Wochen massive Protestbewegungen in dem südostasiastischen Land stattfanden und daraufhin mit militärischer Gewalt unterdrückt wurden. Auch Bernard Kouchners Namen ist in aller Munde: Im Frühsommer dieses Jahres französischer Außenminister geworden, sorgte der Mann mit seinen klar ausgesprochenen Kriegsdrohungen gegen den Iran am 16. September für helle Aufregung. Inzwischen möchte er jedoch in der Öffentlichkeit nicht mehr explizit von Krieg sprechen, denn „dieses Wort schätze ich nicht“. Aber zwischen Burma und Bernard Kouchner gibt es auch einen Zusammenhang. Es handelt sich nicht wirklich um ein Glanzlicht in der Karriere des ehrgeizigen französischen Politikers.
Zwangsarbeit von Kindern, in einer Zone, durch die internationale Erdölkonzerne – unter ihnen der französische Branchenriese Total - eine Pipeline errichteten? Nicht doch, nicht doch, versicherte eifrig ein gewisser Bernard Kouchner. In einem Interview mit dem Figaro behauptete er im Dezember 2003, er könne sich gar nicht vorstellen, dass der französische Erdölkonzern, dessen Beteiligung an dem umstrittenen Pipelineprojekt seit längerem in der Öffentlichkeit kritisiert wurde, von Sklavenarbeit profitiere.
„Zu 95 Prozent“ sei er sich da sicher, meinte der Mann, der inzwischen als französischer Außenminister amtiert. Denn die Leute von Total, die kenne er, und die seien dazu rein menschlich "nicht fähig“, denn sie hätten nicht die Mentalität von Sklavenhaltern. Vielmehr wirke die Mehrheit im Vorstand, so Kouchner wörtlich, eher wie „katholische Pfadfinder“. Sicherlich eine Eigenschaft, die „von Vorteil ist, um in Ländern wie dem Iran, in Libyen oder in Nigeria zu investieren“, wie die Pariser Investigations- und Satirezeitung Le Canard enchaîné dazu spöttisch anmerkte. Oder in Burma.
Pikant an der Geschichte war unter anderem, dass Kouchner in jenem Jahr die runde Summe von 25.000 Euro von Total kassiert hatte – für einen Bericht, den er abfasste, nachdem er im März 2003 vier Tage in Burma verbracht hatte. Dorthin war er erstmals im Dezember 2002 in Begleitung seiner Gattin, der Fernsehjournalistin Christine Ockrent, gereist; daraufhin bekam er kurze Zeit später den Auftrag für die Erstellung eines Untersuchungsberichts über einen für Total tätigen Anwalt erteilt. Im September 2003 legte er seinen Bericht vor, der auch prompt alsbald auf der Homepage des Erdölgiganten auftauchte. „Bleich“ soll Kouchner, der gern als einer der weltweit wichtigsten Vorkämpfer für die Menschenrechte auftritt – und Interventionen der westlichen Mächte zu ihren Gunsten legitimiert -, geworden sein, als Total den Bericht dann im Dezember bei einem Prozess gegen Anklagen von Flüchtlingen aus Burma verwendete. Ohne sein vorheriges Wissen, so schrieb Le Monde damals.
Um jene Zeit hatte der als eitler Fatzke bekannte französische Politiker, ehemalige Gesundheits- und spätere Außenminister, eine Ein-Mann-Beraterfirma namens „BK Conseil“ (für Bernard Kouchner Beratung) gegründet. Mit ihr wurde er damals unter anderem auch für die autokratischen Präsidenten von Gabun und Kongo-Brazzaville, Omar Bongo und Sassou-Ngessou, in Form von Untersuchungsberichten über Arzeimittelimport bzw. die Geflügelgrippe tätig. Rein zufällig handelt es sich bei den beiden Präsidenten nicht nur um altgediente Diktatoren, sondern auch um zwei hervorragende Freunde der Konzernführung von Total an der Spitze zweier Erdöl produzierender Staaten. Für das Geld habe er freilich nicht gehandelt, behauptete Kouchner damals in der Öffentlichkeit, denn auf mickrige 25.000 Euro komme es ihm nicht an: „Pro Vortrag, den ich gebe, nehme ich allein die Hälfte (dieser Summe)“ – während seine Ehefrau, die Fernsehjournalistin Christine Ockrent, hingegen 18.000 Euro verlangt.
Weißwaschen des französischen Erdölkonzerns
Total brauche sich im Hinblick auf seine Präsenz in Burma nichts vorwerfen zu lassen, erklärte Kouchner, und fügte in der Öffentlichkeit treuherzig hinzu: „Die Rohre der Pipeline sind zu schwer, um von Kindern getragen zu werden.“ Es hatte aber auch niemand behauptet, dass man sich die Zwangsarbeit in der Zone, durch welche die Erdgasleitung unter maßgeblicher Beteiligung von Total und der US-amerikanischen Ölfirma Unocal verlegt wurde, so vorstellen müsse. Die seit Jahren laut werdende Kritik prangerte vielmehr andere Formen der Ausbeutung von Sklavenarbeit an. Die Pipeline, die zwischen 1995 und 1998 vom Förderprojekt Yadana im Andaminischen Meer über burmesisches Territorium – 63 Kilometer Landweg - bis zu ihrem Zielort im benachbarten Thailand verlegt wurde, führte durch aus Sicht der burmesischen Militärdiktatur „unsicheres“ Gebiet. In dieser Zone waren Rebellengruppen ethnischer Minderheiten, die durch das Regime in Rangun marginalisiert wurden, besonders der Karen, seit langem aktiv. Um das größte Investitionsprojekt in dem vormals nach Autarkie suchenden Land abzusichern, setzte die Junta auf eine totale Militarisierung der betroffenen Zone. Statt zuvor drei Bataillone der Burmesische Armee wurden ihrer 15 dort stationiert. Um Munition zu transportieren, Baracken für die Soldaten und Hubschrauber-Landeplätze zu errichten, aber auch um das Gelände für die zukünftige Verlegung der Erdgasleitung von Gewächsen zu säubern und zu planieren, wurden Dorfbewohner unbezahlt zur Zwangsarbeit verpflichtet.
Durch die Armee, nicht direkt durch die ausländischen Investoren. Aber in deren Niederlassungen wusste man offenkundig, was vorging. Le Monde zitierte im Jahr 2004 eaus inem Brief, den der damalige Unocal-Leiter in Burma im März 1995 an seine Konzernzentrale sandte: „Unsere Behauptung, dass das Regime nicht rund um die Pipeline seine üblichen Methoden ausgeweitet hätte, wird nicht vielen Überprüfungen standhalten können.“ Auch im Untersuchungsbericht einer Delegation der französischen Nationalversammlung vom Oktober 1999 liest man: „Es erscheint fadenscheinig, den Bau der Pipeline (...) von den Maßnahmen des burmesischen Regimes zu seiner Absicherung zu trennen. Es sind diese Sicherheitsmaßnahmen, die Zwangsarbeit und Zwangsumsiedlungen hervorgerufen haben.“ Total und Unocal hätte nicht direkt und bewusst Zwangsarbeiter beschäftigt, wohl aber von ihrem Einsatz (unter Aufsicht und Verantwortung der burmesischen Armee) profitiert. Die Parlamentariergruppe sprach sich deshalb gegen weitere Aktivitäten von Total in der betroffenenen Region aus. Die International Labour Organisation (ILO) veröffentlichte 2000 einen vernichtenden Untersuchungsbericht über Zwangsarbeit in Burma, und beschloss daraufhin den Ausschluss des Regimes aus ihren Reihen.
Ein ehemaliger Offizier der französischen Fremdenlegion, Jean-Claude Knappe, der zeitweise bei Total in Burma für die Sicherheit verantwortlich war, meldete sich seinerseits im Dezember 2003 im Figaro und im Nouvel Observateur zu Wort. Er behauptete, die Armee habe Dorfbewohner unter Zwang zur Räumung von Sprengfallen in Minenstreifen eingesetzt; er habe mit eigenen Augen gesehen, wie fünf Personen dabei getötet worden seien. Andere Augenzeugen berichten, eine Subfirma von Total, die Héli-Union – die normalerweise für den Einsatz von Hubschraubern auf Bohrplattformen zuständig ist – habe Soldaten der burmesischen Armee mit ihren Helikoptern zu Einsätzen transportiert.
In seinem Rapport von 2003 zeigt Bernard Kouchner sich aggressiv gegen jene Menschenrechtsaktivisten und –verbände, die „uniformiert“ seien und Vorwürfe gegen Total erhoben, obwohl sie sich nicht selbst vor Ort begäben. Ein Vorwurf, der einer gewissen Perfidie nicht entbehrt, da unabhängige Menschenrechtsorganisationen nach Burma nicht hineingelassen wurden und werden. Kouchner spielte unterdessen die rein humanitär tätigen NGOs, die sich nicht um politische Verhältnisse kümmern und um Zusammenarbeit auch mit repressiven Regimes bemüht sind, gegen die Arbeit von Menschenrechtsverbänden aus: Die einen leisteten konkrete Arbeit, die anderen dagegen stänkerten nur „aus der Ferne“.
Ferner führt Kouchner die Zwangsarbeit in der betroffenen Region auf eine „kulturelle Tradition“ zurück, unter Anspielung auf die frühere kostenlose Arbeit von Dorfbewohnern bei der Errichtung von Tempeln oder gemeinnützigen Bauten. „Aber sicher nicht beim Munitionstransport oder Errichten von Unterkünften für Soldaten“ konterte die Internationale Vereinigung von Menschenrechtsverbänden (FIDH) in einem kritischen Kommentar zu Kouchners „Untersuchungsbericht“, dessen Erscheinen sie ausdrücklich bedauerte. Die FIDH und andere Kritiker monierten fermer, Kouchner habe weder die burmesische Opposition noch die Flüchtlingen an der thailändischen Grenze getroffen.
Bernard Kouchner zufolge hatte der französische Konzern sich nichts zuschulden kommen lassen. Pech nur, dass die Total-Direktion selbst einräumte, dass sie es in Wirklichkeit besser wusste. Bereits während einer Debatte im Pariser Kulturkaufhaus FNAC im Sommer 2001 räumte der Präsident des durch den Konzern eingerichteten „Ethikrats“ ein, man habe Kenntnis von solche Zuständen gehabt: „Aber wenn uns ein Fall von Zwangsarbeit bekannt wird, dann entschädigen wir die Betroffenen.“ Und nachdem die US-Firma Unocal, die mit Total in demselben Erdgasförderprojekt vor der burmesischen Küste investiert hat, im Rahmen eines Prozesses in Kalifornien größere Schadensersatzzahlungen geleistet hatte, hielt auch die Konzernführung in La Défense bei Paris die Zeit für gekommen. Im November 2005 zahlte Total jeweils 10.000 Euro an acht burmesische Kläger und richtete einen „Reparationsfonds“ unter Einlage von 5,2 Millionen Euro ein.
Die damalige Klage wurde unterdessen in Nanterre (bei Paris) durch die Untersuchungsrichterin Katherine Cornier abgewiesen, aber ausschließlich aufgrund der Nichtzuständigkeit der französischen Justiz, da zu jenem Zeitpunkt keiner der Kläger oder Zeugen sich auf französischem Boden befand. Hingegen nahm die Richterin sich die Zeit, ausdrücklich in ihre Entscheidungsbegründung hinein zu schreiben: „Die Realität der angeprangerten Tatsachen kann nicht in Zweifel gezogen werden.“
Und heute?
Seit der Affäre um Kouchners Rapport war es still um die Aktivitäten von Total in Burma geworden. Heute, nach den Demonstrationen und der Repression in den letzten Wochen, sind die Aktivitäten von Total in Burma erstmals wieder zum Gegenstand der öffentlichen Debatte geworden.
Präsident Nicolas Sarkozy forderte am 26. September „private Firmen wie zum Beispiel Total“ zu „größter Zurückhaltung in Burma“ auf und ersuchte sie, „keine neuen Investitionen“ dort zu tätigen. Dieser Appell war freilich relativ unnötig: Seit 1998 hat der Konzern ohnehin keine Neuinvestition in dem Land vorgenommen. Aber alljährlich fließen geschätzte 200 bis 500 Millionen Euro über die burmesische Staatsfirma MOGE, die mit 15 Prozent an dem Förderprojekt von Yadana beteiligt ist, an die Junta – deren Militärs dort im Aufsichtsrat sitzen.
Die Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi hatte Total in einem Interview mit Le Monde im Juli 1996 als „wichtigste Stütze des Regimes“ bezeichnet. Einen Hinweis, den Total-Generaldirektor Christophe de Margerie, seinerseits im Gespräch mit derselben Pariser Abendzeitung am letzten Samstag, mit der Entgegnung vom Tisch wischt: „Aber wir sind im Jahr 2007!“ Die übrigen Gedanken des Interviewten sind schnell zusammengefasst: „Wir müssen das Öl dort holen, wo es sich befindet.“ Und wenn wir es nicht tun, dann werden es eben andere machen (die geringere Skrupel hätten). Ansonsten verweist der Vorständler darauf, dass Total in Burma auch in Sozial- und Gesundheitsprojekte investiere, etwa in die AIDS-Bekämpfung. Einen Hinweis, den auch bereits Kouchners Papier von 2003 enthielt - den jedoch die internationale Menschenrechtsorganisation FIDH damals mit dem Argument zurückwies, ein solches Verständnis von Sozialpolitik und Gesundheitsversorgung als Aufgabe eines Privatkonzerns sei gefährlich: Es könne dazu führen, dass die Ungleichbehandlung zwischen Bevölkerungsgruppen, die sich zufällig in Reichweite eines Total-Projekts befinden, und anderen Bevölkerungsteilen die bestehenden Ungerechtigkeiten noch verschärfe. Stattdessen solle Total lieber – vor der burmesischen wie der internationalen Öffentlichkeit – offenlegen, was der Konzern an den burmesischen Staat bezahle. Dieser stünde dann in der Verantwortung, die Verwendung der Gelder zu rechtfertigen.
Die Frage eines Rückzugs von Firmen wie Total aus dem Land, sowie etwaiger breiterer Wirtschaftssanktionen gegen Burma, spaltet jedoch die Kritiker. Die FIDH fordert nach wie vor den Abzug von Total. Im Gespräch mit Libération vom 28. September 2007 weist ihr Generalsekretär Olivier de Schutter darauf hin, die Zahlungen an das Regime aus dem Ölgeschäft kämen ohnehin nicht den Bewohnern des Landes in ihrer Mehrheit zugute: „Die Einkünfte von 75 Prozent der burmesischen Bevölkerung stammen aus der Landwirtschaft. Und der räuberische Staatsapparat gibt 45 bis 50 Prozent seines Budgets für Militärausgaben aus, aber unter drei Prozent für Gesundheit und Bildung.“ Ein wirtschaftlicher Boykott träfe also gar nicht die Bevölkerung.
Dagegen sind andere Kritiker der Konzernpolitik weitaus skeptischer gegenüber allgemeinen Sanktions- und Boykottmaßnahmen. Der linke Anwalt William Bourdon, der die burmesischen Kläger gegen Total in Frankreich vertritt, zum Beispiel: „Burma unter Quarantäne zu stellen, könnte ein Rezept sein, das schlimmer wäre als das Übel, gegen das es angewendet wird. Es gibt kein historisches Beispiel eines Regimes, das infolge eines Boykott wie eine reife Frucht gefallen wäre.“ Tatsächlich haben der Irak, Serbien und andere zeitweise mit Wirtschaftssanktionen belegte Staaten dadurch nicht die Politik ihrer Regime verändert – vielmehr entwickelten sich Schmuggelaktivitäten und halbmafiöse Netzwerke. Viel hängt in solchen Fällen von den Forderungen der internen Opposition an die interne Öffentlichkeit, ihrer Strategie und ihren Möglichkeiten zur Umwandlung von äußerem Druck in inneren Druck ab. Das Beispiel des südafrikanischen ANC ließe sich diesbezüglich positiv anführen.
Skepsis und Zurückhaltung herrscht in Teilen der Opposition auch bezüglich der Absichten der US-amerikanischen und französischen Führung, falls diese denn ernsthaftere Sanktionen ergreifen. Hingewiesen wird dabei auch darauf, dass Burma eine neue Front in einem faktischen kalten Krieg der Westmächte mit China – an dessen Südgrenze und in einem Land, wo hohe chinesische Investitionen präsent sind – bilden könnte. In manchen westlichen Hauptstädten könnte man so nach Verbündeten für eine Einflusssuche nach dem Vorbild der „Orangenen Revolution“ suchen. Auch dieser Gedanke ist sicherlich berechtigt
Eins hingegen steht wohl unverrückbar fest: Was Total – und andere, US-amerikanische, thailändische oder auch chinesische Konzerne – bisher in Burma betrieben, hat mit den Interessen der dortigen Bevölkerung nichts zu tun. Allenfalls als Legitimationsmäntelchen werden letztere gern angeführt.