Biden und Harris stellen Übergangsprogramm vor
Kampagnenwebsite bietet viele Allgemeinplätze und das Versprechen, die Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen
Während der scheidende US-Präsident Donald Trump seine Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen am vergangenen Dienstag noch immer nicht eingestehen will, haben sein designierter Nachfolger Joe Biden und die kommende Vizepräsidentin Kamala Harris ihre Pläne für einen politischen Wandel vorgestellt
"Unsere Nation sieht sich ebenso einer Pandemie gegenüber wie einer Wirtschaftskrise, nachdrücklichen Forderungen nach Rassengerechtigkeit und einer existenziellen Bedrohung durch den Klimawandel gegenüber. Der designierte Präsident Biden und die designierte Vizepräsidentin Harris wissen, dass wir nicht einfach wieder zu den früheren Zuständen zurückkehren können. Das Team, das gerade zusammengestellt wird, wird sich diesen Herausforderungen umgehend annehmen und uns besser wieder aufstellen", heißt es auf der Website.
Das Biden-Team stellt unter dem Seitentitel buildbackbetter.com vier Politikbereiche vor, denen die neue Regierung Vorrang einräumen will:
- die Bekämpfung der Corona-Pandemie;
- die Erholung der US-amerikanischen Wirtschaft;
- der Kampf gegen Rassismus und ethnische Ungleichheit;
- der Kampf gegen den Klimawandel.
Auf der Website findet sich auch ein Kapitel, das dem Vorgehen während der Übernahme der Amtsgeschäfte gewidmet ist. Es gehe Biden und Harris darum, auf die "Vielfalt der Ideologien" einzugehen, heißt es dort. Beobachter sehen darin ein deutliches Zeichen der neuen Regierungsspitze, auf die Anhänger des abgewählten Donald Trump zuzugehen. Wie genau und in welchem Maße sich diese Zugeständnisse auf die Regierungspolitik auswirken werden, bleibt indes unklar.
Biden will heute Übergangsberater vorstellen
Man wolle, so verkündet das designierte Präsidialteam, "dem Talent der Menschen, den komplexesten Herausforderungen der Gesellschaft, der Integrität und den höchsten ethischen Standards" Priorität einräumen. Das klingt schon ziemlich nach Allgemeinplätzen, ebenso wie das Versprechen, "dem amerikanischen Volk und nicht Sonderinteressen zu dienen" und "Transparenz (zu garantieren), um jederzeit Vertrauen zu gewinnen".
Die Übergangspläne wurden zeitgleich auf sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter- und Instagram unter dem Handle @Transition46 verbreitet. Dort postete das Team am Sonntagmorgen auch ein Video von Biden, in dem er über die Ziele seiner Präsidentschaft spricht. Darin kündigt der 77-Jährige an, am heutigen Montag die Namen seiner "Übergangsberater" anzukündigen. Eine ihrer vorrangigen Aufgaben werde es sein, einen Plan zur Bekämpfung der Corona-Pandemie zu erstellen. Dieser Plan, so Biden, werde ab dem 20. Januar 2021 umgesetzt.
Am Sonntag hatte die stellvertretende Wahlkampfleiterin Bidens, Kate Bedingfield, auf der NBC-Sendung Meet the Press bereits bekanntgegeben, dass die Coronavirus-Task-Force des designierten Präsidenten von dem ehemaligen US-Generalgesundheitsarzt Vivek Murthy und David Kessler, einem ehemaligen Leiter der Food and Drug Administration, geführt werden wird.
Die US-Seuchenkontrollbehörde Center for Disease Control and Prevention (CDC) meldete am Sonntag 9.808.411 Fälle des neuartigen Coronavirus im Land. Das entsprach einem Anstieg von 93.811 Fällen gegenüber der vorherigen Zählung. Die Zahl der Todesfälle ist demnach zuletzt um 1.072 auf 236.547 angestiegen.
Wo ist die Alternative zum Zwei-Parteien-System?
Ob unter einem Präsidenten Biden der Neuanfang gelingt, wird in der Demokratischen Partei und in der US-amerikanischen Linken derzeit durchaus in Frage gestellt. Gegenüber der Tageszeitung The New York Times schilderte die Abgeordnete Alexandra Ocasio-Cortez unlängst ihr schwieriges Verhältnis zur eigenen Partei. Neben anderen Problemen habe ihr "der Mangel an Unterstützung" zugesetzt, so Ocasio-Cortez, und der Umstand, dass "die eigene Partei einen für den Feind hält".
Ocasio-Cortez war vor vier Jahren als Außenseiterin für den linken Flügel der Demokraten in das Abgeordnetenhaus gewählt worden und gehört dem „Squad“ an, vier Women of Colour, die 2016 Mandate für die Demokraten erringen und vergangenen Woche verteidigen konnten.
Der US-Marxist und Wirtschaftswissenschaftler Richard Wolff zeigte sich skeptisch, ob den Demokraten ein echter New Deal gelingt, mit denen die schweren sozialen Probleme der US-Gesellschaft überwunden werden können. Sowohl unter den Republikanern als auch unter den Demokraten werde das Wohlstands- und Einkommensgefälle in den USA wohl größer werden, so Wolff, der daran erinnerte, dass gegenwirkende Reformen in den 1930er Jahren erst von der Gewerkschaftsbewegung, Sozialisten und Kommunisten erzwungen worden waren.
"Üblicherweise wird die GOP" – gemeint ist die "Grand Old Party“", also die Republikaner – "die Einkommen der US-Amerikaner weiter und schneller schmälern als die Demokraten, aber beide Parteien haben die Umverteilung von Reichtum und Einkommen nach oben seit 1945 geduldet und verwaltet", so Wolff in einem Beitrag für die US-Portale Economy for All und Counterpunch.
Nach Ansicht des linken Ökonomen fehlten der US-Politik nach wie vor echte Wahlmöglichkeiten: "Beide große Parteien sind nichts weiter als Cheerleader für den Kapitalismus, selbst wenn eine mörderische Pandemie mit einer schweren wirtschaftlichen Krise zusammenfällt."
Eine echte politische Wahl würde eine Partei erforderlich machen, die den Kapitalismus kritisiert und Alternativen jenseits des aktuellen Gesellschafts- und Wirtschaftssystems anbietet. "Zahlreiche Umfragen belegen, dass Millionen von US-Bürgern sozialistische Kapitalismuskritik und sozialistische Alternativen zum Kapitalismus in Betracht ziehen wollen" erinnerte Wolff. Auch die Menge der Anhänger von Bernie Sanders, Alexandria Ocasio-Cortez und andere Sozialisten belegten dies.