Bidens blinde Eskalation: Warum US-Truppen aus Irak und Syrien abziehen müssen

Seite 2: Die Kriegstrommeln werden in Washington gerührt

Zudem werden sich die bereits hörbaren kriegerischen Rufe im US-Kongress, von Demokraten wie Republikanern, die fordern, den Iran direkt anzugreifen, verstärken und das Weiße Haus unter Druck setzen. Ein Angriff auf den Iran wäre verheerend für beide Seiten.

Es gibt demgegenüber nachhaltige Lösungen, um die Eskalationsgefahr zu bannen. Die überwältigende Mehrheit der internationalen Staatengemeinschaft fordert einen Waffenstillstand in Gaza. Doch die USA haben eine Resolution dazu im UN-Sicherheitsrat zweimal mit ihrem Veto blockiert.

Ein anderer Weg, die Lage zu entspannen, ist, die US-Truppen aus dem Irak und Syrien, wo sie besonders verletzlich sind, abzuziehen. Diese Forderung wird in den USA immer eindringlicher von verschiedenen Seiten erhoben.

Rückzug aus Syrien und Irak jetzt!

So argumentiert Joshua Landis, Professor für Nahost-Studien an der University of Oklahoma und Direktor des Center for Middle East Studies, dass die Angriffe auf US-Einrichtungen in der Region ein Alarmsignal für Biden sein sollten. Er müsse nun den Rückzug aus Syrien und dem Irak, der ja schon länger in Washington angedacht worden sei, umgehend veranlassen und beschleunigen.

Washington muss seine Risiken minimieren. Zuschlagen und Eskalieren wäre ein Fehler, der wahrscheinlich zu mehr getöteten Amerikanern führen wird. Der Auftrag, der die US-Truppen in den Irak und nach Syrien gebracht hat – die Vernichtung von ISIS – ist erledigt. Die weitere Überwachung der versprengten ISIS-Einheiten kann von Basen in Katar, Kuwait und der Türkei aus erfolgen.

Das sei auch deswegen sinnvoll, da die Regierungen und Bevölkerungen in Syrien und Irak darauf drängen, dass alle US-Militärstützpunkte in ihren Ländern aufgelöst werden. Allein in Syrien und im Irak sind weiter rund 3.400 Soldaten (900 in Syrien und 2.500 im Irak) der Vereinigten Staaten stationiert. Und diese Truppen bergen zunehmend ein Risiko.

160 Angriffe in hundert Tagen

In den letzten 100 Tagen, seit dem 17. Oktober, als Israel in den Gazastreifen einmarschierte, hat es bereits mehr als 160 Angriffe auf die Einrichtungen dort gegeben. Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis ein GI dabei getötet wird, sagt Parsi:

Der US-Präsident hat dieses Risiko in Kauf genommen, er hat Israel weiterhin gestattet, den Gazastreifen unterschiedslos zu bombardieren, wohl wissend, dass schon rein statistisch betrachtet klar ist, dass irgendwann die irakischen Milizen Erfolg haben würden und Amerikaner sterben würden.

Neben der Risikominimierung und Deeskalation sollte auch die Frage der Legitimität gestellt werden. Was haben US-Truppen eigentlich im Nahen Osten zu suchen?

Der angegriffene Außenposten in Jordanien, Tower 22, wie auch die amerikanische Soldatenpräsenz in Syrien haben zum Beispiel nicht einmal eine Autorisierung vom US-Kongress. Und, wie schon gesagt, die Regierungen und Menschen dort wollen sie nicht.

Wer erinnert sich noch an Al-Qaida?

Längerfristig braucht es eine grundsätzlich andere Politik der USA im Nahen Osten. Insgesamt sind dort mehr als 50.000 US-Truppen stationiert, an verschiedenen Orten von Ägypten und Dschibuti über Katar und Saudi-Arabien bis zu Oman und die Vereinigten Arabischen Emirate. Warum ist das so? Wem dient das?

Und warum gibt es weiter keinen Palästinenserstaat, während Netanjahu offen erklären darf, dass es auch keinen geben wird?

Man sollte sich daran erinnern, dass zwei zentrale Gründe für die Radikalisierung Osama bin Ladens und die Entstehung von Al-Qaida verantwortlich gewesen sind: die militärische Präsenz der USA in der Region, vor allem in Saudi-Arabien, und die Unterstützung von Israels Besatzungspolitik in den Palästinensergebieten.

Solange Washington nicht gewillt ist, den Kurs zu ändern, wird es nicht möglich sein, die Region nachhaltig zu beruhigen.