Bildwissenschaft im Zeitalter des Copyright
Die Tagung "Global Icons" macht ganz nebenbei die Schwierigkeiten der Benutzung von Bilddatenbanken deutlich
Angeblich sagen Bilder mehr als tausend Worte. Allerdings nur, wenn der Betrachter weiß, worum es geht. Ein Problem, das nicht nur Werbeagenturen betrifft - und eine einmalige Gelegenheit für Kulturwissenschaftler, die zeigen wollen, was in ihnen steckt. Schließlich ging schon Aby Warburg - einer der Urväter zeitgenössischer Kulturwissenschaftler - der Frage nach, ob es so etwas wie eine kultur- und zeitenübergreifende Sprache der Bilder gibt. Zu diesem Zwecke schuf er denn auch den Bilderatlas Mnemosyne, in dem er auf 40 Bildtafeln an die 1.000 Bilder aus unterschiedlichen Epochen versammelte, auf dass der Betrachter selbst Ähnlichkeiten und Gegensätze entdecke. Wobei er mit Oberbegriffen wie "Pathos" oder "Opfer" andeutete, worin für ihn der Zusammenhang bestand.
Schade nur, dass heutige Forscher die Bilder, an denen sie sich abarbeiten, nicht mehr ohne weiteres herzeigen dürfen - schuld daran ist das moderne Urheberrecht, das eifersüchtig darüber wacht, dass beispielsweise nur Wissenschaftler und andere Auserwählte einen Blick in jene Bildarchive werfen dürfen, die von Wissenschaftlern zusammengestellt werden.
Einen Ausweg bieten Tagungen wie Global Icons - Inszenierung kultureller Identität in den Medien, die aktuell im Berliner Haus der Kulturen der Welt stattfindet. Denn hier wurden am Eröffnungstag zwei Bild-Datenbanken vorgestellt, die beide im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte entstanden sind: Global Icons und BiPolAr.
Wie der Name schon andeutet, liegt der Fokus der Datenbank "Global Icons" auf Bildern, die man als weltweit wirksame Ikonen bezeichnen könnte, Bilder also, die zu einer Art Marke geworden sind. Dazu zählen Aufnahmen von Marilyn Monroe ebenso wie Micky Maus, Uncle Sam, das World Trade Center und Osama Bin Laden. Der Clou an der ansonsten nicht gerade überraschenden Auswahl sind die beigefügten Informationen - und die zahlreichen Verknüpfungen der Bilder und Begriffe untereinander: Zu rund 4.000 Bildern gibt es an die 40.000 Verknüpfungen. Auf diese Weise kann man sich kreuz und quer in der Datenbank bewegen und immer wieder neue Aspekte, etwa zum Thema "Identität" entdecken.
Leider ist von diesem "digitalen Bildatlas" noch nichts im Web zu sehen, denn erst gegen Ende des Jahres soll die von der Volkswagen Stiftung geförderte Datenbank, an der eine Hand voll Mitarbeiter unter der Leitung von Lydia Haustein seit rund drei Jahren arbeitet, online gehen. Und auch dann erhalten nur Wissenschaftler und erlauchte Gäste die Lizenz zum Kieken. Man will sich vor Klagen schützen. Dabei dürfte sich das Projekt noch nicht einmal "Global Icons" nennen, denn der Name ist geschützt und darf offiziell nur von einer Agentur in Los Angeles verwendet werden.
Protestbewegungen, die ohne Mitglieder auskommen
Den "Global Icons" geistig verwandt, aber mit ungleich bescheideneren Mitteln erstellt, ist das "Politische Bildarchiv" (BiPolAr) der Justus-Liebig-Universität Gießen. Zu sehen sind Bilder aus dem Bereich der Politik, die zwecks Anschaulichkeit teilweise zu Serien zusammengestellt sind, etwa zum Thema "Massendemonstrationen" oder "Globalisierungsgegner". Entlarvend im Hinblick auf demonstrierende Menschenmassen ist die Umkehrung des Zahlenverhältnisses von Demonstrierenden und Reportern im Laufe der Zeit. Am Ende hat man es mit Protestbewegungen zu tun, die gleichsam ohne Mitglieder auskommen - was zählt, ist die Inszenierung der Botschaft sowie deren anschließende Verbreitung durch die Massenmedien.
Trotz fremder Urheber- und Verwertungsrechte ist jedes Bild für sich in die Datenbank aufgenommen worden, da sie der Forschung und Lehre dient. Um die Nutzung nur zu diesem Zweck zu ermöglichen, ist ihr Zugriff nur Mitgliedern der Justus-Liebig-Universität (JLU) gießen und/oder Mitgliedern des BiPolAr-Projektes möglich. Dies wird durch eine Zugriffsbeschränkung auf Rechner innerhalb des Netzes der JLU (UNIGINET) und Passwörter gewährleistet.
Hinweise zum Urheberrecht
Vollständig eröffnet werden soll das Politische Bildarchiv (BiPolAr) am 11. Juni. Allerdings wird sich auch hier nur ein kleiner Teil der Öffentlichkeit umsehen können. Aus urheberrechtlichen Gründen nämlich muss der Nutzerkreis auf Mitglieder der Justus-Liebig-Universität Gießen und andere Wissenschaftler begrenzt bleiben.
Natürlich ist den Machern der wissenschaftlichen Bildarchive klar, dass ihre Arbeit nur dann fortgeführt werden kann, wenn die Archive auch benutzt und weiterentwickelt werden. Aus diesem Grund soll es Nutzern ermöglicht werden, selbst Bilder und Kommentare einzureichen. Darüber hinaus hängt der Fortbestand solcher Archive von ihrer Finanzierung ab - im Falle BiPolAr ist diese nur bis zur Eröffnung im Juni gesichert, was danach geschieht, wird sich zeigen.