Blick über den Zaun des Nachbarn

Die Entdeckung eines Halos älterer Sterne in der Großen Magellanschen Wolke spricht für eine unserer Milchstraße vergleichbare Entwicklungszeit

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Astronomen haben die Geschwindigkeit von Sternen ermittelt, die um das Zentrum der Galaxie kreisen und fanden damit ein (stellares) Halo, das sich um die Große Magellansche Wolke zieht.

Damit kommt nicht nur bei den Freunden der Magellanschen Wolken Freude auf. Sollte sich die Vermutung mit anderen Verfahren bestätigen, wäre es für die Astronomen wie der Blick über den Zaun zum Nachbarn, der zur selben Zeit gebaut hat. Womit aus der Betrachtung von außen das Verständnis für parallele Entwicklungen in unserer Milchstraße geschärft würden.

Die Untersuchung gründet sich auf 43 RR Lyrae Sterne, deren Geschwindigkeitsdispersion (velocity dispersion) ermittelt wurde. Der Dispersionswert beträgt durchschnittlich 53 Kilometer pro Sekunde, was darauf hindeutet, dass die Sternansammlung "kinematically hot" ist, also nicht von Kreisbewegungen um die Disk, sondern von Eigenbewegungen beherrscht wird. Ferner sind die Sterne metallarm. Aus der Kombination von Daten schließen die Astronomen auf einen alten Halo.

Große Magellansche Wolke (Bild: D. Malin (AAO), AATB, ROE, UKS Teleskop

Die Ergebnisse ergaben sich unvorhergesehen. Ein aufwendiges Forschungsprojekt, genannt MACHO für Massive Compact Halo Objects Microlensing Project hat zum Ziel, die Sterne aus der Großen Magellanschen Wolke zu photometrieren. Etwa 8000 Sterne sind inzwischen registriert. RR Lyrae Sterne) werden dabei als "Messkerzen" benutzt. Sie pulsieren, weil ihre Leuchtkraft vom Wärmezustand bestimmt wird. Der Zyklus beträgt häufig zwischen 12 und 24 Stunden und wechselt von groß und kalt nach klein und heiß.

Das macht die Sterne zu den von den Astronomen bevorzugten Kalibratoren: zunächst wird ihre absolute Leuchtkraft ermittelt, dann kann dagegen die Entfernung anderer Sterne berechnet werden. Die Perioden, Amplituden und die Beschaffenheit der Lichtkurven verraten zugleich Strukturmerkmale. Wobei in dieser Untersuchung die "luminosity-metallicity" Relation dazu dient, die Metallizität der Sterne abzuschätzen. Ferner werden RR Lyrae Sterne als Marker für die Zuordnung zum Halo und zur Disk benutzt.

Das treibende Motiv für viele Forscher ist die Frage nach der Entstehung und dem Sterben von Galaxien. Die "alte" Akkreditionstheorie besagt, dass sich nach dem Urknall eine Gaswolke zur Galaxie verdichtet, Sterne gebiert und später zur Gänze in die zuvor von den Überresten massereicher Sterne gebildeten Schwerkraftfallen ins Schwarze Loch hineingezogen wird.

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Die beiden Magellanschen Wolken und der Magellansche Strom mit einem hohen Wasserstoffanteil (Bild: Dallas Parr, CSIRO)

Heute sind die Astronomen allerdings nicht mehr dieser einhelligen Meinung. Ein Grund ist die Beobachtung, wonach Schwarze Löcher bereits im Zentrum junger Galaxien bestehen Auch hat sich herausgestellt, dass die Masse des Schwarzen Lochs und die Größe der Galaxie, in die es eingebettet ist, miteinander korrelieren. Und dann gibt es da noch die Vermengung von Galaxien, von der niemand so recht weiß, welche Auswirkungen die Integration mit sich bringt. Auch der Niedergang einer Galaxie ist aus heutiger Sicht nicht widerspruchsfrei. Manche Forscher vermuten, das in der Zeit vor dem Zusammenbruch die alten Sterne in die Peripherie wandern und sich dort ansammeln. Dieser Vorstellung folgt die Bezeichnung vom "alten Halo", das bereits für die Milchstraße gefunden wurde.

Das Interesse an der Großen und der Kleinen Magellansche Wolke verbindet die Nähe zur Milchstraße (weniger als 190000 Lichtjahre) mit der Vermutung, dass beide Wolken einander näher kommen und dereinst so wie zuvor der Sagittarius Zwerg von der Milchstraße vereinnahmt werden.

Aus Europa ist uns kein Blick auf die mit dem bloßen Augen sichtbare Große Magellansche Wolke (Large Magellanic Cloud - LMC) vergönnt; sie ist nur von der südlichen Erdhalbkugel aus sichtbar. Das erfuhr Ferdinand Magellan, der portugiesischen Weltumsegler, zu dessen Ehren die Formationen benannt wurden.