Blutsauger-Massenhysterie in Malawi und Mosambik
Mindestens neun Tote und 140 Festnahmen
Das afrikanische Land Malawi wird derzeit von einer Massenhysterie heimgesucht, die seit dem 16. September mindestens neun Menschen das Leben kostete. Dabei geht es um angebliche Blutsauger. Wie ernst die Lage ist, zeigt sich auch daran, dass die Vereinten Nationen am 9. Oktober ihr Personal aus den Gebieten Mulanje und Phalombe abzogen.
Die Blutsauger, die man sich in Südmalawi vorstellt, sind nicht identisch mit den Vampiren in der europäischen Kultur. Es handelt sich dabei um Menschen, die das Blut anderer Menschen trinken sollen, um reich zu werden. Als Beweis dafür genügt es, wenn jemand Nasenbluten hat. Dass man die Blutsauger nicht auf frischer Tat ertappt, erklären sich die Hysterieerfassten dadurch, dass die Blutsauger Zauberkräfte, Zaubertechnologie oder Zauberchemikalien nutzen und mit den Behörden zusammenarbeiten. In den meisten Fällen fiel der Verdacht bisher auf Ortsfremde.
Gesteinigt und verbrannt
In der 745.400-Einwohner-Stadt Blantyre hielt man unter anderem einen Epileptiker, den ein aufgebrachter Mob am 19. Oktober steinigte, für einen Blutsauger. Ein weiteres Opfer wurde am selben Tag verbrannt. Um die Polizei davon abzuhalten, den Opfern zu Hilfe zu kommen, blockierte der Mob Straßen. Inzwischen wurden die Sicherheitskräfte aufgestockt und eine Ausgangssperre verhängt. Etwa 140 Personen, die beschuldigt werden, sich an Angriffen und Lynchmorden beteiligt zu haben, wurden festgenommen. Dazu kommen zwei Männer, die gestanden haben sollen, das Blut anderer Leute zu trinken.
Bislang gibt es zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass sie das tatsächlich machten - aber genauso wenig ist ausgeschlossen, dass sie es im Glauben an eine Wirkung versuchten (vgl. Luba-Rebellen glauben an Unbesiegbarkeitszauber durch Bluttrinken ). Auch in anderen afrikanischen Ländern gibt es sowohl Hexereivorwürfe als auch den Glauben an Hexerei (vgl. Automatische Kritikbremse). In der Zentralafrikanischen Republikkommt es beispielsweise regelmäßig zu Verhandlungen wegen Vorwürfen wie Unwetterverursachung, Seelenraub und der Verwandlung von Menschen in Tiere. Im benachbarten Kongo verhaftete die Polizei Personen, die beschuldigt wurden, die Penisse anderer Männer geschrumpft zu haben. Nach Behördenangaben wurden die Verhaftungen allerdings nur deshalb vorgenommen, damit es nicht zu Lynchjustiz kam, wie in Ghana und Benin.
In den von der aktuellen Hysterie betroffenen Gebieten in Südmalawi leben vor allem Lomwe, die es auch in Mosambik gibt (wo sich ihre Sprache ohne den Einfluss des in Malawi dominanten ChiChewa jedoch anders entwickelt hat). Dort, in Mosambik, sollen die Blutsaugergerüchte ihren Anfang genommen haben. Zu Zusammenstößen mit der Polizei kam es in Mosambik aber erst letzte Woche, als Hysterieerfasste in Muiane im Lomwe-Bezirk Gilé nicht nur den Laden eines Mannes plünderten, den sie für einen Blutsauger hielten, sondern auch das Verwaltungsgebäude und die Häuser von Politikern verwüsteten - darunter das des örtlichen Sekretärs der herrschenden Frelimo-Partei. Der Verwalter des Bezirks und zahlreiche Beamte setzten sich nach Alto Molocué ab.
Mosambikanische al-Shabaab
Kurz vorher, am 5. Oktober, hatte Mosambik den ersten islamistischen Terrorangriff seiner Geschichte erlebt, bei dem 30 Dschihadisten drei Polizeireviere überfielen und kurzzeitig die Herrschaft in der 300.000-Einwohner-Stadt Mocimboa da Praia übernahmen. Bei den Gefechten mit Spezialeinheiten aus anderen Bezirken kamen neben zwei Polizisten und einem Kommunalpolitiker auch 13 Terroristen ums Leben. Andere sollen mit Waffen und Munition aus Polizeibeständen entkommen sein.
Ausgeführt wurde der Angriff den Behördenerkenntnissen nach von einer 2014 gegründeten Salafistengruppe, die sich (wie ihre Gesinnungsgenossen im drei Länder weiter nördlichen Somalia) "al-Shabaab" ("die Jugend") nennt. Sie kontrolliere zwei Moscheen und verbot ihren Anhängern - ähnlich wie Boko Haram in Nigeria - ihre Kinder in Schulen zu schicken. Auch Krankenhäuser gelten ihr als "haram".
Mocimboa da Praia liegt im Nordosten Mosambiks - einem Gebiet, in dem arabische Seefahrer ihre Religion bereits vor der portuguiesischen Kolonialzeit verbreitet hatten. Vor der Küste dieser islamisch dominierten Provinz Cabo Delgado lagern reiche Öl- und Gasvorkommen. Eine salafistische Bewegung entstand dort aber erst durch den Einfluss Saudi-Arabiens, wo viele junge Mosambikaner studierten und danach mit Geld und entsprechenden Ideen zurückkehrten.