Bodybuilding

Jörg Scheller mit Arnold Schwarzenegger. Bild: J. Scheller

Kontrolle über den Körper oder: Auf dem Weg zur Herrschaft

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Die Sorge um den perfekten, den durchgestählten Körper scheint für einen Laien der Hauptinhalt des Bodybuildings zu sein. Eine genauere Untersuchung ergibt, dass sich hinter dem Masseaufbau, der Herausbildung des Bizeps und der Stählung des Körpers mehr verbirgt, als die medial übertragenen Wettbewerbe auf den ersten Blick freigeben.

Jörg Scheller, seines Zeichens Kunstwissenschaftler, untersuchte das Bodybuilding nicht nur aus der Perspektive seiner Disziplin, sondern rückte auch Ex-Gouverneur und Hollywood-Schauspieler Arnold Schwarzenegger in den Fokus seines kulturtheoretischen Röntgenblicks. Schwarzenegger hat, wie manch andere Bodybuilder vor und nach ihm, das Training am Körper zu einem lebensphilosophischen Ansatz weiterentwickelt.

Die Anstrengung, die Vorgaben eines Bodybuilders, eines Körperideals, zu erfüllen, wird mit der Lebensbewältigung, mehr noch: mit dem Weg von ganz unten nach ganz oben parallelisiert. Die US-amerikanische Vorstellung des self-made man klingt hier deutlich an. Die Formung des eigenen Körpers ist nicht allein von der Ernährung, den Hanteln, (dem optionalen Gebrauch von) Anabolika und anderen Mitteln abhängig, sondern vom Bild des eigenen Körpers, mehr noch: vom Idol, dem man im täglichen Training nachzueifern versucht. Das Vorbild animiert zum Erreichen des Ziels. Und man kann diesen Körper, ist er einmal erreicht, nicht ablegen.

Das mit sich selbst identische Sein fasziniert, in erster Linie aber schreckt es ab. Über DJ Ötzi kann man sagen, seine Musik sei schlecht und ziemlich hirnlos, aber eigentlich sei das ein total netter Typ und nicht einmal dumm. Über einen aggressiven Hedge-Fonds-Manager kann man sagen, als Familienvater sei er total zärtlich. Über den Rapper Sido kann man sagen, zuhause lege er seine Maske ab und sei total harmlos. Der Bodybuilder aber kann seinen Körper nicht ablegen. Sein Werk bleibt mit ihm verbunden, wohin er auch geht. Marilyn Manson geht abends ins Badezimmer und schminkt sich ab. Der Bodybuilder wäscht sich das Öl von der Haut. Sein Körper aber bleibt. Demzufolge verwundert es nicht, dass wir dem Bodybuilder mit Misstrauen begegnen. Er ist sich einfach selbst zu nah, seinem Willen, seiner Sehnsucht, seiner Biomasse. Schein und Sein sind eins. Der Bodybuilder muss sich "am realen Körper ausdrücken".

Jörg Scheller

Mehr noch: der Bodybuilder löst sich aus den Beschränkungen des ihm biologisch und sozial zugeteilten Körpers. Werde ein Anderer!, wie es Scheller in seinem Buch philosophisch zuspitzt.

Letztlich konzentriert sich das Bodybuilding auf die Schönheit des Körpers und weniger auf körperliche Stärke. Letztere wird jedoch den Bodybuilding-Stars medial zugeschrieben. Dieses Image wird nicht erst in den Hollywoodfilmen der 1980er Jahre verbreitet:

Bereits die in den 1950er und 1960er Jahren mit den damaligen Spitzenbodybuildern Steve Reeves ("Mister Universum" 1950) und Reg Park ("Mister Universum" 1951, 1958 und 1965) als Hauptdarsteller in den USA produzierten "Herkules"-Filme hatten dem Phänomen Bodybuilding in der westlichen Welt ein gewisses Maß an gesellschaftlicher Aufmerksamkeit verschafft, seinen Status als Randsportart jedoch nicht zu ändern vermocht. Auch Schwarzeneggers erste Filme (1970: "Herkules in New York", 1976: "Stay Hungry") erschienen kaum geeignet, das distanzierte Verhältnis der breiten Öffentlichkeit zum Bodybuilding zu verändern.

Andreas Müller

Später jedoch sollte Arnold Schwarzenegger zum Moviestar aufsteigen, dadurch auch dem Bodybuilding mehr Anerkennung verschaffen. Eine ganze Schar von Hauptdarstellern in den Actionfilmen der 1980er Jahre und später: Sylvester Stallone, Jean-Claude van Damme, Dolph Lundgren, Lou Ferrigno, Ralf Möller u.a., sorgen zumindest für eine mediale Verbreitung von imposanten Männer(ober)körpern und Beinmuskulatur.

In den 1980ern erfuhr die mit dem Bodybuilding verbundene Geräteindustrie und die Fitnessstudios einen Boom. Bald teilte sich jedoch der Kraftsport in Fitness-Sport und Bodybuildung. Ersteres war dezenter im Auftreten, da die Muskelmassen das T-Shirt oder die Bluse nicht nach außen stülpten. Die herkulischen Ausmaße eines Bodybuilders lassen sich kaum verbergen. Sein Körper steht in der Öffentlichkeit - der Kraftsportler arbeitet einen Wochenplan an Ernährung und Training ab, um schließlich die Idealmasse zu erlangen.

Wie bereits erwähnt, ist ohne ein mentales Vorbild, eine geistige Idee vom zu erreichenden Körperbau, ein Erfolg schwerer. Jörg Scheller geht in seinem Buch sogar so weit, von einer Ästhetik - also: einer dezidiert philosophischen Vorstellung von Schönheit - im Bodybuilding auszugehen. Zugleich räumt er aber ein, dass ein Bodybuilder ganz sicher kein Philosoph ist (sein muss). Fakt bleibt, dass der Bodybuilder ein besonders herausgestelltes Bild vom menschlichen Körper durch konstantes Training schafft. Es stellt sich die Frage, welche Auswirkungen solche Praxis auf die Theorie hat und wie sich der Bodybuilder gegenüber der Gesellschaft positioniert.

Aus der Masse an Bodybuildern stechen für gewöhnlich einige wenige hervor, die es schaffen, über die Subkultur hinaus bekannt zu werden. Eines der bekanntesten Beispiele dürfte Arnold Schwarzenegger sein. Einen großen Teil am Erfolg hatten die Brüder Ben und Joe Weider, die ein Imperium aus Studios, Nahrungsergänzungsmitteln, Trainingsprogrammen und einer eigenen Philosophie aufbauten. Scheller führt in seiner Dissertation zu Schwarzenegger aus:

Die wie besessen arbeitenden Weider-Brüder waren einfach überall, wo Muskeln schwellten. Die Taktik der Umzingelung ihrer Konsumenten durch Angebotsmaximierung und -diversifizierung beherrschten sie perfekt. Ausschlaggebend für den Erfolg war aber auch, dass Joe in seinen Artikeln nicht nur um die Gunst der Käufer warb, sondern auch versuchte, sie in ein quasi-religiöses Sinnsystem einzubinden. Bodybuilding war für ihn immer mehr als nur eine Möglichkeit, Aussehen und Gesundheit zu perfektionieren. Bodybuilding ist eine Diesseitsreligion, eine Chance zur Neugeburt, Sinn in reinster Form.

Jörg Scheller

Jedoch erlangt niemand ohne eigenes Engagement und die richtige "Technologie" die beeindruckende Muskelmasse. Der Glauben an den Erfolg allein hilft nicht.

Technologien auf dem Weg zum Herrscher des eigenen Körpers

Die Analogien zum Bildhauer sind im Bodybuilding-Diskurs selbst anzutreffen. So spricht Bodybuilding-Guru Joe Weider von einem Imaginationstraining, bei dem "both the trainer and the trainee must first see a body that doesn"t exist. Then they must take the medium in which they work [...] and chisel and shape to create a physique that"s both massive and fine."1 Sein bekanntester Schüler, Arnold Schwarzenegger, imaginiert ebenfalls sein Idol, den Bodybuilder Reg Park, um dessen Körper zu erreichen, letztlich in den (vorgestellten) Körper eines Anderen zu schlüpfen.

Klingt diese Imaginationsübung nicht stark nach kybernetischen Vorstellungen eines Schutzanzugs, den man sich über den alten Körper wie ein zweites Fell überstreift? Möglich, dass ein metallener Schuppenpanzer - wie er in dem Anime Ghost In The Shell (Japan 1995) oder eben in den Terminator-Filmen nach Verwandlung der nur "maskierten" Cyborgs gezeigt wird - wenig dem Realbild eines irdischen Bodybuilders entspricht. Arnold Schwarzeneggers Körper wird im Film Terminator (USA 1984) als verdächtig menschlich gezeigt, wenn auch die Muskeln bereits auf etwas Extraterrestrisches, Außerhalb-der-Welt-Stehendes hinweisen. In Sekundenschnelle wandelt sich der Mensch in das Cyborg-Modell T-800 um.

Ist ein Bodybuilder in der öffentlichen Wahrnehmung nicht schon ein halber Cyborg, ein Mischwesen aus menschlicher Muskelmasse und anabolen Steroiden? Nicht allein als sich selbstbildendes Kunstwerk, wie Jörg Scheller in seiner kunsthistorischen Aufarbeitung den Bodybuilder versteht, sondern auch als ein kybernetisches Konstrukt der Biomasse und Biopolitik projiziert sich der Kraftsportler in die nahe Zukunft.

Die körperverändernde Kraft des Bodybuildings erhält eine geschlechtsändernde Dimension, wenn Anabolika zum Training eingenommen wird. Die Eiweißpräparate können zum Beispiel bei Frauen zu "Vermännlichungserscheinungen" führen, "das heißt zur Vertiefung der Stimme, Fetten der Haut, Akne, Klitorishypertrophie, Verkleinerung der Brüste, Steigerung der Libido, Vermännlichung der Bart- und Schambehaarung bis hin zur Glatzenbildung".2

Das biologische Geschlecht wird umgewandelt in eine formbare Masse. Keinesfalls geschlechtsneutral, aber die Grenzen deutlich aufhebend. Wenn man die Brust noch einige Zentimeter aufarbeitet, mag der Mann zu Frau und umgekehrt die Frau zum Mann werden.

Zwei Foto-Beispiele beweisen das klar: die Bodybuilderin Iris Kyle legt vor allem auf Fettfreiheit Wert. Ihre weiblichen Brüste sind in Bodybuilder-Brüste übergegangen. Das Gesicht ist noch alleiniges Restindiz ihres weiblichen Geschlechts. Gender-Bending durch Bankdrücken und wörtlich verstandenes Bending, und zwar Biegen der Muskeln zur Statue. Doch die Parallele zur Marmorstatue oder antiken Vorbildern der Antike hinkt, denn diese Arbeiten der Bildhauer weisen zumeist eindeutige Geschlechtsmerkmale auf. Nicht so die Bodybuilder, die an einem dritten Geschlecht, möglicherweise einem Hybrid aus Muskelmasse, arbeiten. Anders ausgedrückt: Ein männlicher Bodybuilder übertreibt durch die Arbeit an seinen Muskeln das Potenzial, das in ihm liegt.

Auf Schwarzenegger-Fotos der frühen 1980er zeigt er große Brüste, eine Wespentaille und rasierte Beine. Das gilt nicht unbedingt als männliches Schönheitsideal jenseits der Kraftstudios und Wettbewerbe. Doch gerade Schwarzenegger ist als Hollywood-Schauspieler für verschiedene Rollen wandelbar. Vorwiegend kommen Bodybuilder oder Kraft- bzw. Kampfsportler jedoch in Action- oder Science-Fiction-Filmen unter. Die Belastbarkeit bis an die Schmerzgrenze, das Zähnezusammenbeißen, aber auch die Souveränität als schlagfertiger Held im Film wird durch das äußere Erscheinungsbild suggeriert.

Man könnte den Körper des Bodybuilders als eine Maske bezeichnen, denn er imitiert jene, die bereits ihre alte schlaffe Körperhaut abgestreift haben. Und nicht nur die Haut wird zu einer Statue modelliert. Die Muskeln und damit auch die Anatomie werden in den Dienst des vorgestellten Idealkörpers gestellt. Die Verlockung des Außenstehenden ist groß, das Bodybuilding als Ausdruck eines Mangels wahrzunehmen: aus einem Minderwertigkeitskomplex heraus die Muskelmasse, die noch zur Reingestalt vor dem Spiegel im Fitnessstudio fehlt, zu erarbeiten (so schreibt etwa Bodo Kirchhoff in einem Essay aus dem Jahr 1978).

Es ist durchaus möglich, den Bodybuilder von der anderen Seite - also: vom Ideal - zu denken. Er formt seinen Körper jenseits von sozial akzeptierten Körperidealen. Die neueste Schlankheitskur interessiert ihn genauso wenig wie die Gepflogenheiten der (Intim-)Rasur. Dafür kennt er jeden einzelnen Muskel - vom Deltamuskel bis zum Zwillingswadenmuskel. Oder anders ausgedrückt: Er hält sich an sein tägliches Trainingsprogramm. Selbstverständlich gibt es so viele Anleitungen bzw. Handbücher, wie es erfolgreiche Bodybuilder gibt. Ralf Möller, besser bekannt als Schauspieler in B-Action-Movies, schreibt in seinem Muskeltrainingsbuch aus dem Jahr 1987:

Ich möchte es einmal ganz einfach ausdrücken: Bodybuilding heißt, Bildhauer am eigenen Körper zu sein. Natürlich darf man über die Beschäftigung mit dem Körper nicht vergessen, daß man auch einen Kopf besitzt. Ich möchte behaupten, daß es nicht gerade für besondere Intelligenz spricht, wenn manche Menschen in einem Bodybuilder automatisch einen Schwachkopf sehen. Andere Sportler sind merkwürdigerweise nicht von diesem Vorurteil betroffen.

Ralf Möller

So ist wohl auch zu verstehen, warum ein Kapitel gänzlich den Parallelen zwischen griechischer antiker Bildhauerei und dem Bodybuilding gewidmet ist. Der Rückgriff auf die Antike mag als Versuch gewertet werden, das Bodybuilding, das einen schlechten subkulturellen Ruf genoss, aus dieser Verbannung durch den Anschluss an die Hochkultur herauszuholen.

Betrachtet man die Posing-Fotos, so mag die Verbindung zur Bildhauerei durch die Herausbildung der Muskeln und die Zurschaustellung des (beinah) nackten männlichen Körpers ins Auge treten, doch taucht auf S. 213 in No Sports!. Zur Ästhetik des Bodybuildings ein Foto vom Mr. Olympia-Wettwerb 2009 auf, das die Verbindungen zum Cyborg-Gedanken näher legen als eine museale steingewordene Umsetzung griechischen Körperideals. Dies erinnert an manche Forderungen des Cyborg-Manifesto der feministischen Autorin Donna Haraway: die Geschlechtergrenzen werden im Posthumanismus aufgelöst - der Körper wird zur technologischen Maschine, die kein biologisches Geschlecht mehr kennt.

Die Herrschaft über den eigenen Körper kreiert einen Mann oder eine Frau, die aus der Masse an Körpern herausstechen. Und doch besitzen die so präsentierten und "zugespitzten" Muskeln keine eigentliche Funktionalität im Sinne der Anatomie. Sonst könnten Nicht-Bodybuilder kaum Getränkekisten schleppen, auf der Baustelle arbeiten oder einen fallengelassenen Schlüssel vom Boden aufheben. Auch der Freizeitsport wäre unmöglich.

Ähnlich wie Scheller in seiner Dissertation wäre ein Vergleich der Bodybuilder mit Cyborgs ein Vergleich auf der visuellen Ebene. Besagtes Foto zeigt Titanen oder sarkastisch formuliert: die Spielfiguren aus dem Masters-of-the-Universe-Kosmos sind ins reale Leben, in menschliches Fleisch gestiegen. Solche geölten gebräunten gestählten Männerkörper (in Rückenansicht) könnten auch in einer Comicbuch-Verfilmung von Superhelden auftauchen. Allein, es handelt sich hierbei nicht um CGI-Effekte, sondern um das Resultat jahrelangen harten Trainings auf der Muskelbank.

Die Verwendung von Bodybuilding-Körpern im Film drückt nicht allein mögliche Idealvorstellungen eines männlichen Körperbaus in den jeweiligen Gesellschaften aus. Der äußere Schein eines muskulösen Körpers vermittelt dem Zuschauer ein Bild des tatkräftigen und schlagfertigen "starken Mannes", wenn auch die Muskeln nicht unbedingt für große Kraft stehen müssen. Actionfilmschauspieler wie Sylvester Stallone und Bruce Willis bringen diese Oberflächenkosmetik zum Krafttraining, aber keinesfalls zum Bodybuilding. Der äußere Schein bestimmt nicht wenig die Verwendung von Bodybuildern in großen Filmproduktionen. Letztlich übernehmen meist Stuntmen die wirklich brenzligen Situationen.

Auf eine Formel gebracht, könnte dies so begründet werden:

Sport = Vergleich der Qualität der Funktionen des Körpers in einer Wettkampfsituation.

Bodybuilding = Vergleich der Qualität der Formen des Körpers in einer Wettkampfsituation.

Jörg Scheller

Die Muskeln sind unter der Haut, werden täglich aktiviert, ohne sie könnten Menschen sich nicht bewegen, auch nicht Gewichte von Ort A nach B transportieren. Bodybuilder verstärken diese subkutane Muskelkraft und stülpen sie nach oben - vor allem, so die These, als kinetische Maschinen.

Dies unterscheidet sich von einer griechischen Skulptur insofern die Bodybuilder beweglich sind. Das Zurschaustellen der entwickelten Muskeln erinnert an die Bildhauerkunst. Ein neuer Gedanke wäre, dass das Bodybuilding vor allem zur Selbstbewusstwerdung des Körpers als Machtinstrument dient. Erscheint ein Bodybuilder im örtlichen Supermarkt, nehmen die meisten Menschen einen Sicherheitsabstand ein. Sicher erscheint er nicht im Lendenschurz, doch besonders im Sommer verdeckt ein T-Shirt oder Hemd die schwellenden Muskeln kaum.

Jenseits dieser alltäglichen Machterfahrung bietet sich der Body des Kraftsports geradezu an, über ihn eine Machtausübung, mehr noch: eine Machtperformanz herzustellen. Einen solchen Body in die öffentliche, d.h. politische Wahrnehmung zu transportieren, ist nicht selbstverständlich und könnte im Wahlkampf auch ein stichhaltiges Argument gegen den so präsentierten Kandidaten sein.

Die Wahl Schwarzeneggers zum Gouverneur von Kalifornien im Jahr 2003 kann als eindrückliches Beispiel für personalisierte Politik und für die Persistenz des politischen Körpers als eines außergewöhnlichen Körpers gedeutet werden. Dass ein Medienstar und ehemaliger Bodybuilder nicht trotz, sondern aufgrund seiner Vergangenheit zu den Top-Politikern aufsteigt, ist auch in Kalifornien nicht selbstverständlich. Bierling meint, Schwarzenegger sei der bislang ungewöhnlichste aller chronisch ungewöhnlichen kalifornischen Gouverneurskandidaten gewesen. Seinen Erfolg habe er nicht zuletzt dem Umstand verdankt, "allein physisch Führungsstärke und Tatkraft" auszustrahlen. Das Adverb "allein" ist hier ausschlaggebend. Physisch aufgeladene Vorstellungen von Stärke, Tat und Kraft sind nicht zwingend an eine Ideologie oder an ein politisches Konzept gekoppelt, vielmehr erscheinen sie als Werte an sich. Anders ausgedrückt: Es sind die Werte des self-made man und damit die semantisch so variablen und widersprüchlichen Werte Kaliforniens.

Jörg Scheller

Kalifornien, in dem stets ein Frontier-Geist anzutreffen war - das Showbusiness von Hollywood und Silicon Valley, der Schritt ins post- und transhumane Zeitalter und damit auch in die Postdemokratie. Schwarzeneggers Bodybuilding-Körper verbürgt nach wie vor seinen Aufstieg von Austria nach America. Er hatte mit einigen anderen Athleten das Bodybuilding in den Mainstream katapultiert. Letztlich bleibt das Bodybuilding aber in einer abgesteckten Welt. Nur eingeweihte Kraftsportler verfolgen die neuen Weltmeister, Mister Olympia und die breite Produktpalette.

Eine der wenigen Ausnahmen bildet der eben erwähnte Schwarzenegger, denn er vermarktete seine Ausgangsposition im Bodybuilding perfekt und war stets mehr als bloße Fleischmasse. Scheller bestätigt das:

Erreicht hat Schwarzenegger, nüchtern betrachtet, alles, was er sich vorgenommen hat. Er wurde der erfolgreichste Bodybuilder seiner Zeit, er wurde der bestbezahlte Schauspieler seiner Zeit, er wurde zweimal zum Gouverneur von Kalifornien gewählt. Punktuell ist er sicherlich hin und wieder gescheitert, doch im Großen und Ganzen nicht. Erst in den letzten Jahren ist seine Karriere ins Trudeln geraten, denn er bewegte sich zum ersten Mal nicht vorwärts, wie es sonst seine Art war, sondern zurück - zurück ins Filmgeschäft. Das hat bislang eher schlecht als recht funktioniert, widerspricht es doch dem Mythos Schwarzenegger auf fundamentale Weise: Wiederholungen sind nur im Training erlaubt.

Jörg Scheller

Hat der Körper die Topform erreicht, muss er immer wieder neu "optimiert" werden, sonst verfällt diese kinetische Struktur. Wie eine Maschine muss der so gestaltete Menschenkörper geölt werden, nicht nur in buchstäblichem Sinne. Die konzentrierte Arbeit am eigenen Körper erweitert auch das Selbstbewusstsein, bis hin zur Selbstüberschätzung. Eine Folge dieser Überschätzung sind die immer wieder auftretenden Tode durch Anabolika-Konsum zur Profilierung der eigenen Körpermasse.

Vor einem Spiegel stehend, nur die Genitalien verhüllt, die abgedrängt bleiben, macht der BODY-BUILDER seine Posen, - auf der Suche nach dem SIGNIFIKANTEN; in dem Glauben an seine VERKÖRPERUNG.

Bodo Kirchhoff

Die Herrschaft über den eigenen Körper dauert so lange an, wie das Heim- oder Fitnessstudio aufgesucht wird. Im Falle eines Eugen Sandows, Arnold Schwarzeneggers und Frank Zanes bleibt die Arbeit am Fleisch nicht auf das Privatleben beschränkt - es wird zum Fokus eines medialen Interesses.

Gegen den Cyborg-Vergleich sprechen eindeutig die fehlenden Prothesen im Bodybuilding-Körper - der Vergleich wäre nur unter der Prämisse der Beweglichkeit aufrecht zu erhalten. Bodybuilder arbeiten ja gerade keinen Schutzpanzer aus, wie es bei Cyborgs aus den Terminator- oder Ghost in the Shell-Filmen geschieht. Sie dringen wohl unter die Haut vor - jedoch um das Potenzial der menschlichen Anatomie nach außen zu stülpen. Bodybuilder trainieren jedoch nicht ausschließlich für die Wettbewerbe - nicht alle nehmen an diesen Teil, so dass ihre ausgebildeten Körper nicht allein zum Posing eignen. Der Vergleich mit den (statischen) Statuen hinkt dahingehend ein wenig, da das Bodybuilding eben auch die Bewegung inkludiert (und sei es das Stemmen der Gewichte im Fitnessstudio).

Die Bodybuilder inszenieren den Triumph der selbstbezüglichen Ästhetik der Biomasse, die sie so selbstverständlich übersteigern und megalomanisieren, dass alles um sie herum zu verblassen scheint. Sie inkorporieren den Siegeszug der individualisierten Biopolitik in postmetaphysischen Zeiten, indem sie sich quasi in Vollzeitbeschäftigung der Pflege, des Designs und der Vermarktung ihrer eigenen Körper widmen. Alle historischen Aufgaben scheinen hinter ihnen zu liegen. Sie streiten nicht für Gott oder für die Aufklärung; sie streiten gegen Körperfett und für die Definition des biceps brachii; sie streiten nicht gegen metaphysische Mucken, sondern gegen die Mucken ihres Metabolismus.

Jörg Scheller

Dieser Kampf gegen die Tücken des eigenen Körpers muss dokumentiert werden. Kirchhoff nennt die Kamera, die jeden Fortschritt dokumentiert. Vor allem bei entsprechendem Erfolg zirkulieren Poster und Fotografien der Meister in den Kraftstudios. Doch in den Mainstream-Medien erlebte die Bodybuilding-Subkultur nur kurze Zeit Erwähnung:

In den 70er und 80er Jahren war das Bodybuilding populärer und akzeptierter als heute, zunächst durch Filme wie Pumping Iron (1977), dann durch das Action-Kino in der Reagan-Thatcher-Ära. Heute hingegen ist Fitness und Functional Training angesagt, Bodybuilding ist wieder eine Subkultur, es gilt als zu radikal, als zu manisch. Die künstlerische Ära des Bodybuildings ist vorüber, seine pathologische ist angebrochen. Wie so viele andere Phänomene wird Bodybuilding aufgrund seiner Exzentrik als psychosomatische Anomalie eingestuft.

Jörg Scheller

Der gesellschaftliche Konsens vom gesunden Mittelmaß verunmöglicht einen anhaltenden Siegeszug des Bodybuildings. Vielmehr lässt sich die Arbeit am Muskelbestand des eigenen Körpers vorwiegend als Privatvergnügen verstehen. Es sei an dieser Stelle nochmals daran erinnert, dass die Muskeln keinesfalls in erster Linie zur Stärkung der Körperkraft in diese exzessive Form gebracht werden, sondern aus einem Schönheitsideal, das bislang zumindest nicht massenkompatibel zu sein scheint.

Sind sie also die Renegaten des Freizeitsports? Die Körpermaschinen inmitten des Menschenparks, die an ihrer eigenen Zukunft basteln, indem sie Woche für Woche die Gewichte stemmen und auf ihre Ernährung achten? Oder doch Cyborgs, die auf Extensionen verzichten, dafür aber den Muskelapparat des Menschen als Schutzschild gegen die schlaffe und lethargische (spätkapitalistische) Außenwelt aufbauen und speisen?

Etwas von allem. Und doch: sobald sich der Body das erste Mal in der Öffentlichkeit präsentiert, stellt er sich in Opposition zum Durchschnitt. Die Biologie entscheidet über Größe, Haarbewuchs, Farbe der Augen und Form der Nase. Abgesehen von der Körpergröße eröffnet die plastische Chirurgie eine ganze Palette an Veränderungen - das Bodybuilding erreicht diese körperliche Transformation ganz ohne Skalpell und Blutverlust (Ausnahmen bestätigen sicher die Regel).

Bei der Lektüre der Erfahrungsberichte fällt ein nicht verheimlichter Stolz auf, "ES" (in der Kirchhoffschen Schreibweise) geschafft zu haben. Das "ES" - das Vorbild (Foto, Plakat) des bereits veränderten Körpers, die bildgewordene Zielgerade, auf der sich der Körpermaurer bewegt. Jörg Scheller nennt den Begriff "Fleischmaurer", der die Parallelen zwischen Bodybuilding und Freimaurerei zur Sprache bringt. Nicht nur der Wille zur selbsterwirkten Veränderung ist damit angesprochen - zudem erkennt Scheller in den Begleittexten zur Verbandspolitik, aber auch zum Konzept des Bodybuildings ein humanistisches Ideal, das dem der Freimaurerei durchaus ähnelt.

Während die Freimaurer an die menschliche Vernunft als einende Kraft appellieren, geht die IFBB vom Körper als Medium der Einigung aus. Sie erklimmt gewissermaßen eine weitere Säkularisationsstufe. Man könnte sagen: Die Freimaurer streben das Weltbürgertum an. Die IFBB hingegen propagiert das Weltkörpertum. Statt "alle Menschen werden Brüder" (Friedrich Schiller) gilt hier: Alle Körper werden Brüder. In gewissem Sinne ist dies sogar einleuchtender - und verführerisch einfach. Das, was alle Menschen verbindet, was alle ganz faktisch teilen, ist der formbare Körper, das materielle Substrat als Potentialität. Für Ben Weider ist der Körper eine Art postmetaphysische Letztbegründung: "A body is a body is a body. It has muscles, it has blood, it has bones, it can be built."

Jörg Scheller

Im Wettkampf und bei der Auseinandersetzung um die ästhetische Macht zu definieren, was dem Richterblick standhält und was durchfällt, ist sich jeder Bodybuilder selbst der Nächste. Bodo Kirchhoff geht vom Mangel aus. Den inneren Schweinehund zu überlisten, ist ein wiederholt auftauchendes Motto in den Büchern Schwarzeneggers, Möllers oder der Brüder Weider. Es gilt, aus sich etwas zu machen. Jedoch darf man nicht übersehen, dass Bodybuilding eben, wie der Name impliziert, vor allem auf den Körper konzentriert ist und aus diesem etwas (Vorzeigbares) oder - wie Kirchhoff es formuliert: ES gemacht werden soll. Das "ES" nimmt allmählich, bei entsprechender Disziplin, Konturen an. Wer das "ES" ausformen kann, beherrscht den Körper und spricht seine Sprache. In Ralf Möllers Trainingsbuch werden die Kriterien für einen Erfolg auf der Wettbewerbsbühne genannt:

Bei jeder Pose sollen sämtliche Muskelgruppen angespannt sein, und die einzelnen Posen müssen exakt den Vorgaben des Verbandes - in Form von Fotografien - entsprechen. Bei der Bewertung gibt es die unterschiedlichsten Kriterien, zum Beispiel Muskelmasse, Muskelteilung, Proportion, Muskulosität, Definition, aber auch Exaktheit bei der Ausführung und die Ausstrahlung des Athleten sind für die Kampfrichter von Bedeutung.

Ralf Möller

Der Weg dorthin fordert Askese und Verzicht auf den inneren Schweinehund. Kaum vorstellbar jedoch, dass Bodybuilder auf die ästhetische Präsentation ihrer durch hartes Training errungenen Körper verzichten. Diesen Körper jedoch als eine Garantie für medialen Erfolg einzusetzen, fordert noch einiges mehr als Hanteln. Der Wille, den Superlativ nicht allein am eigenen Körper zu erreichen, sondern auch im Filmgeschäft, im Privatleben, schließlich in der Politik, bewegt jedoch nicht jeden Bodybuilder.

Die wenigsten Bodybuilder sind derart komplexe Persönlichkeiten wie Schwarzenegger oder Ben Weider, der neben seiner Funktion als Präsident der International Federation of Bodybuilding and Fitness unter anderem Napoleon-Forscher war. Aktuell kommt mir unter den Top-Bodybuildern nur Kai Greene in den Sinn. Zur erfolgreichen Formung beziehungsweise Transformation des Körpers ist ein geringes Selbstwertgefühl eigentlich die bessere Ausgangsposition - ähnlich wie bei einem Musiker. Hat dieser bereits eine hohe Meinung von sich und von seinem Spiel, so wird er kaum auf die Idee kommen, beständig an sich zu arbeiten und sich zu perfektionieren.

Jörg Scheller im Interview

Muskelspiel fürs Eigenblutdoping

Diedrich Diederichsen schrieb zum Eigenblutdoping ein gleichnamiges Buch, in dem er die aus dem Radsport bekannte Methode auf die Beobachtung des Kulturbetriebs anwendet. Eigenblutdoping lässt sich auf die wenigen Medienstars des Bodybuildings gut anwenden, liest man Diederichsens Antwort in einem Interview für die Kulturzeitschrift Kultur & Gespenster (2010):

Heute ist das Selbst selbst das Produkt, das du herstellst und vorstellst. Da, wo das verschärft so ist (Kunst, performative Berufe etc.), musst du deine Selbsthaltigkeit aber unentwegt steigern, dir unentwegt Selbstteile injizieren, die dich attraktiver und intensiver machen. Selbst ist aber zugleich auch immer noch Ressource. Ressource als Produkt und als notwendige Ressource neuer Produkte: das ist Selbst-Doping.

Diedrich Diederichsen

Auf Arnold Schwarzenegger und Ralf Möller passt diese Beschreibung ganz sicher - vom eigenen Selbst begeistert sein und es immer wieder in die Waagschale werfen. Scheller analysiert die Filme von Schwarzenegger als Filme nicht mit, sondern über den Österreicher. Er stelle sich stets selbst dar. In mindestens einer Szene seiner Filme zeigt Arnold den Bizeps als Qualitätssiegel seiner Person.

Was heißt das nun aber für die Analyse des Bodybuildings als Fitnessmethode? Nicht allein medikamentöses Doping - vielmehr das "Selbst-Doping" führt zu vorzeigbaren Ergebnissen der Körperkunst. Konsequent müsste das Bodybuilding seine Bemühungen, in den olympischen Kanon aufgenommen zu werden, also als Sportart anerkannt zu werden, beenden - stattdessen wäre eine Überlegung, sich dem Kunstbetrieb anzuschließen.

Eigenblutdoping wäre ein legales Aufputschmittel für die Bodybuilding-Szene, sich neue Segmente der Kultur zu erschließen. Wer weiß? Vielleicht tauchen in naher Zukunft statt den blauen Pillen in den Umkleideräumen der Kraftstudios abgegriffene Exemplare von Diederichsens Buch Eigenblutdoping. Selbstverwertung, Künstlerromantik, Partizipation3 auf? Zumindest die Intellektuellenfeindlichkeit Schwarzeneggers stünde dagegen.

Aber wer sagt denn, dass Bodybuilding nur im Kraftraum geschehen kann? Scheller weist darauf hin, dass an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe im Wintersemester 2009/2010 ein Seminar mit dem Titel "Six-Pack: Männerbauchdesign" angeboten wurde. Aufgabe für die Studierende war es, vier Monate lang ihre Körper "mit diätetischen, asketischen und athletischen Mitteln"4 zu bearbeiten. Dozent Ludger Pfanz vertritt einen erweiterten Designbegriff. Bodybuilding als somatisches Design, als Realisation eines Männerideals, des Waschbrettbauchs (Frauen waren übrigens zum Seminar auch zugelassen). Zu Abschluss des Seminars wurden die Fortschritte auf Fotos festgehalten und in der Universität ausgestellt. Ein Schritt in Richtung mediale Selbstvermarktung.

Diederichsen versteht unter Eigenblutdoping jedoch auch das (krampfhafte) Ringen um Authentizität im heutigen Kunstbetrieb: Was ist wirklicher als sich selbst als Selbst überselbst zu präsentieren? Das heißt: die Kunstwerke als Emanation des Selbst verstehen und berauscht vom Narzissmus, sich mit sich selbst vollknallen. Dieses Selbstbewusstsein strahlt nach außen ab und suggeriert Charisma der Person, das sich dann auf die Kunstwerke ebendieser Person überträgt. Dann ist der neueste Schwarzenegger-Film eben der Schwarzenegger. Der Name allein bürgt für Erfolg. Ähnlich wie man für einen Richter eben die Unsummen bezahlt, weil es ein Richter des Richter ist - ein Exemplar aus den Händen des hochgehandelten Künstlers.

Bezogen auf das Bodybuilding injiziert der Muskelästhet nicht Anabolika oder Steroide, sondern sein Selbst im Trainingsprogramm des perfekten Grips. Auch wenn die Fortschritte in das eigene Protokoll notiert werden, so interessiert die angestrebte Kontrolle über die äußere Form in Bezug auf eine kulturelle Tendenz: die Option einer posthumanen Entwicklung. Was jedoch ist posthuman bei Bodybuildern aus den USA, die im Film Pumping Iron aus dem Jahr 1977 gezeigt werden? Sie wirken eher hedonistisch und zugleich diszipliniert, wenn das somatische Ziel zur Sprache kommt. Posthuman wäre die Kälte, mit der sie Emotionen abtöten müssen, um die maschinelle Askese durchhalten zu können.

Schwarzenegger äußert sich in seiner Autobiographie Karriere eines Bodybuilders (1977) an mehreren Stellen, wie er sich diszipliniert. Sein Privatleben muss zunächst hinter der Anthropoplastik zurückstehen. Zu viel Emotion lenkt nur vom eigentlichen Ziel ab: der Programmierung des eigenen Körpers.

Letzten Endes verfolgt ein Großteil der Bodybuilder, so ist zu vermuten, einen hedonistischen, mitunter gesundheitlichen Weg der Körperexpansion. Die Arbeit am eigenen Körper dient dem eigenen ästhetischen Empfinden. Die Kontrolle über andere Körper ergibt sich erst, wenn der Bodybuilder den somatischen Ehrgeiz auf andere Ziele auslagert, die das Krafttraining übersteigen. Dann strahlt der Körper des Bodybuilders eben nicht allein eine Übersteigerung der menschlichen Anatomie aus. Zum trainierten Körper gesellt sich der gesellschaftliche - Scheller analysiert dies in Bezug auf den "Herrscher" Schwarzenegger während seiner Amtszeit als Gouverneur von Kalifornien. Er besitze den unvergänglichen Königskörper durch die Vervielfältigung des Bodybuilding-Körpers:

Der zweite Körper Schwarzeneggers indes kann niemals verfallen. Es ist der junge, anti-ruinöse Star-Körper, der sich in tausenden von Bildern hat verewigen lassen. Diese Bilder, über die ganze Welt verteilt auf Festplatten, Postern, Autogrammkarten, DVDs oder Zeitschriften, bilden ein eigenständiges Reich. Sie führen ein metaphysisches Eigenleben. Es sind die schon zu Lebzeiten angefertigten und zu Lebzeiten eingesetzten effigies.

Jörg Scheller

Das Vor-Bild wurde zum Körper, dieses wiederum zum Bild, vervielfältigt und dadurch erneut zum Vorbild für nachfolgende Fleischformer. Ein Kreis schließt sich. Ohne die Imagination ist ein solcher Körper nicht zu erreichen. So gesehen ist das Bodybuilding letztlich eine Bildtechnologie, eine visuelle Kulturtechnik zur Ausformung des Über-Körpers. Dieser wiederum verschafft dem Nutzer dieser Technologie Macht über sich, den Körper und - sofern er medial vernetzt ist - das nötige Charisma, um gesellschaftlich Eindruck zu hinterlassen. Die Ausstrahlung lässt sich mitunter auf die bloße physische Präsenz rückführen. Ganz einfach gesagt: An einer Person des öffentlichen Lebens mit breiten Bodybuilder-Schultern kann man nicht einfach vorbeischauen - so gern man das auch täte. Sie steht im Raum und imponiert vor jedem geäußerten Wort bereits durch ihre somatische Appearance.

Es liegt auf der Hand, dass nicht allein die sportliche Betätigung zu dieser herausragenden Position führt, sondern Ehrgeiz, den eigenen Körper in alle Teile der Welt zu tragen. Moderne Kommunikationsmittel erleichtern dies zu einem beträchtlichen Grad. Möller und Schwarzenegger sind die besten Beispiele hierfür.

Ein Interview mit Jörg Scheller zu Arnold Schwarzeneggers Weg aus dem Bodybuilding in die US-Politik folgt.

Literatur

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