Boeing steigt bei Antonow ein
Die Amerikaner wollen Teile liefern, die den Ukrainern nach dem Ende der Zusammenarbeit mit den Russen fehlen
Aviall, ein Tochterunternehmen des US-Flugzeugherstellers Boeing, hat angekündigt, in größerem Maßstab in den ukrainischen Flugzeughersteller Antonow zu investieren, damit dieser wieder An-178-Transportjets und An-148- beziehungsweise An-158-Regionalflugzeuge produziert. Unter anderem will die Boeing-Tochter Komponenten liefern, die Antonow bis vor drei Jahren aus Russland bezog. Als Gegenleistung für die Investition sollen die Ukrainer Aviall Wartungsverträge überlassen.
Die nach dem russischen Flugzeugkonstrukteur Oleg Antonow benannte Firma entstand 1946 im russischen Nowosibirsk und zog 1952 nach Kiew um. Die dort gebauten schweren Transportflugzeuge wurden während des Kalten Krieges zu einer Marke, die man auch im Westen kannte. Wegen des Zerwürfnisses zwischen Russland und der Ukraine und des durch die Regierung in Kiew verhängten Verbots einer technischen Zusammenarbeit löste die Firma Antonow 2015 das ukrainisch-russische Gemeinschaftsunternehmen UAC auf.
Praktischer Produktionsstillstand
Danach kam die Produktion in diesem Unternehmen, das vorher über 60 Prozent seiner Zulieferteile aus Russland bezog, praktisch zum Stillstand. Daran änderte sich auch nichts Wesentliches, als es 2017 vom staatlichen ukrainischen Rüstungskonzern Ukroboronprom übernommen wurde. Nach der Boeing-Einstiegsankündigung hofft nun neben dem Antonow-Chef Juri Kissilew auch der ukrainische Staatspräsident Petro Poroschenko auf eine Wende: 2018 will man zwei oder drei Flugzeuge produzieren, 2019 dann acht.
Markt für Transporter An-124
Aber nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Russland sollen zukünftig wieder Flugzeuge mit Know-How aus dem Erbe Antonows hergestellt werden - Nachfolger des in den 1970er Jahren entwickelten Transporters An-124 Ruslan. Dank ihrer 120 Tonnen Nutzlast gibt es für die robuste Maschine auch heute noch einen Markt: Alleine Volga-Dnepr Airlines würde bis zu 100 Exemplare des Flugzeugs kaufen, das auch Airbus, Boeing und sogar die NATO zum Transport schwerer Teile nutzen.
Antonow-Flugzeuge (12 Bilder)
Um Markenstreitigkeiten aus dem Weg zu gehen, soll die Maschine dem russischen Luftfahrtkommissar Juri Sytnik nach nicht nur neue Triebwerke, ein neues Fahrwerk und eine neue Avionik bekommen, sondern auch einen anderen Namen. Für dieses Produktionsvorhaben warb Dmitri Rogosin, der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident und jetzige Leiter der russischen Raumfahrtorganisation Roskosmos, auch um Fachkräfte aus der Ukraine. Die, so Rogosin, hätten in ihrer Heimat "keine Perspektiven", könnten aber in Russland dazu beitragen, dass die alte Produktphilosophie nicht ausstirbt.
"Nicht möglich" oder "lösbare Aufgabe"?
In der Antonow-Führung steht man dagegen auf dem Standpunkt, dass den Russen nicht nur "wichtige Testdaten", sondern auch andere "Informationen zu Konstruktions- und Flugeigenschaften der An-124" fehlen, weshalb "eine Herstellung der Flugzeuge der An-124-Familie unter Ausschluss des Staatsbetriebs Antonow […] nicht möglich" sei. Alexej Rogosin, der ehemalige Chef des aufgelösten Gemeinschaftsunternehmens, sieht das anders. Er spricht von einer "äußerst schwierigen, aber lösbaren Aufgabe" und weist darauf hin, dass zu Sowjetzeiten ein großer Teil der An-124 in der Wolgastadt Uljanowsk gefertigt wurde.
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