Brandenburg: CDU will nach nächster Wahl auch mit Linkspartei und AfD reden
Sachsenwahl könnte für die Christdemokraten "alternativlos" enden
Der brandenburgische CDU-Chef Ingo Senftleben schließt Gespräche mit der AfD nach der Landtagswahl 2019 nicht aus. Der Tageszeitung Die Welt sagte er gestern, er wolle in Brandenburg eine "neue Debattenkultur […] etablieren". Eine Regierung mit der AfD strebe er zwar nicht an, wisse aber "heute eben auch noch nicht, wie die Menschen 2019 wählen werden". "Wenn die Wähler die Politik mit einem Wahlergebnis konfrontieren", so Senftleben, dann könne "man sich als Partei nicht hinstellen und sagen, das nehmen wir nicht an."
Ausgeschlossen ist für Senftleben aber eine Regierung mit dem derzeitigen brandenburgischen AfD-Chef Andreas Kalbitz, dem er eine "klare Nähe zu rechtsextremen Strukturen" vorwirft. Dabei spielt er anscheinend auf dessen Teilnahme an einem Pfingstlager der "Heimattreuen deutschen Jugend" und auf den von Kalbitz inzwischen aufgegeben Vorsitz des Vereins Kultur- und Zeitgeschichte, Archiv der Zeit an, in dessen Vorstand auch ein NPD-Mitglied gesessen haben soll.
Aus der Brandenburger AfD hieß es dazu auf Anfrage von Telepolis," der Versuch, sich die Personalauswahl eines möglichen Koalitionspartners selbst gestalten zu wollen", sei "ebenso vermessen wie politisch amateurhaft" und man werde sich "ganz sicher nicht an einem Wunschportfolio eines Herrn Senftleben orientieren". Außerdem zeige "der Umstand, dass Herr Senftleben scheinbar schmerzfrei mit Ex-Stasi-Zuträgern samt bekannten und offenen Kontakten […] zu Linksextremisten koalieren würde", dass es "hier nicht um Inhalte, sondern um nackte Machtarchitektur" gehe.
Kramp-Karrenbauer dagegen
Eine Koalition mit der Linkspartei, die die CDU bislang immer ausschloss, strebt Senftleben nach eigenen Angaben nämlich zwar ebenso wenig an wie eine mit der AfD - aber Gespräche führen will er auch mit ihr. Hier stießen seine Signale bereits auf ein positives Echo bei Landeschefin Diana Golze - und Senftleben lobte im Gegenzug die bisherige Zusammenarbeit im Parlament in Potsdam.
Daraufhin sagte die CDU-Bundesgeneralsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer der Welt, die Linkspartei sei als Teil der bestehenden Brandenburger Koalition unter SPD-Führung ein "Teil des Problems". Man "kämpfe gemeinsam mit aller Kraft" für eine "bürgerliche Regierung", sehe die Linkspartei "weiterhin kritisch" und halte "an der klaren Abgrenzung nach rechts und nach links fest". Das, so die Saarländerin, habe sie gegenüber Senftleben in einem Gespräch "deutlich gemacht".
Der stellvertretende brandenburgische CDU-Vorsitzende Gordon Hoffmann veröffentlichte anschließend eine Erklärung "zur Frage möglicher Koalitionen nach der Landtagswahl 2019", in der er betont, dass die CDU 2019 in Brandenburger stärkste Partei werden will. Die Gesprächsbereitschaft mit AfD und Linkspartei nimmt die Erklärung nicht zurück. Aus der "Alternativlosigkeit", die die SPD in den vergangenen 28 Jahren für sich "zu nutzen gewusst" habe, könne man sich nämlich nur befreien, wenn man "andere Koalitionsoptionen nicht von vorneherein ausschließt". Dabei lägen die "Meinungsunterschiede" zwischen der CDU auf der einen und der AfD oder der Linken auf der anderen Seite "auf der Hand".
Nur mehr eine Wahl zwischen einer Riesenkoalition aus allen Etablierten und einer mit der AfD?
Vor der Landtagswahl in Brandenburg findet eine in Sachsen statt. Nimmt man das Landesergebnis der Bundestagswahl als Orientierungspunkt, dann würde die CDU dort von 39,4 auf 26,9 Prozent abstürzen - und die SPD von 12,4 auf 10,5. Da die Grünen mit 4,6 Prozent an der Sperrhürde scheitern würden, müssten sich Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale zu einer schwarz-rot-gelben "Deutschlandkoalition" zusammenschließen, um über eine knappe Mandatsmehrheit zu verfügen - aber selbst diese Mehrheit wäre äußerst knapp und dahin, wenn die AfD oder die Linkspartei auch nur leicht zulegen würden.
Geschieht dass, müsste sich die CDU zwangsläufig der Gretchenfrage stellen, ob sie lieber mit der Linkspartei oder lieber mit der AfD koaliert, weil sonst keine Koalitionsoptionen mehr offen sind (vgl. Ein sorbisches Bauernopfer und ein unbeschriebenes Blatt). In zwei nach der Bundestagswahl durchgeführten Landtagswahlumfragen zeigte sich die sächsische CDU allerdings wieder etwas erholt, weshalb noch unklar ist, ob sich die Partei tatsächlich mit so einer "Alternativlosigkeit" konfrontiert sehen wird.