Brasilianischer Kulturpolitiker muss nach Goebbels-Rede zurücktreten
Roberto Alvim zitierte in skurrilem Video Hitlers Propagandaminister bei Wagners Lohengrin. Später tat er alles als Zufall ab - ohne Erfolg
Das war selbst für die Regierung des rechtsextremen Präsidenten Jair Bolsonaro zuviel: In Brasilien musste ein Kulturstaatssekretär nach einer Rede mit Zitaten von Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels zurückgetreten. Nach dem "bedauernswerten Zwischenfall" habe er seinen Rücktritt eingereicht, um den Präsidenten zu schützen, erklärte Roberto Alvim. Kurz darauf bestätigte Bolsonaro die Personalentscheidung. Die Beteuerung, es habe sich um einen "rhetorischen Zufall" gehandelt, hatte Alvim nichts mehr gebracht.
Das Kulturministerium hatte ein Video veröffentlicht, in dem Alvim ein kunstpolitisches Förderprogramm ankündigte. Untermalt vom Vorspiel aus dem ersten Aufzug von Richard Wagners Lohengrin - dem gleichen Stück, das in Charlie Chaplins Hitler-Persiflage "Der große Diktator" verwendet wurde - sprach Alvim in Anzug und streng gegelten Haaren über die Ausrichtung der brasilianischen Kulturpolitik unter der regierenden Rechten: patriotisch, der Familie und Gott sowie dem Glauben verpflichtet. Hinter Alvim hängt ein Bild von Präsident Bolsonaro, neben ihm sind ein Lothringer Kreuz und die brasilianische Flagge postiert.
Was Alvim zu Fall brachte, war ein fast identisches Zitat von Goebbels: "Die brasilianische Kunst des nächsten Jahrzehnts", so der Rechtspolitiker, "wird heroisch und national sein, sie wird mit großer emotionaler Kraft ausgestattet sein und sich den drängenden Bestrebungen unseres Volkes zutiefst verpflichtet fühlen - oder sie wird nichts sein." Das Zitat Goebbels, das wahrscheinlich seiner Biographie von Peter Longerich entnommen ist, die 2014 in Brasilien erschienen war, lautet: "Die deutsche Kunst des nächsten Jahrzehnts wird heroisch, sie wird stählern romantisch, sentimentalitätslos sachlich, sie wird national mit großem Pathos und gleichfalls verpflichtend und bindend sein, oder sie wird nichts sein." Goebbels, so Longerich, habe dies 1933 vor führenden Theatermachern gesagt.
"Die Ähnlichkeit ist zu deutlich, um ein Zufall oder gar eine bloße Anlehnung zu sein", schreibt das Portal jornalistaslivres.org. Es habe sich vielmehr um eine vorsätzliche politische Nachricht gehandelt, einen ausdrücklichen Hinweis. "Was Roberto Alvim damit meint - ob es ein Hinweis auf den Weg ist, den die brasilianische Regierung für unsere Kultur einschlagen will, oder nur eine Provokation, die die Linke verunsichern soll -, ist unklar. Es ist aber zweifellos sehr beunruhigend", so jornalistaslivres.org weiter. Auch die deutsche Botschaft in Brasília kritisierte die Rede. Man widersetze sich jeglichem Versuch, "die Zeit des Nationalsozialismus zu banalisieren oder zu glorifizieren".