"Breite Front" mit feministischer Führung in Spanien

Seite 2: Phase des "aktiven Zuhörens"

Der Anspruch, stärkste linke Kraft werden, rückt seither immer weiter in die Ferne, denn UP wird - auch nach Abspaltungen - von immer weniger Menschen gewählt. Díaz befindet sich deshalb seit Monaten in der Phase des "aktiven Zuhörens", denn sie will die gespaltene Linke wieder vereinen. Sie will sie auch verbreitern, um eine geeinte Wahloption links von den Sozialdemokraten (PSOE) zu schaffen.

Deshalb reiste sie Anfang September zunächst ins katalanische Barcelona, um sich mit der Podemos-Bürgermeisterin Ada Colau zu besprechen. Kurz darauf war sie bei Monica Oltra in Valencia zu Besuch. Díaz nennt sie einen "kollektiven Bezugspunkt". Sie selbst habe von Oltra sowohl "privat und politisch" viel gelernt. Bei diesem Besuch in Valencia wurde die Basis für das erste Treffen geschmiedet. Deshalb war es Oltra, die dazu eingeladen hat. Was zum Beispiel in Zukunft in der Politik anders sein soll, wird durch die Teilnehmerinnen deutlich. Denn es wurden nur Frauen eingeladen.

Neben Colau auch Mónica García, das Aushängeschild von "Más Madrid". Die Partei des ehemaligen Podemos-Mitbegründers Íñigo Errejón war im Mai zweitstärkste Kraft bei den Regionalwahlen geworden. Ihr gelang es, die Sozialdemokraten auf den dritten Rang zu verweisen, obwohl García sogar gegen Iglesias antreten musste, der angesichts der Wahlschlappe seinen Hut nahm und sich aus der Politik zurückzog. Eingeladen war auch Fátima Hamed Hossain, Chefin der Bewegung für Menschenwürde und Bürgerrechte (MDyC). Die Muslimin war bei Regionalwahlen in der Exklave Ceuta auf gut elf Prozent gekommen.

Frausein allein ist kein Programm

Díaz, Oltra und García wollen die Politik feminisieren. Man wolle mit der Zusammenkunft zeigen, "dass es Formen gibt, eine feministische Führung auszuüben". Das erklärt die Politikerin mit kommunistischen Wurzeln in Interviews, die sie derzeit gibt. "Wir haben eine horizontalere, freundlichere und weniger phallische Art, Politik zu machen", fügt sie an. Es gehe um den Kampf "gegen Ungerechtigkeiten und den Aufbau eines Mutterlands". Oltra stellt aber auch klar, dass Frausein allein, frei nach Simone de Beauvoir, noch kein Programm ist. "Nicht alle Frauen in Machtpositionen feminisieren die Politik", erklärt Oltra, die auch Ministerin für Gleichstellung in der Regionalregierung ist.

Da es für eine mögliche gemeinsame breite Front große Widersprüche gibt, hatte auch Oltra im Vorfeld des Treffens versucht, diese Frage möglichst tief zu hängen. Dies hatte im Vorfeld auch die Bürgermeisterin Colau getan, die ebenfalls nicht von einer "Wahlplattform" oder von einem "Wahlakt" sprechen wollte. Colau hat derweil aber deutlich gemacht, dass sie ihre Zukunft im Projekt von Díaz sieht.

Es ist kein Zufall, dass die abgewirtschaftete Bürgermeisterin Barcelonas gerade jetzt klarstellt, sich nicht wieder zur Wahl zu stellen. Sie ist auch bei ehemaligen Anhängerinnen in Katalonien schon beinahe verhasst. Nach den Kommunalwahlen kam sie nur noch mit Stimmen der spanischen Rechten an die Macht, die damit verhinderte, dass die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) als Wahlsieger regieren konnte.

Allerdings sind innerhalb von Oltras Formation "Compromís" einige sehr besorgt über deren Vorhaben, denn in der Koalition gibt es starke Strömungen, die das Aktionsfeld auf Valencia beschränken und jedenfalls keinesfalls in einer großen Koalition untergehen wollen. Schon deshalb war es Oltra kaum abzunehmen, dass es bei dem Treffen am Samstag nur um einen Austausch und nicht um eine breite Front gehen sollte, weil sie es war, die gefordert hatte, in das Projekt auch Más Madrid einzubinden. Deshalb wurde die Podemos-Konkurrenz in Madrid zu dem Treffen geladen.

Und es springt auch regelrecht ins Auge, dass alle Podemos-Aushängeschilder nicht eingeladen waren, weder die neue Chefin Ione Belarra noch die Ministerin für Gleichstellung und Iglesias-Lebensgefährtin Irene Montero. In der Partei ist man real verstört darüber, gibt sich offiziell aber gelassen. Es handele sich bei dem "Frauengipfel" nur um einen "von Oltra organisierten Akt". Dass hinter den Kulissen die Wellen hochschlagen, kann man auch daran ablesen, dass nachträglich eher unbekannte Podemos-Mitglieder wie Pilar Lima als "bevorzugte Gäste" zum öffentlichen Akt im Theater Olympia eingeladen wurden.

Offene Stellungnahmen erhalten sogar Podemos nahestehenden Medien nicht. Es wurde Schweigen verordnet. Spekuliert wird in der Partei darüber, ob die PCE über die IU das Heft in die Hand nehmen will, Podemos nur noch als ein Partner von vielen dabei sein soll.

Dass es sich ohnehin nur um eine rein spanische Angelegenheit handelt, zeigt sich auch daran, dass die starken linken Kräfte aus Katalonien, Galicien, dem Baskenland oder Andalusien nicht eingeladen worden sind. Die wollen sich offen zu diesen Vorgängen auch nicht äußern. Zum Teil wird vermutet aber, dass es sich bei der "Frente Amplio" um ein Gegenprojekt zur Allianz der aufstrebenden linksnationalistischen Parteien ist.

In Galicien, der Heimatregion von Díaz, flog die Marke von Podemos vor einem Jahr aus dem Regionalparlament. Der linksnationalistischen BNG gelang es vor gut einem Jahr unter der starken Ana Pontón die Sozialdemokraten als zweitstärkste Kraft zu verdrängen. Im Baskenland kam Maddalen Iriarte von EH Bildu ("Baskenland vereinen") sogar auf fast 28 Prozent und ist damit sogar schon mehr als doppelt so stark wie die PSOE.

Das ERC-Führungsmitglied Carme Porta will auch nicht in dieser Position über die breite Front sprechen: Sie äußert sich als Feministin und Journalistin dazu. Grundsätzlich hält sie die Idee für gut, auch die Tatsache, dass die Politik feminisiert werden soll. Sie wollte gegenüber Telepolis auch nicht zu kritisch sein. Aber sie hält es für bedenkenswert, dass sogar die baskische Podemos-Führerin ausgeschlossen wurde.

Worte und Taten

Dass dafür Colau dabei war, hält sie für keine besonders gute Entscheidung. "Zudem haben weder Colau noch Oltra bisher durch eine Feminisierung der Politik geglänzt", erklärt Porta. Sie ist eine gestandene Feministin, erste ERC-Abgeordnete im katalanischen Parlament, und eine unermüdliche Kämpferin für Rechte von Frauen, Lesben und Homosexuellen, die seit vielen Jahren auch für ein bedingungsloses Grundeinkommen kämpft.

Über Díaz will sie nicht urteilen, aber Colau und Oltra hätten sich bestenfalls mit Worten, aber nicht mit Taten für eine Feminisierung eingesetzt, wie sie die feministische Bewegung auf der Straße fordert. "An ihren Taten könnt ihr sie erkennen", sagt Porta, der ihre eigene Kritik einen schalen Geschmack hinterlässt.

In Andalusien ist Teresa Rodríguez enttäuscht, nicht eingeladen worden zu sein. Sie hatte sich Díaz angeboten, um in der bevölkerungsreichsten Region Spanien mit einer "eigenen Stimme" sprechen zu können, um eine "mutige" Politik machen zu können, erklärt sie gegenüber Telepolis. Die ehemalige Podemos-Chefin in der Region führt die Antikapitalisten und "Adelante Andalucía" ("Vorwärts Andalusien"/AA) bekam bei den Regionalwahlen zuletzt 16 Prozent der Stimmen.

Mit Errejóns Más Madrid habe man innerhalb von AA keine Probleme. Es sei vielmehr einst zur Konfrontation mit Podemos und der IU gekommen, als man für eine gemeinsame Kandidatur bei den Parlamentswahlen eingetreten sei. Rodríguez glaubt, dass Díaz ein gemeinsames Projekt anführen kann - und ihr nimmt sie das Ansinnen und Dialogbereitschaft auch ab. In Andalusien seien innerhalb der Linken aber die Beziehungen "dramatisch zerstört", erklärt sie. Podemos und IU würden über alles hinwegwalzen. Rodríguez und sieben AA-Mitstreiter wurden auf deren Antrag hin von Podemos und der IU sogar aus der gemeinsamen Fraktion im Regionalparlament geworfen.

Ausgerechnet die Kommunisten von Díaz hält Rodríguez für eine " unüberwindliche Barriere". Man sei einer "konstanten Aggression" ausgesetzt, erst kürzlich sei wieder ein AA-Stadtrat in Puerto de Santa María ausgeschlossen worden. Ähnlich wie breite Teile von Compromís in Valencia ist auch AA nicht bereit, auf eine eigene Stimme zu verzichten. Man könne zusammenarbeiten, müsse aber das "eigene Profil" erhalten, sagt sie mit Blick auf ein eigenes Projekt in Andalusien.

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