Andalusien-Wahl als Vorentscheidung für Spanien
Da auch das Land vermutlich vor vorgezogenen Neuwahlen steht, wird die bevölkerungsreichste Region zum Test für den sozialdemokratischen Regierungschef Sánchez
Der Wahlkampf ist beendet und heute wird am "Einkehrtag" die Bevölkerung in Andalusien nicht mit weiterem Propagandagetöse überschüttet, bevor am morgigen Sonntag das Regionalparlament gewählt wird. Allerdings ist das keine unbedeutende Abstimmung - und das hat verschiedene Gründe.
Meist geben die Wähler in der bevölkerungsreichsten südpanischen Region die Richtung vor. Wer in Andalusien gewinnt, gewinnt gewöhnlich auch in Spanien. Und praktisch alle Beobachter gehen davon aus, dass Regierungschef Pedro Sánchez bald vorgezogene Neuwahlen ansetzen wird, da seine schwache Minderheitsregierung keinen Haushalt durchbringt. Deshalb wird den vorgezogenen Neuwahlen in Andalusien eine entscheidende Rolle zugeschrieben. Je nach Ergebnis wird Sánchez Wahlen noch im Frühjahr 2019 ansetzen oder versuchen, den Termin in Richtung Herbst zu schieben.
Noch ist Andalusien eine Hochburg seiner Sozialdemokraten (PSOE), die dort seit dem Ende der Franco-Diktatur vor mehr als 40 Jahren regieren. Die Rechte hat aber aufgeholt und die Volkspartei (PP) konnte 2012 erstmals sogar mit 41% gewinnen. Wegen ihres Austeritätskurses als Regierungspartei und den zahllosen Skandalen stürzte die PP aber wieder auf 27% ab. Rechts nahm ihr dabei die neue nationalistische und neoliberale Partei "Ciudadanos" (Cs) 9% der Stimmen ab.
Mit Unterstützung dieser "Bürger" konnte die Sozialdemokratin Susana Díaz schließlich ihre Regierung bilden. Sie leidet unter den Korruptionsskandalen ihrer Vorgänger und unter dem Phänomen "Podemos" (Wir können es). Die beiden Vorgänger Manuel Chaves und José Antonio Griñán, die Díaz auf ihren Posten gehoben haben, sitzen derzeit vor Gericht. Díaz hat die Wahlen vorgezogen, um sie vor einem Urteil über die Bühne zu bringen, denn der Prozess ist in der Endphase angelangt. Es geht unter anderem um den massiven Missbrauch von Subventionen für Fortbildung von Arbeitslosen und insgesamt etwa 741 Millionen Euro.
So war es wenig verwunderlich, dass die PSOE unter Díaz 2015 noch einmal vier Prozentpunkte unter das historisch bisher schlechteste Ergebnis von 2012 auf nur noch gut 35% absackte. Podemos kam vor gut drei Jahren auf 15% und machte in Andalusien deutlich, dass das Zweiparteiensystem in Spanien Geschichte ist. Die Koalition mit der Vereinten Linken (IU), die sich "Adelante Andalucía" (Vorwärts Andalusien/ AA) nennt, stellt sich nun als klare "linke Alternative" vor, die Díaz und die PSOE ablösen will.
Geführt wird AA von Teresa Rodríguez, die für ihre Kandidatur aus dem Europaparlament in ihre Heimat zurückgekehrt war. Sie gehört den "Antikapitalisten" an. Anders als der Podemos-Chef Pablo Iglesias setzt sich der Flügel um Rodríguez klar von der Sozialdemokratisierung und vom Schmusekurs mit der PSOE ab, den Podemos-Chef Pablo Iglesias vorantreibt. Zu den Antikapitalisten gehört auch der Europaparlamentarier Miguel Urbán, der Rodríguez in Brüssel an der Führung der Podemos-Gruppe abgelöst hat. Auch Urbán hält, anders als Iglesias, die PSOE weiter für ein Teil des Problems, als ein Teil der Lösung. "Wir werden nicht mit der PSOE regieren", sagt deshalb auch Rodriguez unermüdlich. Die andalusische PSOE bezeichnet sie als "degeneriert", die zudem "keine Verbindungen zu sozialen und gewerkschaftlichen Kämpfen" habe.
Im Gespräch mit dem Telepolis hält Urbán es für möglich, dass Podemos nun sogar zweitstärkste Kraft wird und die Wahlen zum "Wendepunkt für Podemos" werden. Tatsächlich ist die Partei in Andalusien weiter im Aufwind, während sie in Spanien angesichts der Sozialdemokratisierung immer weiter an Zuspruch verliert. Im Durchschnitt aller Wahlumfragen soll sie in Andalusien auf knapp 20% kommen und läge damit nur knapp hinter der PP. In Spanien müssen aber Umfragen mit besonderer Vorsicht genossen werden und sie unterschätzen Linksparteien oft sehr deutlich.
Urbán, der sich stark im andalusischen Wahlkampf engagiert hat, macht dafür die "politische und programmatische Kontinuität verantwortlich, die von den Wählern prämiert wird". Wie Rodríguez schließt aber er nicht aus, dass eine sozialdemokratische Minderheitsregierung wie in Spanien toleriert werden könnte, um eine Rechtsregierung zu verhindern. Dafür müssten aber zentrale programmatische Podemos-Vorstellungen akzeptiert werden.
Die PP hofft darauf, nun mit den Cs erstmals an die Macht in Sevilla zu kommen, da die Cs-Partei ihren Stimmenanteil auf etwa 18% verdoppeln soll. Der neue spanische PP-Chef Pablo Casado, der die PP weiter nach Rechtsaußen führt, will dafür sogar auf die Stimmen der faschistoiden Partei VOX zurückzugreifen. Er zeigt sich "begeistert über jede Unterstützung". Den Ultrarechten soll es erstmals gelingen, in ein Regionalparlament einzuziehen, was auch wegweisend für das ganze Land wäre, wo sie auch im Aufwind ist. Statt zuletzt 0,2% soll VOX in Andalusien nun auf knapp 5% kommen.
Dass ein Rechtsbündnis an die Macht kommt, hält Urbán aber für unwahrscheinlich: "Das Szenario gibt keine Umfrage her", sagt er. Er geht vielmehr davon aus, dass eine geschwächte PSOE erneut ein Bündnis mit den gestärkten Ciudadanos schließen wird, da sie mit deren "neoliberalen Politik gut leben kann, aber nicht mit unserer Programmatik." Er hofft, dass von einem guten Ergebnis seiner Formation in Andalusien eine klare Botschaft für das gesamte Land und für die Kräfte ausgeht, die einen Wandel wollen. Die Antikapitalisten schließen nicht aus, eine eigene Liste für die Urwahl des Spitzenkandidaten für den kommenden spanischen Wahlkampf aufzustellen. Urbán kritisiert die Eile, mit der schnell nun die Kandidaten am 13. Dezember gewählt werden. Das geschehe "mitten im Andalusien-Wahlkampf, wo viel auf dem Spiel steht", und die Antikapitalisten kritisieren erneut die "mangelnde Pluralität" und "zentralistische Dynamiken".