Ukraine, die USA und Europa. Heute bricht wohl der Frieden aus

Bild: Tomas Regina/ Shutterstock.com
Ende des Ukraine-Krieges steht bevor. Donald Trump und Wladimir Putin planen Friedensgespräche. Nicht nur für die Ukraine könnte es heute bitter werden.
Der USA-Korrespondent des ZDF, Elmar Theveßen, hatte es unlängst einmal so formuliert: "Die gute Nachricht ist: Es wird nicht am ersten Tag schon der Frieden ausbrechen in dieser Region." Gemeint war mit der Region die Ukraine, mit dem ersten Tag bezog sich der öffentlich-rechtliche Journalist auf den Beginn der Präsidentschaft von Donald Trump in Washington.
Nun aber ist es soweit: Ein Ende des Krieges zeichnet sich ab, und in Europa, zumindest dem Teil, der politisch unter "EU" firmiert, herrscht sichtlich Bestürzung. Denn Brüssel steht außen vor und ist angesichts dessen erkennbar beleidigt. Inwieweit die ukrainische Regierung über das Schicksal des Landes mitbestimmen kann, ist bisher nicht auszumachen.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj jedenfalls reagierte besorgt auf ein 90-minütiges Telefonat zwischen US-Präsident Donald Trump und dessen russischen Amtskollegen Wladimir Putin.
"Ich glaube nicht, dass es eine Priorität war, dass er zuerst mit Russland gesprochen hat. Obwohl das wirklich nicht sehr freundlich ist", kommentierte Selenskyj in einem Interview mit dem noch ausstrahlenden US-Auslandssender Radio Liberty die Tatsache, dass Trump den Kontakt zu Putin vor einem Gespräch mit ihm gesucht hatte.
Der ukrainische Staatschef hatte zuvor bereits dreimal mit seinem US-Amtskollegen telefoniert, zuletzt am 12. Februar. Gegenüber Radio Liberty jedenfalls bezeichnete er die Unterredung als "sehr gut"; was freilich den Ruch von "wir waren bemüht" hat.
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Doch die jüngsten Entwicklungen wecken in Kiew die Befürchtung, dass in Washington weitreichende Entscheidungen zur Zukunft der Ukraine getroffen werden, ohne deren Führung ausreichend einzubinden.
Selenskyj forderte, dass Treffen mit den westlichen Verbündeten für sein Land "Priorität" haben müssten: "Erst nach solchen Treffen, nachdem wir einen Plan entwickelt haben, um Putin zu stoppen, halte ich es für fair, mit den Russen zu sprechen."
Ukraine-Verhandlungen ohne Ukraine?
Das Telefonat zwischen Trump und Putin hinterlässt aus ukrainischer Sicht einen bitteren Beigeschmack. Die beiden Präsidenten sprachen laut Medienberichten über die Beteiligung nordkoreanischer Truppen auf russischer Seite im Ukraine-Krieg.
Auch die ukrainische Drohnen-Technologie, die Trump als "beeindruckend" bezeichnet haben soll, kam zur Sprache. Vor allem aber luden sich Trump und Putin gegenseitig zu Gipfeltreffen ein – offenbar, um die Bedingungen für eine Friedenslösung in der Ukraine auszuloten.
Wer bestimmt welchen Frieden?
Selenskyj wurde über diese Pläne lediglich informiert. Er fürchtet nun, dass hinter seinem Rücken die Konditionen für eine Beendigung des Krieges ausgehandelt werden. Schon am Vortag des Telefonats hatte Trump angedeutet, dass "die Ukraine eines Tages vielleicht russisch sein wird".
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Was genau er damit meinte, zeichnete sich in dem Gespräch mit Putin ab: Die Ukraine müsste demnach Gebiete abtreten, die Russland seit 2014 besetzt hält. Von einem Nato-Beitritt des Landes oder der Stationierung US-amerikanischer Truppen wäre keine Rede mehr. Beobachter sehen darin Anzeichen einer Appeasement-Politik gegenüber Moskau, wie sie 1938 in München gegenüber Nazi-Deutschland betrieben wurde.
Bittere Ironie der Geschichte
Selenskyj, der am Donnerstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz für die Unterstützung der ukrainischen Unabhängigkeit werben will, bleibt kaum noch Verhandlungsspielraum. Seine Angebote, dem Westen Zugriff auf ukrainische Rohstoffreserven zu gewähren, scheinen keine Wirkung zu entfalten.
Stattdessen überbrachte US-Finanzminister Scott Bessent ein Wirtschaftsabkommen nach Kiew, das die Ukraine "im Austausch" für weitere Unterstützung unterzeichnen soll.
München 1938, München 2024
Es ist eine bittere Ironie der Geschichte, dass ausgerechnet in München, wo 1938 der Grundstein für die Appeasementpolitik gegenüber Hitler-Deutschland gelegt wurde, der ukrainische Präsident nun um die Souveränität seines Landes kämpfen muss. Trump signalisiert derweil unverhohlen, dass er in Kiew einen Führungswechsel anstrebt.
In dem Telefonat mit Putin verwies er auf Selenskyjs schwache Umfragewerte und die Notwendigkeit von Wahlen.
Europas "Drei-Billionen-Rechnung"
Während die USA dem Kreml schon vor Beginn echter Verhandlungen weitreichende Zugeständnisse machen, blicken die europäischen Verbündeten entsetzt auf die Rechnung, die auf sie zukommt: Rund drei Billionen Euro müssten sie aufwenden, um ihre Verteidigungsfähigkeit zu stärken und den Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg zu stemmen.
Kritiker werfen Europa vor, sich zu lange auf den militärischen Schutz durch die USA verlassen zu haben. Sie warnen, Putin werde auch in Zukunft die Grenzen der Nato immer wieder testen. Die Allianz müsse daher in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen.
Fragile Waffenruhe im Nahen Osten
Auch im Nahen Osten ist die Lage weiterhin angespannt. Zwar gilt seit Dienstag ein Waffenstillstand zwischen Israel und der Hisbollah im Libanon, doch Israel weigert sich, ihre Truppen vollständig aus den strategisch wichtigen Grenzgebieten abzuziehen. Damit droht eine neue Eskalation mit den schiitischen Milizen.
Eine brüchige, sechs Wochen alte Waffenruhe mit der Hamas steht ebenfalls auf der Kippe. Am Wochenende könnte sich entscheiden, ob die Feindseligkeiten wieder aufflammen.
Selenskyj skeptisch gegenüber Putin
Laut dem US-Nachrichtenportal Axios, das sich auf vier mit dem Gespräch vertraute Quellen beruft, versuchte Selenskyj Trump zu vermitteln, dass er "Einfluss auf Putin" habe. Die Konversation dauerte länger als Trumps vorangegangenes Gespräch mit Putin, so Axios.
Trump versicherte Selenskyj, er verstehe dessen Bedenken gegenüber dem Kreml-Chef. Er betonte aber, er müsse mit Putin sprechen, um die Ukraine zu retten. Auf Trumps Frage, ob Selenskyj noch offen für eine Vereinbarung sei, antwortete dieser, er wolle zwar eine Lösung, glaube aber, Putin sage Trump nur, was dieser hören wolle.
"Putin sagte Ihnen, er will einen Deal, nur weil er Angst vor Ihnen hat, weil Sie stark sind", soll Selenskyj laut Axios zu Trump gesagt haben.
Trump sieht Putin verhandlungsbereit
Trump räumte ein, Selenskyj könne Recht haben. Er habe aber den Eindruck, Putin meine es ernst. "Wir werden es bald wissen", fügte er hinzu. Am Ende des Gesprächs gab Trump Selenskyj seine persönliche Nummer für einen direkten Kontakt.
Selenskyj versprach im Gegenzug, Trump einen Meistergürtel des ukrainischen Boxers Oleksandr Usyk zu schenken.
Hintergrund und Bedenken
Am Abend des 12. Februars hatte Trump zunächst mit Putin gesprochen und ein Treffen angekündigt. Anschließend telefonierte er mit Selenskyj. EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas erklärte, jeder Friedensvertrag zur Beendigung des Krieges, der hinter dem Rücken der Ukraine und Europas geschlossen werde, sei zum Scheitern verurteilt.
Präsident Selenskyj betonte, die Ukraine werde kein Abkommen akzeptieren, wenn die USA und Russland ohne ukrainische Beteiligung über ein Kriegsende verhandeln.