Brexit wird zum Ort eines Stellvertreterkonfliktes zwischen den USA und der EU
Trump kritisiert Brexit-Deal und favorisiert "No deal"-Situation
Als hätte Großbritanniens Premierministerin Theresa May nicht schon genug Probleme in Sachen Brexit, bläst ihr nun auch aus den USA ein rauer Wind um die Ohren. Am Dienstag verkündete US-Präsident Donald Trump seine Kritik am Entwurf des EU-Austrittsvertrages über die Medien. Das Abkommen sei "ein großartiger Deal für die EU, welcher den Handel zwischen Großbritannien und den USA stoppen könnte". Man werde sich "die Sache gut anschauen müssen", so Trump weiter, "um herauszufinden ob Großbritannien unter diesen Umständen weiter handeln darf. Wenn man sich den Entwurf anschaut sieht es so aus, dass ihnen der Handel mit uns nicht erlaubt sein wird. Hoffentlich kann sie (Theresa May) da etwas unternehmen."
Trumps Kritik zielt auf Form und Inhalt der geplanten Übergangsregelung welche am Tag nach dem Austrittstermin Großbritanniens am 29. März in Kraft treten soll. Diese Übergangsregelung bindet Großbritannien über Jahre hinweg an das regulatorische Regime der EU. Im Gegenzug bleibt Großbritannien für diese Zeit mit der EU in einer Zollunion verbunden. Während dieser Zeit muss Großbritannien auch die Handelspolitik der EU mittragen und hat in diesen Bereichen nur begrenzte eigenständige Handlungsmöglichkeiten.
Die Brexit-Befürworter in der Regierung, darunter Handelsminister Liam Fox, haben immer argumentiert, dass der Brexit den Abschluss neuer Handelsverträge ermöglichen würde, allen voran mit den USA. Tatsächlich gibt es in diese Richtung schon seit einigen Monaten informelle Gespräche zwischen dem Vereinigten Königreich und den USA. Trump stellt mit seinen Äußerungen den Erfolg dieser Verhandlungen in Frage. Schon während seines Staatsbesuches in London im August hatte Trump Theresa May während eines Staatsbanketts kritisiert und den ehemaligen Außenminister Boris Johnson empfohlen. Dieser würde einen "großartigen" Premierminister abgeben, während Theresa Mays agieren in Sachen Brexit eher "unglücklich" sei.
In der britischen Medienlandschaft wurde diese Intervention Trumps seinerzeit als "Präzedenzfall" gewertet. Allerdings gibt es eine lange Geschichte US-amerikanischer Einmischung in die britische Innen- und Außenpolitik. Großbritannien ist der engste Nato-Partner der USA und als solcher ein atlantischer Brückenkopf in Europa. Unter anderem deshalb intervenierte der damalige US-Präsident Barack Obama sowohl in das schottische Unabhängigkeitsreferendum als auch in das Brexit-Referendum.
Beide Male ging es ihm darum, einerseits die territoriale Integrität Großbritanniens aufrecht zu halten und andererseits dessen Platz innerhalb der Europäischen Union gewährleistet zu sehen. Sollte Großbritannien aus der EU austreten, müsse es sich bei Handelsverhandlungen zukünftig ans hintere Ende der Schlange anstellen, sagte Obama seinerzeit. Dieser Satz wurde ihm scheinbar vom damaligen Premierminister David Cameron in den Mund gelegt.
Streit um den Import von Chlorhühnern
Mit dem Antritt Donald Trumps haben sich die wirtschafts- und militärpolitischen Präferenzen der USA etwas verschoben. Die Trump-Administration sieht in Großbritannien einen zu erschließenden Markt für Dienstleistungen und Produkte. Auf beiden Seiten des Atlantiks wird seit langem daran gearbeitet, den Brexit dafür zu nutzen. So produzierte der Thinktank "Initiative for Free Trade" Diskussionspapiere in denen die Abschaffung von Regulierungen und Standards gefordert wurde.
Führende konservative Politiker wie der britische Handelsminister Liam Fox griffen diese Ideen auf. Er möchte zukünftig unter anderem die Einfuhr von Chlorhühnern und mit Hormonen behandeltem Fleisch erlauben. Hier ist innerhalb des britischen konservativen Lagers eine Spaltungslinie entstanden. Umweltminister Michael Gove lehnt die Absenkung von Lebensmittelstandards ab und britische Bauern befürchten durch amerikanische Billigprodukte überschwemmt zu werden.
Die von der "Initiative for Free Trade" entwickelten Pläne beinhalten auch die Öffnung des britischen Gesundheitswesens für ausländische, also amerikanische Konzerne. Es ist nicht verwunderlich, dass zu den Finanzierern dieser Organisation auch die Trump unterstützende superreiche Koch-Familie gehört.
Handelsminister Fox hatte bereits im Juli der Hoffnung Ausdruck verliehen, das Handelsabkommen mit den USA bis Weihnachten 2018 auf den Weg zu bringen. Präsident Trump muss seinerseits den Beginn von Handelsverhandlungen 90 Tage im Voraus dem amerikanischen Kongress mitteilen. Würde eine solche Mitteilung Ende 2018 erfolgen, könnten etwaige Gespräche Ende März, kurz nach dem EU-Austritt, beginnen.
Washington würde einen "No-Deal"-Austritt vorziehen
Das Austrittsabkommen schiebt dem einen Riegel vor. Aus Sicht der Trump-Administration wäre eine "No deal"-Situation deshalb begrüßenswert. Dann käme Großbritannien am 29. März quasi "über Nacht" auf den globalen Markt und würde neue Handelsverträge dringend brauchen. Entsprechend ist Trumps Intervention gegen den Brexit-Deal auch zu verstehen.
Hier kommen den Befürwortern der atlantischen Achse jüngste Vorstöße der deutschen und französischen Regierungen zum Aufbau einer europäischen Armee nicht ungelegen. Diese Vorstöße werden vom an einer stärkeren Anbindung an die USA interessierten britischen konservativen Lager als versuchte Schwächung der Nato interpretiert.
So sagte der britische Verteidigungsminister Gavin Williamson der Tageszeitung Daily Mail: "Das ist eine absolut wahnsinnige Idee. Die NATO hat über 70 Jahre die Sicherheit in Europa garantiert und wir sollten darauf sehr stolz sein. Soll man das für eine separate europäische Armee aufgeben? Absolut nicht. Diskussionen über eine neue EU-Armee sind gefährlich und gefährden die von der NATO garantierte Sicherheit."
Somit wird der Brexit zum Feld rivalisierender geopolitischer Interessenslagen und zu einem Ort eines Stellvertreterkonfliktes zwischen den USA und der EU. Dieser Stellvertreterkonflikt wird auch außerparlamentarisch geführt. So finanzieren rechte Thinktanks rund um den ehemaligen Trump-Berater Steve Bannon die Aktivitäten des britischen Fußballhooligans Tommy Robinson. Dieser hat für den 9. Dezember, drei Tage vor der Abstimmung über den Austrittsvertrag im britischen Unterhaus, eine Demonstration in London gegen den "Verrat am Brexit" durch die britische Regierung angekündigt.
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