Britische Regierung will Verkauf neuer Diesel-, Benzin- und Hybridfahrzeuge ab 2040 verbieten
Plan orientiert sich an Vorhaben des französischen Umweltministers Hulot
Wer eine Partei wählt, der bekommt nicht immer das, was im Wahlkampf präsentiert wurde. Diese übernationale Erfahrung machen gerade viele Briten: Die Tories, die sie wählten, stellten sich als Gegner von Eingriffen in die Wirtschaft und die Leben der Bürger dar. Jetzt, sieben Wochen nach der Wahl, hat die Tory-Regierung einen Plan ausgearbeitet, der dem Guardian zufolge ein Verbot neuer Diesel-, Benzin- und Hybridfahrzeuge ab 2040 vorsieht.
Als Begründung dafür dienen nicht etwa Erkenntnisse aus einem auch nach der Wahl geheim gehaltenen Bericht, der untersuchen sollte, welche Erdölförderländer Terrorgruppen finanzieren (vgl. Saudi-Arabien und Katar bewegen sich aufeinander zu), sondern mögliche Gesundheitsgefahren durch Stickoxide. Stickoxide sind das Stickstoffmonoxid (NO), das sich bei der Verbrennung bildet, und das Stickstoffdioxid (NO2), das entsteht, wenn dieses Stickstoffmonoxid in der Luft oxidiert. Die Wirkung schwacher Stickoxid-Konzentrationen konnte bislang "in epidemiologischen Untersuchungen nicht eindeutig bestimmt werden".
Bei Tierversuchen traten Reizungen der Atemwege erst ab einer Stickstoffdioxidkonzentration von 8000 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft. Der EU-Grenzwert an Straßen (der auch im Vereinigten Königreich gilt) liegt mit 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel deutlich darunter. In geschlossenen Räumen darf er in Deutschland fast 24 Mal höher sein (vgl. Diesel-Debatte: Ist der Stickstoffdioxid-Grenzwert sinnvoll?). Trotzdem argumentiert die britische Regierung mit 2,7 Milliarden Pfund an Produktivitätseinbußen, die ihrer Rechnung nach jährlich durch schlechte Luft entstehen. Wie viel davon auf das Konto des Straßenverkehrs geht, bleibt allerdings ebenso offen wie die Frage, wie stark die Zahl der Unfälle steigen wird, wenn Fußgänger und Radfahrer die leisen Elektroautos nicht mehr hören.
Potenzielles Problem Auflade-Infrastruktur
Dem Guardian zufolge orientiert sich der britische Plan explizit an einem Anfang Juli verkündeten Vorhaben von Emmanuel Macrons Umweltminister Nicolas Hulot, 2014 das Ende der Diesel- und Benzinfahrzeuge in Frankreich einzuläuten. Details zu diesem seiner Ansicht nach "wahrhaft revolutionären Vorhaben" Monsieur Hulot bislang noch nicht verraten (vgl. Frankreich: Ende des Verkaufs von Benzin- und Dieselautos bis 2040).
Schwierigkeiten könnten sich unter anderem dadurch ergeben, dass der Ausbau der bislang recht schwach entwickelten Auflade-Infrastruktur in den nächsten 23 Jahren keine ausreichend großen Fortschritte macht, um ein längeres Brachliegen der Fahrzeuge zu verhindern. Das Aufladen einer E-Mobil-Batterie dauert nämlich deutlich länger als das Auftanken eines Autos mit Benzin, Diesel oder Gas - und nicht jeder hat eine Garage zur Verfügung, die sich dafür ausrüsten lässt. Vor allem nicht am Arbeitsplatz. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann hält deshalb ein auf Drängen des grünen Bundestagsfraktionschefs Anton Hofreiter hin beschlossenes Verbot der Neuzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2030 - also zehn Jahre früher als in Frankreich und Großbritannien - für ein unrealistisches Hirngespinst (vgl. Von der Öko-Partei zur Snowflake-Partei).
Kommunen sollen Ideen entwickeln
Die Hundert Millionen Pfund, die der britische Plan für die Förderung der Landeinfrastruktur vorsieht, wirken angesichts der aktuellen Situation nicht unbedingt überdimensioniert. Andere Maßnahmen, die der Plan enthält, sind 1,2 Milliarden Pfund für den Ausbau von Fahrrad- und Fußgängerwegen, ein Fördertopf für Busse mit niedrigem Kohlendioxidausstoß, 290 Millionen Pfund für die Nachrüstung älterer Taxis und anderer Fahrzeuge sowie Zuschüsse für Städte und Gemeinden, die weitere Ideen entwickeln sollen. Der britische Umweltminister Michael Gove stellt sich darunter zum Beispiel einen Umbau von Straßen vor, der zu weniger Abgas durch Staus führt. Kommunen, deren Abgaswerte über den (immer noch geltenden) EU-Grenzwerten liegen, sollen bis zum März 2018 Pläne vorlegen, wie sie die Situation ändern wollen.
In der Metropole London, in der täglich Millionen von Pendlern unterwegs sind, will der Labour-Bürgermeister Sadiq Kahn eine Strafgebühr in Höhe von zehn Pfund täglich erheben, die nicht die schwersten Limousinen, sondern die 10.000 ältesten Autos treffen soll. Zu dieser Maßnahme möchte die britische Regierung andere Kommunen aber ebenso wenig zwingen wie sie die Entscheidung, wann ein Elektroauto sinnvoll ist und wann nicht, den britischen Verbrauchern überlassen will.