Britischer Geheimdienst GCHQ sucht Mitarbeiter, die "Gegner" online "frustrieren"
Ehemaliger Botschafter Craig Murray sieht sich als Opfer von mit Steuergeld bezahlten Trollen auf Twitter
Wer gerne robust im Internet kommuniziert, der kann sich beim britischen Internet-Geheimdienst GCHQ bis zum 22. Juli auf eine Stelle als "verdeckter Online-Operator" bewerben. In der Stellenausschreibung im Guardian wird diese Tätigkeit als "Bekämpfen" von "Leuten" beschrieben, die "unsere Werte und unsere Sicherheit bedrohen". Dabei könne es um das "Stören der Kommunikation von Terroristen", das "Schützen von Kindern vor der dunkleren Seite des Netzes", das "Verhindern von Cyber-Attacken", aber auch um das "Frustrieren von Gruppen" gehen, die "versuchen, Individuen zu radikalisieren".
Was dem Geheimdienst nach "wie eine technologische Rolle" wirken kann, ist ihm zufolge eine Aufgabe, bei der es tatsächlich "nur um Menschen" geht - und "darum zu verstehen, wie sie sich verhalten und was sie zum Ticken bringt":
Sie nutzen also Ihre emotionale Intelligenz, um nationale Bedrohungen abzuschrecken. Dabei arbeiten Sie mit [auch] mit Technikern und Verhaltensforschern, um Strategien zu entwickeln, die unsere Gegner stören, abschrecken und frustrieren. Und wir stellen dabei sicher, dass alles was sie machen, im Rahmen der Gesetze geschieht. (GCHQ-Stellenanzeige)
Zu den gewünschten Eigenschaften potenzieller Bewerber heißt es:
Wonach wir wirklich suchen sind Leute, die eine Leidenschaft für die Online-Welt haben. Sie sind der erste, der sieht, was viral gehen wird. Der erste, der sieht, was trendet. Und der erste, der weiß, was als nächstes kommt. (GCHQ-Stellenanzeige)
Nur 28.804 bis 32.349 Pfund Jahresgehalt
In weiterführenden Beschreibungen werden dann jedoch auch Voraussetzungen genannt, die das Bewerberfeld einschränken: So muss zum Beispiel ein Drogentest absolviert werden, und man benötigt in mindestens drei Fächern einem mit dem deutschen Abitur vergleichbaren A-Level-Abschluss mit mindestens der Note "C" ("Durchschnittlich"). Außerdem erforderlich sind ein Studienabschluss oder alternativ dazu zwei Jahre Berufserfahrung.
Die Verdienstmöglichkeiten sind angesichts dieser Erfordernisse mit nur 28.804 bis 32.349 Pfund Jahresgehalt (einschließlich nicht näher beschriebener "Vergünstigungen") begrenzt. Im teuren London könnte man davon kaum leben. Das müssen die verdeckten GCHQ-Online-Operatoren aber auch nicht, weil die Standorte, an denen sie arbeiten, das sehr viel günstigere Scarborough im Norden von Yorkshire und der Badeort Cheltenham im südwestenglischen Gloucestershire sind. Auch am Standort Manchester, der im Falle einer Beförderung in Scarborough winkt, sind die Mieten im Vergleich zu London bezahlbar.
Viereinhalb zu über 75 Prozent
Craig Murray, der unter anderem durch eine abweichende Meinung in der Skripal-Affäre bekannte ehemalige britische Botschafter in Usbekistan (vgl. Neues von der britischen Beeinflussungskampagne des ominösen Institute of Statecraft), nennt solche verdeckten Online-Operatoren mit Steuergeld bezahlte "Trolle", die "Online-Propaganda" betreiben und "ganztags politische Narrative in Sozialen Medien beeinflussen". Auf Twitter, auf Facebook und in Kommentarforen.
Das geschah seinen Angaben nach beispielsweise in der Debatte um die Unabhängigkeit Schottlands, aber auch während der Skripal-Affäre, wo er sich selbst als Ziel solcher Akteure wahrnahm. Auf Twitter wurde er dabei nach eigenen Angaben auffällig häufig von Accounts attackiert, die oft nur wenige Follower hatten, aber vielen anderen Accounts folgten. Besonders auffällig war seinen Worten nach ein häufiges Folgen der Anbieter von Sportwetten, die dafür bekannt sind, Followern automatisch ebenfalls zu folgen.
Eine weitere ungewöhnliche Eigenschaft vieler besonders eifriger Angreifer war seiner Beobachtung nach, dass sich diese Accounts oft mit einer einzigen Eigenschaft charakterisierten, in der es um Triviales wie einen Fußballverein oder eine Freizeitbeschäftigung ging. Und sie folgten seinem Account oft plötzlich, auch wenn keine gemeinsamen Interessen sichtbar waren. Gleichzeitig mit dem Folgen begannen sehr "rüde" und "aggressive" Angriffe. "Originelle Gedanken" formulierten diese Angreifer angeblich selten, dafür retweeteten sie fast ausschließlich "Pro-Establishment-Content".
Ein großer Teil der Angreifer-Accounts war Murrays Beobachtungen nach relativ neu, einen anderen bezeichnet er als "Schläfer": Sie wurden bereits Ende der Nullerjahre angelegt, posteten aber jahrelang fast oder gar nichts. Der ehemalige Botschafter sah sich deshalb nach eigenen Angaben 200 zufällig ausgewählte Twitter-Accounts an, wovon bloße neun die oben angeführten Eigenschaften aufwiesen. Viereinhalb Prozent. Bei den Angreifern in den Threads unter seinen Tweets lag der Anteil dagegen bei über 75 Prozent, was seiner Meinung nach kein Zufall ist.
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