Bulgariens neue Regierung: "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich"

Alt- und Neu-Ministerpräsident Boiko Borissov. Bild: F. Stier

Am Kabinettstisch Borissov III sitzen einstige Erzfeinde vereint für die gemeinsame Sache "Bulgarien über alles!"

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"Wissen Sie eigentlich, dass dieses dickliche Omalein am frechsten überhaupt war. Sie war die einzige, die nicht zurückgehen wollte, kannte ihre Rechte ganz genau." Mit diesen Worten kommentierte Valeri Simeonov, Parteichef der "Nationalen Front zur Rettung Bulgariens" (NFSB), Fernsehaufnahmen, die ihn zeigen, wie er am Vorabend der Parlamentswahl Ende März 2017 am bulgarisch-türkischen Grenzübertritt Kapitan Andreevo an einer auf dem Boden sitzenden älteren Türkin herumzerrt, um sie an der Einreise nach Bulgarien zu hindern und zurück in die Türkei zu schicken.

Simeonovs Handgreiflichkeit war ein unrühmlicher Höhepunkt der Blockadeaktion des nationalistischen Parteienbündnisses "Vereinigte Patrioten" (VP), die vermeintlichen Wahltourismus bulgarischstämmiger Türken verhindern und damit Einflussnahme Erdogans auf die bulgarischen Wahlen unterbinden sollte. Seit dem vergangenen Donnerstag verantwortet Valeri Simeonov als Vize-Ministerpräsident die Wirtschaft und demographische Entwicklung Bulgariens.

Zu den Vereinigten Patrioten gehören außer Simeonovs NFSB auch die nationalistischen Parteien ATAKA und VMRO - Bulgarische Nationale Bewegung (BND). Sie alle sind nun Juniorpartner in der Koalition mit der rechtsgerichteten Partei "Bürger für eine Europäische Entwicklung Bulgariens" (GERB) von Alt- und Neu-Ministerpräsident Boiko Borissov. Zwei Mal, im Februar 2013 und im November 2016, hat Boiko Borissov aus freien Stücken sein Regierungsmandat vorzeitig aufgegeben. Nun hat er dem bulgarischen Volk versprochen, seine vierjährige Amtszeit vollständig zu absolvieren.

Gut zehn Minuten benötigte er am vergangenen Donnerstagvormittag, um den Abgeordneten der 44. Bulgarischen Volksversammlung das Regierungsprogramm seiner Koalition vorzustellen. Es enthält gute Absichten wie den kräftigen Anstieg der Einkommen durch nachhaltiges Wirtschaftswachstum, Unterstützung der nationalen Landwirtschaft, E-Government, Energiesicherheit und Umweltschutz sowie den weiteren Ausbau der verkehrlichen Infrastruktur und effektiven Kampf gegen Korruption. Als kurzfristige Herausforderung hat das Kabinett Borissov III die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU) im ersten Halbjahr 2018 zu bewältigen.

Abgesehen von dem Intermezzo der sozialistisch geführten Koalitionsregierung von Plamen Orescharski und drei Perioden von Übergangsregierungen hat Boiko Borissov Bulgarien seit dem Juli 2009 regiert. In all seinen Regierungsjahren hat er dem Bau von Infrastrukturanlagen wie Autobahnen, Kläranlagen und Sporthallen Priorität eingeräumt, Strukturreformen in der Staatsverwaltung und im Justizwesen blieben unvollendetes Stückwerk.