Bundespolizei und BKA testen neue Verfahren zur Gesichtserkennung
Mit intelligenter Videotechnik will das Bundesinnenministerium Gefahrensituationen automatisiert erkennen. Die Technik wurde zuvor in Forschungsprojekten entwickelt
Noch in diesem Jahr soll der Berliner Bahnhof Südkreuz mit intelligenter Videotechnik ausgerüstet werden. Das berichtet die Berliner Morgenpost unter Berufung auf eine Ministeriumssprecherin. Das Pilotprojekt wird vom Bundesministerium des Innern verantwortet. Die Durchführung übernehmen die Deutsche Bahn und die Bundespolizei. Auch das Bundeskriminalamt hat eine neue Software zur Gesichtserkennung beschafft.
Von den Plänen hatte bereits die Berliner Zeitung im vergangenen Frühjahr berichtet. Bis heute wollte sich das Bundesinnenministerium aber nicht auf einen Ort des Feldversuchs festlegen. Jetzt soll die erforderliche Technik ausgeschrieben werden. Laut Morgenpost nutze die Deutsche Bahn bereits intelligente Videotechnik zur Erkennung von Personen im ICE-Tunnel des Berliner Hauptbahnhofs.
Bei dem am Bahnhof Südkreuz zu testenden System erfolgt ein Alarm bei auffälligen Bewegungen von Personen. Unter anderem sollen dadurch Graffiti-Sprüher erkannt werden. Nicht beaufsichtigte Gepäckstücke sollen von der Software ebenfalls detektiert werden. Schließlich werden die Kameras auch zur Gesichtserkennung aufgerüstet. Die aufgenommenen Passanten würden dann mit einschlägigen polizeilichen Datenbanken abgeglichen.
Die zu erkennenden Gefahren sollen in dem Pilotprojekt zunächst durch Versuchspersonen nachgestellt werden. Dies dürfte auch auf die Gesichtserkennung zutreffen. Vor Beginn des Tests werden Hinweisschilder zu den erweiterten Funktionalitäten angebracht.
Rückwärts- und vorwärtsgerichtete Beobachtung
Den Ausbau der Videoüberwachung mit "guter Auswertung der Bilder" hatte der frühere Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach den Anschlägen beim Marathon in Boston/ USA angekündigt. Das Bundesinnenministerium hat sich hierzu mit der Bundespolizei und dem Bundeskriminalamt (BKA) sowie Landeskriminalämtern bereits an mehreren Forschungsprojekten beteiligt. Eines der Projekte trug den Namen "Analyse von Personenbewegungen an Flughäfen mittels zeitlich rückwärts- und vorwärtsgerichteter Videodatenströme" (APFeL) und wurde an Flughäfen getestet. "Auffällig erscheinende Personen" können auf Bildschirmen markiert und auf diese Weise automatisch verfolgt werden. Das Verfahren kann Prognosen erstellen, wohin sich die Beobachteten womöglich bewegen werden. Die Analyse funktioniert aber auch für die Rückverfolgung in vorhandenen Videodaten.
Ähnlich forschten die Beteiligten des Vorhabens "Automatische Situationseinschätzung für ereignisgesteuerte Videoüberwachung" (ASEV) an einer Plattform, die einen Alarm auslöst wenn "Personen, Gegenstände, Flugzeuge oder Fahrzeuge sich außerhalb des ihnen erlaubten Bereiches aufhalten". Die Erkennung "potenzieller Gefährdungssituationen" wurden zudem im Projekt "Verteilte, vernetzte Kamerasysteme zur in situ-Erkennung personeninduzierter Gefahrensituationen" (CAMINSENS) erprobt.
Bis 2014 forschte das Bundespolizeipräsidium mit der Polizei Hamburg zur "Multi-Biometriebasierten Forensischen Personensuche in Lichtbild- und Videomassendaten" (MisPel). Getestet wurden Verfahren der "Bildinhaltsanalyse" zum Auffinden von Personen in Daten aus der öffentlichen Videoüberwachung. Das Verfahren wird inzwischen zum Lichtbildvergleich in Polizeidatenbanken genutzt.
Nicht zufriedenstellend verlief bislang die Erkennung einer "sich anbahnenden Situation mit Bedrohungspotential", wie es im Projekt "Mustererkennung und Video Tracking: sozialpsychologische, soziologische, ethische und rechtswissenschaftliche Analysen" (MuViT) untersucht wurde. Die Forscher wollten die "Detektion von aggressiven Akten" automatisieren.
Die nun in Berlin erprobte "intelligente Videotechnik" könnte auf dem Projekt "Automatisierte Detektion interventionsbedürftiger Situationen durch Klassifizierung visueller Muster" (ADIS) basieren. Es wurde speziell für den Einsatz an Bahnhöfen entwickelt. Vorgesehen war die Einrichtung spezieller Zonen für die Überwachung, während gleichzeitig nicht überwachte Räume beibehalten und speziell gekennzeichnet würden. Indem Reisende also selbst entscheiden können, ob sie von einer Kamera beobachtet werden wollen, soll die Akzeptanz der teilautomatisierten Überwachung gesteigert werden.
Nutzung von Gesichtserkennung nimmt zu
In 2008 hatte das Bundeskriminalamt (BKA) die Verarbeitung von Gesichtsbildern erstmals eingeführt. Die Technik wird jedoch nicht in Echtzeit, sondern nur in Ermittlungen genutzt. Fotos von Personen werden mit Lichtbildern der bundesweiten INPOL-Datei abgeglichen. Zum Einsatz kommt das Programm "Face-VACS/DB Scan" der Firma Cognitec. Die Software steht über eine Verbundschnittstelle auch der Bundespolizei und Landeskriminalämtern zur Verfügung. Die Nutzung des Gesichtserkennungssystems nahm in den letzten Jahren deutlich zu.
In Forschungsprojekten arbeitet das BKA an der Verbesserung der Verfahren. Hierzu hat die Behörde kürzlich die Software "Examiner" beschafft. In einem noch nicht begonnenen Feldversuch soll sie Gesichter auch in den Dateien der Staatsschutz-Abteilung durchsuchen. Zunächst wird "Examiner" bei der Auswertung von Bild und Videomaterial "islamistischterroristischer Gruppierungen und Organisationen" genutzt.