Bundeswehr als Terrorcamp

Zwei Wehrpflichtige rufen am Hindukusch zum "bewaffneten Kampf" auf - aber nicht für die ISAF, sondern für den Islamismus

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Oliver Kalkofe spekulierte schon vor zwei Jahren, als die Debatte um eine Strafbarkeit der Ausbildung in "Terrorcamps" aufkam, darüber, ob nicht auch die Castingshows für das Fernsehen unter diesen Begriff subsumiert werden könnten. Nun soll tatsächlich ein ehemals in Bonn wohnhafter Araber, der dem Spiegel zufolge im Abiturheft des Jahres 2004 die meistgenannte Person auf die Frage "Wer wird Superstar?" war, am Hindukusch hausen und dort unter dem Decknamen "Abu Ibraheem" via Videobotschaften zum "bewaffneten Kampf" aufrufen. Allerdings ging Yassin C. nach seinem Abitur nicht in ein Superstar-Camp, sondern zur Bundeswehr, wo er sich offenbar Kenntnisse für einen "bewaffneten Kampf" aneignen konnte.

Vielleicht kam C. während seiner Bundeswehr-Grundausbildung auch erst auf den Geschmack: Es gilt nämlich als weitgehend rätselhaft, wie und warum sich der ehemals dem Alkohol nicht abgeneigte und als gut integriert beschriebene Gymnasiast plötzlich zum Islamisten wandelte. Spekuliert wird unter anderem über den Einfluss seines Bruders Mounir C., alias "Abu Adam", der ebenfalls in den Videobotschaften auftritt und sich im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufhalten soll. Auch Mounir C. war bei der Bundeswehr, außerdem wird er als aktiver Sportler beschrieben – ein Bereich, in dem man ebenfalls Fähigkeiten für den "bewaffneten Kampf" erwirbt.

Nun sollen die beiden Brüder für das IMU, das "Islamic Movement of Uzbekistan", tätig sein, das in manchen Texten und Videos auch IBU (Islamische Bewegung Usbekistan) genannt wird. Eigentlich galt die Gruppe schon als ausgelöscht, weshalb ihre Existenz in der Realität nach ihrem Wiederauftauchen im Internet ähnlich umstritten ist wie die der IJU, der "Islamic Jihad Union". Dieses rätselhafte Phänomen soll eine Art Nachfolgeunternehmen der IMU sein, von dem teilweise vermutet wird, es sei nur eine Erfindung von Geheimdiensten, mit der simple Gemüter für deren Zwecke benutzt werden. Unter anderem sollen die Killer-Konvertiten, deren Prozess demnächst beginnt, für die Gruppe Sprengstoffattentate vorbereitet haben. Auch der Saarländer Eric B. und der Neunkirchener Libanese Houssain al-M. sollen einigen Berichten nach nicht al-Qaida, sondern der IJU hörig sein.

2006 oder 2007 sollen die beiden Brüder Yassin und Mounir C. ohne Umweg über ein Ausbildungslager erst in den Jemen und dann an den Hindukusch geschleust worden sein, um dort für die IMU militärische "Operationen" durchzuführen. Trifft dies zu, ging es also weniger "von der Bundeswehr ins Terrorcamp", wie der Spiegel schreibt - vielmehr wurde dann die Bundeswehr bereits als Terrorcamp genutzt, was einige interessante Fragen aufwirft: Zum Beispiel, inwieweit ein verpflichtender Wehrdienst als Verstoß gegen den geplanten Paragraphen § 89a StGB gewertet werden kann. Mit dem soll den Plänen von Justizministerin Zypries und Innenminister Schäuble nach unter anderem die Ausbildung und das Sich-Ausbilden-Lassen, um eine schwere staatsgefährdende Gewalttat zu begehen, als Vorbereitungsdelikt mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren bestraft werden. So zumindest ein Entwurf vom Dezember, dessen Formulierung über die vorher debattierte Ausbildung in explizit als solche ausgewiesenen Terrorcamps deutlich hinausgeht, was auch das Justizministerium mit Beispielen wie dem "Sprengmeisterkurs in einem Steinbruch" und dem Nehmen von Flugunterricht unterstrich.

Zudem stellt sich die Frage, wie viele weitere Möchtegernterroristen sich gerade bei der Bundeswehr ausbilden lassen oder schon ausgebildet wurden. Nach Auskunft aus Bundeswehrkreisen werden Wehrpflichtige, die ja via Eid oder Gelöbnis ein Treuebekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegen müssen, nicht grundsätzlich darauf hin überprüft, ob sie die beim Grundwehrdienst erworbenen Kenntnisse eventuell für terroristische Akte einsetzen wollen. Nur dann, wenn sich konkrete Verdachtsmomente ergeben, oder wenn Personen in besonders sensiblen Bereichen eingesetzt werden, führt der MAD eine Prüfung durch.