Bundeswehr und digitale Funkgeräte: Regelrecht verbockt

Übung mit BW-Soldaten, 2017. Bild: U.S. Army

Fortsetzung der Realsatire Beschaffung: Das nächste Sondervermögen-Debakel. Verteidigungsminister Boris Pistorius macht keine gute Figur. Wer denkt schon an den Einbau von bestellten Geräten?

Seit Jahren gleicht das Beschaffungswesen der Bundeswehr einer Realsatire, über die man sich amüsieren könnte, wenn – ganz abseits der grundsätzlichen Frage, inwieweit Kriegsgerät überhaupt beschafft werden sollte – dadurch nicht Milliardenbeträge versenkt würden.

Nachlesen lässt sich dies – ebenfalls seit Jahren – in den regelmäßig erscheinenden Berichten über das Rüstungswesen, in denen das Verteidigungsministerium über den Stand seiner Großprojekte informiert.

Im bislang letzten 17. Rüstungsbericht der Bundesregierung wird das Debakel mit Zahlen unterlegt: Demzufolge weisen die Großprojekte der Bundeswehr eine durchschnittliche Verspätung von 33 Monaten bei Gesamtkostensteigerungen von 11,849 Milliarden Euro auf.

Spektakulär war in jüngster Zeit unter anderem der Pannenpanzer Puma, der nach 69-monatiger Verspätung deutlich teurer als geplant ausgeliefert wurde. Dabei befand er sich allerdings in einem so erbärmlichen Zustand, dass er für hohe dreistellige Millionenbeträge nachgerüstet werden musste, nur damit dann von diesen bereits aufgebohrten Panzern im Dezember letzten Jahres 18 von 18 Stück bei einer Übung den Geist aufgaben.

Dennoch gab der Haushaltsausschuss nach etwas Hin und Her nicht nur die Gelder für die Aufrüstung von 143 weiteren Pumas frei, sondern auch 1,5 Milliarden Euro für die Beschaffung von 50 weiteren dieser Prachtexemplare.

Ähnlich reibungslos verläuft die Beschaffung neuer Flottendienstboote, bei denen die Kosten mittlerweile von zwei Milliarden Euro auf 3,2 Milliarden Euro geklettert sind (siehe Unklarer und teurer Auftrag für Spionageschiffe).

Auch das Luftverteidigungssystem Arrow scheint sich hier nun einzureihen, nachdem kürzlich eine Reihe von Experten zu Protokoll gegeben hatte, das vier Milliarden Euro teure Luftverteidigungssystem sei gegen russische Marschflugkörper völlig nutzlos.

Nicht minder spektakulär sind die Umstände, unter denen die Anschaffung neuer digitaler Funkgeräte regelrecht verbockt wurde. Dabei ist es nicht allein die Tatsache, dass bei der Bestellung schlicht vergessen wurde, dass man sich auch um den Einbau kümmern muss, auch Verteidigungsminister Boris Pistorius macht bei der ganzen Angelegenheit keine gute Figur.

Dass es jetzt zu massiven Verzögerungen kommt, obwohl hier auf ein extra vor nicht allzu langer Zeit geschaffenes Prozedere zur Beschleunigung des Beschaffungswesens zurückgegriffen wurde, setzt dem ganzen dann die Krone auf.

Einbau vergessen

Nach aktuellen Planungen soll dem Bereich "Führungsfähigkeit/Digitalisierung" rund ein Viertel des Bundeswehr-Sondervermögens zufließen. Im Zentrum steht dabei die "Digitalisierung Landbasierter Operationen" (D-LBO), die auf eine Vollvernetzung von der taktischen bis hin zur strategischen Ebene zielt.

Dafür müssen unter anderem sämtliche bislang analog arbeitende Funkgeräte in zigtausend Fahrzeugen der Bundeswehr ausgetauscht werden. Die Gelder für die Bestellung internettauglicher und abhörsicherer Funkgeräte wurden vom Haushaltsausschuss am 14. Dezember 2022 bewilligt.

Freigegeben wurden 1,35 Milliarden Euro für etwa 20.000 Funkgeräte. Ferner wurde mit dem Hersteller, dem Münchner Unternehmen Rohde & Schwarz, eine Option für den Kauf weiterer 14.000 Funkgeräte zum Preis von 1,52 Milliarden Euro vereinbart (für die Betriebskosten in den kommenden 20 Jahren wurden weitere 2,2 Milliarden Euro veranschlagt).

Diese Funkgeräte laufen nun zu – oder besser: auf.

Denn augenscheinlich hat sich niemand darüber Gedanken gemacht, dass die Teile auch in die Fahrzeuge eingebaut werden müssen:

Seit Januar laufen Monat für Monat Funkgeräte zu - um dann in Depots eingelagert zu werden. (…) Der Grund: In den zuständigen Abteilungen des Verteidigungsministeriums und des nachgeordneten Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung hat sich offenbar niemand um die Detailfrage der Montage gekümmert - jedenfalls nicht rechtzeitig und abgestimmt.

Die Welt