CDU-Leitlinien zur inneren Sicherheit in der Schusslinie

Selbst in den eigenen Reihen formiert sich der Widerstand gegen die Pläne zur Bekämpfung der "Hochtechnologie-Kriminalität"

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Die vom CDU-Bundesvorstand diskutierte Ausweitung der Befugnisse der Strafverfolger zur Überwachung der Telekommunikation und zur Beschlagnahmung von Computern findet nicht überall Befürworter. Scharfe Kritik an den Law-and-Order-Plänen, die weitgehend aus den Federn altgedienter CDU-Kämpen stammen, übt der baden-württembergische Justizminister Ulrich Goll genauso wie die Internet-Beauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Martina Krogmann. Ihrer Ansicht nach ist das Diskussionspapier "überhaupt nicht Internet-tauglich".

"Bauchschmerzen" plagen den FDP-Politiker Goll seit einer knappen Woche. Im Magen liegt dem Justizminister im "Ländle" nicht etwa eine übergroße Portion Käsespätzle. Das Unwohlsein bereiten ihm vielmehr die jüngsten Forderungen der CDU in ihren "Leitlinien zur inneren Sicherheit" (Polizisten sollen ohne richterliche Genehmigung Computer durchsuchen dürfen). Darin schlägt der Bundesvorstand der CDU neben einer ganzen Reihe von Maßnahmen zur Schließung einer nicht näher bestimmten "Strafbarkeitslücke" vor, "Computer ohne Heranziehung von Staatsanwälten und Richtern" durchsuchbar zu machen.

Dieses Begehren möchte Goll am liebsten im Keim ersticken. "Bei allem Verständnis für die Bedürfnisse der Praxis" weist der Liberale daraufhin, dass "zur Sicherung der Rechte unserer Bürger auch die Besinnung auf rechtsstaatliche Standards gehört." Die gesetzlichen Kontrollmechanismen - wie etwa die Prüfung einer Durchsuchungs- und Abhöraktion durch die Justiz - müssten daher auch beim erforderlichen Vorgehen gegen die Computerkriminalität sowie bei Überwachungsmaßnahmen im Internet greifen. "Was dem Staat offline verboten ist", wandelt Goll ein Lieblingszitat von Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin ab, "muss ihm auch online verboten sein."

Dass der CDU-Bundesvorstand den großen Lauchangriff auf die gesamte Telekommunikation einschließlich des Internet mit Hilfe der Provider "rund um die Uhr" ermöglichen und der Polizei Zugang zu allen Verbindungsdaten verschaffen will, hat inzwischen aber auch die wenigen Internetkundigen in den Reihen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf den Plan gerufen. So sieht die Netzbeauftragte Krogmann "erheblichen Nachbesserungsbedarf" an dem Papier, da seine Bestimmungen nicht mit dem Internet vereinbar seien. Die eifrige Surferin kritisiert an den Planspielen vor allem, dass sie noch weit über die von der Bundesregierung geplante Telekommunikations-Überwachungsverordnung (TKÜV) hinausgehen. Die hatte Krogmann bereits im April als "sachlich verfehlt" und "unverhältnismäßig" bezeichnet (CDU: Abhörpläne der Regierung jenseits der Realität).

Das "auf freien Informationsfluss" angelegte Internet steht für die CDU-Politikerin immer im Spannungsverhältnis zu Fragen der Sicherheitspolitik. Das "Konzept des Schutzmanns an jeder Ecke" funktioniere im Cyberspace aber einfach nicht mehr. Die Providerwirtschaft dürfe trotzdem nicht einfach zum Hilfssheriff gemacht werden, vor allem wenn die Überwachungsmaßnahmen aufgrund von legitimer Verschlüsselungs- und Anonymisierungsmöglichkeiten kein höheres Maß an innerer Sicherheit mit sich brächten.

Die Netzlady der CDU bedauert nun, dass es vor der Veröffentlichung des Papiers keine Absprachen zum Bereich "Hochtechnologie-Kriminalität" gegeben habe. Den Parteivorstand will sie im Nachhinein aber dazu drängen, die angegriffenen Passagen gründlich zu überarbeiten.

Der baden-württembergische Justizminister legt gleichzeitig seiner Zunft ans Herz, "bestehende Vorschriften noch wirkungsvoller umzusetzen", statt "mit viel Lärm" immer neue Gesetze und härtere Strafen zu fordern. Beim Nachdenken über mögliche Gefahren aus dem Internet und wie man ihnen begegnen könnte, "sollten wir nicht vergessen, mindestens ebenso intensiv darüber nachzudenken, wie wir die Rechte unbescholtener Bürger wahren." Es könne nicht angehen, dass quasi jeder Surfer elektronisch "erkennungsdienstlich behandelt" werde.