CIA und GID

Jordanien: Carte Blanche für Menschenrechtsverletzungen?

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Am vergangenen Mittwoch waren 57 Menschen bei Anschlägen auf drei Hotels in der jordanischen Hauptstadt Amman ums Leben gekommen, das Land stand unter Schock. Schon wenige Tage später, am Sonntag, strahlte das jordanische Fernsehen das Geständnis der überlebenden Attentäterin Sajida Mubarak Atrous Al Rishawi aus, der es nicht gelungen war, ihre Bombe zu detonieren. Die schnelle Verhaftung und das Geständnis haben ihre Wirkung auf die jordanische Öffentlichkeit nicht verfehlt: Statt der gewöhnlich gemischten Gefühle gegenüber dem überaus mächtigen, nicht gerade zimperlichen und stets gegenwärtigen Geheimdienst (G.I.D. im Land, gibt es nun weit verbreitete Anerkennung für dessen effektive Arbeit.

Die Rolle der Geheimdienste im Mittleren Osten ist heikel. Einerseits können die oft gigantischen Geheimdienstapparate, wie es der rasche Erfolg des jordanischen Mukhabarat jetzt exemplarisch zeigt, sehr wohl im Interesse der Bürger tätig sein. Demgegenüber kann man aber unzählige Beispiele für den repressiven Einsatz der Dienste im Sinne der autoritären Regime anführen. Es ist kein Geheimnis, dass die Dienste im Grunde genau das verhindern, was nicht nur die USA für die arabischen Länder fordern: mehr Reformen und Demokratisierung. Sie sind geradezu exemplarische Reformverhinderer, wie eine aktuelle Serie in der New York Times dokumentiert.

Jordanien ist in dieser Hinsicht besonders interessant. Denn in keinem anderen Land in der Region gibt es eine derart enge Zusammenarbeit zwischen der CIA und dem nationalen Geheimdienst: Der jordanische Geheimdienst sei seit einiger Zeit der wichtigste verbündete Geheimdienst der USA im "Kampf gegen den Terrorismus" im Nahen Osten, die Zusammenarbeit mit dem GID sei seit einiger Zeit sogar noch bedeutsamer geworden, wichtiger noch als die Kooperation mit dem legendären israelischen Geheimdienst Mossad, so die Los Angeles-Times in einem Artikel, der kurz nach den Anschlägen in Jordanien erschien.

CIA-Agenten würden sich frei, ohne Begleitung im GID-Hauptquartier bewegen können, Personal der CIA sei so gut wie "eingebettet" im jordanischen Geheimdienst, der jordanische König Abdullah unterhalte ein engeres Verhältnis mit dem örtlichen CIA-Chef als mit dem amerikanischen Botschafter in Jordanien, die USA würden das GID-Budget jedes Jahr mit einer ansehnlichen Summe aufpolstern: die Zusammenarbeit sei aus amerikanischer Sicht äußerst wertvoll, da die jordanische Geheimdienstler – anders als der Mossad – bessere und leichtere Zugänge zu Arabern habe:

They're going to get more information [from a terrorism suspect] because they're going to know his language, his culture, his associates — and more about the network he belongs to.

Die Fähigkeiten der jordanischen Verhörspezialisten

Doch die Fähigkeiten der jordanischen Verhörspezialisten kann man auch anders sehen - Meldungen von angewandter Folter sind nicht selten. Dem schließt sich übrigens das amerikanische Außenministerium an, welches dem GID in einem Bericht Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen hat. Das Verhältnis der USA zum jordanischen Geheimdienst legt das Problem der Doppelbödigkeit der amerikanischen Politik im Nahen Osten offen. In öffentlichen Reden fordert man vehement Reformen und Demokratisierung, tritt für Menschenrechte ein, in der Praxis aber unterstützt die Regierung einen repressiven Apparat, der an "90% aller politischen Entscheidungen" in Jordanien Anteil hat und kritische Oppositionelle, die mehr Demokratie und Mitbestimmung in der Monarchie fordern, mit unbarmherziger Härte verfolgt.

Dass die jordanischen Menschenrechtsverletzungen (im Gegensatz zu derartigen Verstößen etwa in Syrien) in den amerikanischen Medien kaum vorkommen, könnte daran liegen, dass die jordanische Regierung Carte Blanche von der Bush-Regierung in solchen Fällen bekommen hat. Aus strategischen Gründen ist man nicht besonders daran interessiert, Jordanien in diesem Licht zu präsentieren. Zumal Jordanien von der CIA gerne in Anspruch genommen wird, um Terrorverdächtige im Rahmen des "CIA Rendition program" dorthin zu bringen und von Spezialisten verhören zu lassen. So wird Jordanien für manchen"feindlichen Kombattanten" zur Zwischenstation auf dem Weg nach Guantanomo.