Carnivore im FBI-Test
Das FBI-Schnüffelprogramm ist noch perfekter als bisher vermutet worden ist
Offenbar hat das FBI die Öffentlichkeit bewusst falsch unterrichtet. Das von ihr entwickelte E-Mail-Schnüffelprogramm Carnivore kann nämlich mehr als bisher angenommen worden ist. Nach einem dem Electronic Privacy Information Center (EPIC) zugegangenen FBI-Dokument, haben interne FBI-Tests ergeben, dass Carnivore alle E-Mails und Chats, die über einen Internet-Provider laufen, auffangen und auf FBI-Computern speichern kann. Bisher hatte das FBI stets erklärt, dass mit Hilfe des Programms nur die Mails verdächtiger Personen gesucht und gespeichert werden.
In dem von EPIC aufgrund des Informationsfreiheitsgesetzes erhaltenen Dokument des FBI heißt es über den "real world" Test: "Der Computer hatte einen einzigen 300 MHz pII Prozessor, auf dem das Windows-Betriebssystem NT4SP6 installiert war. Verfügbar waren 384 MB an RAM, aber die Festplatte war mit 1,19 GB relativ klein ... Dieser PC konnte verlässlich den gesamten ungefilterten Verkehr auf die interne Festplatte aufzeichnen und speichern." Noch im September hatte der FBI-Vizedirektor Donald Kerr gesagt, dass nur die Kommunikation der Zielperson gespeichert werden, während alle anderen Kommunikationen "sofort nach einer Sekunde gelöscht werden. Sie werden völlig zerstört; sie werden nicht gesammelt, aufbewahrt oder abgespeichert."
Die Tests, die bereits im Frühjahr stattgefunden haben, sind nach Angaben des FBI nur durchgeführt wurden, um alle Möglichkeiten der Software zu ermitteln. Gleichzeitig betonten FBI-Offizielle erneut, dass Carnivore nur im Rahmen der Gesetze angewandt werde. Dagegen haben verschiedene Bürgerrechtsorganisationen und Abgeordnete schon bei der Vorstellung des Programm im vergangenen Sommer den Verdacht geäußert, dass das bereits eingesetzte System die Verfassung verletzte und dem FBI eine unkontrollierbare Lauschtätigkeit erlaube. Sie befürchten zudem, dass damit auch die elektronische Post unbescholtener Bürger kontrolliert werden könnte.
Gegenüber der Washington Post erklärten nun mehrere Datenschützer, dass das FBI die Öffentlichkeit über Carnivores wahre Fähigkeiten falsch unterrichtet habe. Außerdem findet es Wayne Madsen vom Electronic Privacy Information Center sehr verwunderlich, warum das FBI etwas teste, was es angeblich gar nicht anwenden wolle: "Sie bleiben weiterhin dabei, dass es nur eines machen kann, und wir finden heraus, dass es sehr viel mehr machen kann."
Eine unabhängige Untersuchung des FBI-Schnüffelsystems ist von Experten des Illinois Institute of Technology Research Institute (IITRI) durchgeführt worden. Der Bericht müsste bereits am 17. November dem Justizministerium übergeben worden sein, das diesen noch überarbeiten wird. Für David Sobel, ebenfalls von EPIC, lassen die neuen Informationen aber noch dringender die Notwendigkeit nach der uneingeschränkten Veröffentlichung aller Leistungen des Systems entstehen: "Die wenigen Informationen, die veröffentlicht wurden, lassen ernsthafte Fragen über die Auswirkungen dieser Technik auf die Privatshäre entstehen. Man kann nicht erwarten, dass die amerikanische Öffentlichkeit ein Internetlauschsystem akzeptiert, das in Geheimniskrämerei gehüllt ist."