Comeback der griechischen Politikfamilien

Seite 2: Das Programm? - Alles soll besser werden…

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bei den Kandidatenlisten hat Mitsotakis darauf geachtet, sämtlichen politischen Strömungen im Land eine Identifikationsfigur zu bieten. Von Tsipras enttäuschte Linke können dessen ehemaligen Parteigenossen Grigoris Psarianos wählen, von der gescheiterten Partei To Potami holte sich Mitsotakis zahlreiche sozialliberale Vertreter. Politisch heimatlose Bürgerliche des Zentrums sollen durch eine Reihe populärer Journalisten auf den Kandidatenlisten angelockt werden. Dagegen wird der rechte Flügel der Partei mit dem vom Parteichef berufenen Vizevorsitzenden Adonis Georgiadis, Makis Voridis und Thanos Plevris gestärkt.

Nach diesem Muster ist auch das Programm ein Potpourri. Es soll Steuersenkungen, und damit höhere Einkommen geben, wovon sich die Nea Dimokratia nach zehn Krisenjahren einen Wirtschaftsaufschwung verspricht. Den Verlierern der Krise, den Armen, verspricht Mitsotakis das bedingungslose Grundeinkommen.

Mit einer knallharten Law & Order Politik möchte die Partei die bislang an rechtsextreme Parteien verlorenen "besorgten Bürger" an sich binden. Die Gefängnisse im Land sollen nicht mehr von der Justiz, sondern stattdessen von der Polizei geführt werden. Mitsotakis möchte die Flüchtlingsproblematik lösen, indem die Asylverfahren beschleunigt werden. Schutzbedürftige in den elendigen, überfüllten Lagern auf den Inseln würden über Gebühr leiden, diagnostiziert Mitsotakis. Allerdings möchte er gleichzeitig die Grenzen, auch die Seegrenze schärfer kontrollieren lassen.

Auf den Straßen der Städte sollen wieder Teams von Einsatzpolizisten auf Motorrollern patrouillieren. Das bedeutet übersetzt, dass Mitsotakis zahlreiche Jobs bei der Polizei schaffen möchte. Dass dies staatliches Geld kostet, und somit für andere Bereiche wichtige Ressourcen binden wird, steht nicht im Wahlprogramm.

Grüne Wähler sehen ihre Grundsätze im Parteiprogramm für den Umweltschutz verankert. Bei der Agrarpolitik setzt der höchstwahrscheinlich künftige Regierungschef auf die Förderung von Genossenschaften und Agrarkollektiven. Das Gesundheitswesen möchte er mit kostenlosen Vorsorgeuntersuchungen für alle von den Folgekosten teurer Krankheiten befreien. Eine reformierte öffentliche Ausbildung soll allen Griechen Zugang zur Bildungselite ermöglichen.

Schließlich möchte Mitsotakis eine Geburtenprämie von 2000 Euro einführen. Diese soll aber "nur für Kinder griechischer Eltern" gezahlt werden. Im Land lebende Ausländer, auch EU-Bürger gehen bei dieser sozialen Gabe, so sie denn wirklich kommt, leer aus.

Natürlich soll auch die umstrittene ENFIA-Sondersteuer für Immobilien erheblich gekürzt werden. Tsipras hatte 2015 versprochen, die eigentlich nur bis 2017 als Sonderabgabe eingeführte Steuer abzuschaffen, sie aber nach seinem Schwenk zur Sparpolitik zu einer dauerhaften Belastung der Hausbesitzer gemacht.

Das Programm von Mitsotakis klingt wie eine konservativ-bürgerliche Version der Versprechen des einst als Ikone der Linken angetretenen Tsipras. Tsipras hat bekanntlich seine Versprechen nicht halten können. Er scheiterte auch bei seiner, von der Staatsfinanzkrise unabhängiger, vollmundiger Ankündigung, die Herrschaft der politischen Familien und den Nepotismus im Land abzuschaffen.

Tsipras hat in seiner kurzen Amtszeit, seiner Lebenspartnerin einen Professorenjob, seinem Vetter einen Regierungsposten, seiner Schwester einen Parteiposten und seinem Bruder einen Straferlass verschafft. Gleiches taten die übrigen Parteifunktionäre von SYRIZA. Kinder, Lebensgefährten, auch Ex-Partner und Anverwandte wurden mit Posten versorgt. Der Regierungspartei nahe stehende Oligarchen erhielten bis zum letzten Sitzungstag des Parlaments von Tsipras Vergünstigungen. Den "ethischen Vorteil der Linken", mit dem Tsipras die Familienclans des Landes für immer besiegen wollte, hat er verspielt.

Wieder einmal verwählt?

Noch vor der Wahl zeigten sich erste Wolken über den auf den ersten Blick von Mitsotakis angebotenen heiteren Aussichten für die von der Finanzkrise gebeutelten Griechen. Die versprochenen Steuersenkungen sollen, für die Bürger, erst nach Konsolidierung der Finanzen und nach einem Wirtschaftsaufschwung kommen. Schließlich, versicherte die Nea Dimokratia, werde man sich an die vertraglichen Zusicherungen gegenüber den Kreditgebern halten.

Einige Kandidaten, wie der Wirtschaftsjournalist Babis Papadimitriou, sinnierten in der letzten Woche des Wahlkampfs über die Notwendigkeit einer weiteren Bankenrettung. Die Banken sollen mit der Rekapitalisierung, wieder einmal, für die Verluste der Krise entschädigt werden.

Das würde bedeuten, dass die neue Regierung ein finanzielles Kreditpolster von 35 Milliarden Euro, welches als Notfallkredit der Kreditgeber bereits steht, anzapfen müsste. Das wiederum wäre gleichbedeutend mit dem nächsten Sparmemorandum für Griechenland.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Wähler die am 7. Juli Mitsotakis ihre Stimme gaben, bei einer der nächsten Wahlen seinem Gegner mit der ähnlichen Begeisterung zujubeln, wie sie es nun gegenüber Mitsotakis machen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Inhalt geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.