Corona: Ein zähes Ringen mit dem Pressereferat des Kreises Gütersloh
Vier Versuche waren notwendig, bis eine Telepolis-Anfrage beantwortet wurde - irgendwie. Ein Kommentar
Ist es zu viel verlangt von Landrat Sven-Georg Adenauer, dass er bei einem Fall wie dem der Familie Rejall Presseanfragen persönlich beantwortet? Ist es zu viel von Jan Focken, Leiter des Referat Presse, Kultur und Archiv des Kreises Gütersloh verlangt, dass er simple Fragen geradeaus beantwortet?
Nein, das ist es nicht. Natürlich ist einer Pressestelle Verständnis entgegenzubringen, die in dieser Zeit unter einem enormen Stress stehen dürfte. Natürlich ist auch einem Landrat Verständnis entgegenzubringen, der unter diesen Umständen auch alle Hände voll zu tun haben dürfte. Und dennoch ist an dem Verhalten Kritik zu üben.
"Die Herrschaften haben Wichtigeres zu tun, als sich mit Einzelschicksalen zu beschäftigen". Seit drei Wochen befindet sich die Familie Rejall aus Gütersloh in Corona-Quarantäne. Ein Testergebnis liegt immer noch nicht vor. Bettina Rejall schildert gegenüber Telepolis ihre Situation.
Eine Familie sitzt mit ihrem dreieinhalbjährigen Sohn seit über 26 Tagen in Quarantäne. Würde die Familie das Haus verlassen, würde sie sich strafbar machen. So viel steht fest. Das vermochte der Kreis in aller Deutlichkeit zu kommunizieren. Aber das war es dann auch. Einzelfälle, dieser Eindruck ist entstanden, spielen derzeit in Gütersloh keine Rolle. Die Pressestelle wirft sich quasi vor den Landrat als Verteidigungslinie, damit um Himmelswillen bloß keine unangenehmen Fragen an ihn herangelassen werden.
Gut, das ist sicherlich oft der Fall, wenn es für Politiker unangenehm werden könnte. Die Pressestellen und Pressereferenten bilden eine Art Schutzwall. Der entsprechende Politiker ist dann Tage und Wochen auf "Terminen, eingebunden", hat "überhaupt keine Zeit". Fragen werden nicht oder nur unzureichend beantwortet. Das ist ein altbekanntes Spiel. So weit, so ärgerlich, so schlecht.
Doch hier geht es um viel. Es geht um eine Familie, die in der eigenen Wohnung gefangen ist. Die raus möchte, aber nicht raus darf. Daran trägt, wie es aussieht, der Landkreis Schuld. Etwas ist im Fall der Familie Rejall gewaltig aus dem Ruder gelaufen. Müsste der Landrat, der Verantwortung für den Kreis trägt, nicht Stellung beziehen? Ein offenes Ohr haben? Aufklärung versprechen und eben auch eine Entschuldigung aussprechen? Ich meine: Ja, das darf man erwarten.
Man mag gar nicht daran denken, wie viele vergleichbare Fälle es vielleicht noch in Gütersloh gibt. Zum Glück, so der Eindruck aus einem Telefonat, ist die Familie stabil und gefestigt. Wie mag das in anderen Familien aussehen?
Und wie sieht das mit dem Mitarbeiter aus, der am Telefon gegenüber Bettina Rejall gesagt haben soll, sie spreche "nasal", sie sei mit Sicherheit "positiv"? Der Leiter des Referats Presse, Focken, macht es sich einfach. Man war nicht dabei. Aussage gegen Aussage. Fall abgehakt. Sieht so in Gütersloh allen Ernstes der Umgang mit einem möglichen Fehlverhalten eines Mitarbeiters aus? Sollte diese Aussage so getätigt worden sein, dann mag man sich gar nicht vorstellen, was diese gegenüber einer psychisch labilen Person hätte bewirken können. Immerhin: Auf Anfrage beim Gütersloher Bürgermeister Henning Schulz teilte die Pressestelle mit, er habe sich über den Fall "erkundigt".
In Gütersloh wird es im Nachgang dieses Ereignisses vieles aufzuarbeiten geben. Dazu gehört dann hoffentlich auch der Umgang mit "Einzelfällen" und das Verhalten des Landrats und der Pressestelle.