Corona-Krise USA: Mit der Mistgabel in die Hamptons
Armut, Hunger und Wohnungsverlust: Größere Teile der US-Bevölkerung sind von einer wirtschaftlichen Katastrophe bedroht, Klassenunterschiede verschärfen sich
Die Verhandlungen zwischen den Republikanern und den Demokraten über die erhöhte Arbeitslosenversicherung von 600 US-Dollar pro Woche dauern an. Die Positionen seien so unterschiedlich, dass sie nur schwer zu überbrücken sind, berichtet Politico. Der Zuschuss der US-Regierung zur Arbeitslosenhilfe lief vergangenen Freitag aus.
Aus Sicht der World Socialiste Web Site sind die Unterschiede nicht groß genug, um die Verhandlungen mit dem nötigen politischen Willen voranzutreiben. Denn sowohl die Partei der Demokraten wie die der Republikaner als auch die Trump Administration hätten das gleiche Klasseninteresse und würden prinzipiell das gleiche Ziel verfolgen: Millionen von Arbeitern über die Drohung von Armut, Hunger und Wohnungsverlust "zurück an die Arbeit zu zwingen, um für die kapitalistische Klasse Profite zu produzieren, egal ob sie damit die Gefahr durch die Corona-Virus-Pandemie vergrößern."
Die Zahlen, die die Webseite zu den Folgen des Abbaus von staatlichen Zuschüssen präsentiert, geben deutliche Anzeichen dafür, dass eine wirtschaftliche Katastrophe größere Teile der US-Bevölkerung bedroht: Da vergangene Woche auch das Moratorium für Zwangsräumungen von Mietern in Gebäuden auslief, die durch Hypotheken der Bundesregierung besichert würden, "könnten etwa 18 Millionen der 44 Millionen Mieterhaushalte in den USA betroffen sein".
Laut Schätzungen eines Beratungs- und Investmentbanker-Unternehmens haben elf Millionen Haushalte zu befürchten, dass ihnen in den nächsten vier Monaten Räumungsbescheide ins Haus flattern. Bittere Aussichten prophezeit Barry Grey in der deutschen Ausgabe des WSWS
Die Streichung oder Kürzung des Zuschusses zur Arbeitslosenhilfe wird zu einem deutlichen Anstieg von Hunger und sogar dem Hungertod in den USA führen. Bereits jetzt gehen fast 40 Millionen Menschen davon aus, sich ihre nächste Miete oder Hypothekenzahlung nicht leisten zu können. In der Woche, die am 21. Juli endete, erklärten fast 30 Millionen Menschen, sie hätten nicht genug zu essen gehabt.
Barry Grey
Man kann sich über diese düstere Prognose streiten, auch darüber, ob die unterschiedlichen Verhandlungspositionen zwischen Demokraten und Republikanern zur Fortsetzung der Corona-Ausnahmehilfen, die der Bericht von Barry Grey auch wiedergibt, politisch wirklich in ein- und denselben Klasseneintopf gehören.
Aber zur Wirklichkeit gehört, worauf im englisch-sprachigen Bericht der sozialistischen Webseite aufmerksam gemacht wird: Dass der Durchschnittsabgeordnete im US-Kongress Millionär ist. Daraus ergibt sich ein anderer Blick auf die Härten, die die Massen treffen, so die Website.
Der durchschnittliche Kongressabgeordnete verspüre da nicht die leichteste Beunruhigung oder Anteilnahme, die die Kürzung der Extrazahlungen für die Arbeitslosenunterstützung für die Massen bedeute, so sieht es Patrick Martin. Er hat auch ein passendes Exempel für seine These, nämlich den US-Finanzminister Steven Mnuchin, der die Millionen Arbeitslosen als eine Herde behandelt und über einen Kamm schert.
Das Arbeitslosen-Extrageld sei "overpaid", so Multimillionär Mnuchkin. Es würde die Arbeitslosen nur von der Arbeit abhalten, weniger Hilfe sei genau der Anreiz, den sie nötig haben, in diesem Sinne äußerte sich Mnuchin bereits mehrmals und mit dieser Ansicht, die als Härte/Anreiz-Prinzip weltweit verbreitet ist, steht er nicht alleine, schon gar nicht in den USA.
Geht es um Anreize, so vertreten auch nicht-sozialistische Ökonomen den Ansatz, dass es volkswirtschaftlich besser wäre, die Arbeitslosen in einer solchen drastischen Krise zu unterstützen, um die Wirtschaft nicht durch Sparen, Vorsicht und Angst weiter in eine depressive Richtung zu treiben (das wird zum Beispiel hier in anschaulicher Kürze dargelegt).
Als bemerkenswerte Ergänzung zu den exklusiven Weltwahrnehmungen Wohlhabender soll noch auf einen Bericht der Financial Times verwiesen werden, der den Klassenkampf im Titel führt. Im Artikel "So fangen Klassenkämpfe an", englisch: This is how class wars start nimmt die Zeitung Bezug auf Schilderungen, wie Superreiche in den Hamptons den Corona-bedingten Ausfall von exklusiven Sommercamps durch teure Veranstaltungen mit Tennis- Kunst- und Kompetenzberatern auf ihren großen Anwesen kompensieren und darüber schwelgen.
Dass das Wall Street Journal einen Artikel mit prunkendem Selbstlob - "Die Familien schufen Aktivitäts-Pläne, die ihren Kindern Struktur, Exercise und Entertainment gaben und etwas Erholung für die Eltern" - vergangene Woche auf Seite eins hob ("cover piece"), kurz nachdem dramatische Zahlen der US-Wirtschaftskrise bekannt wurden, beunruhigte die Autorin der Finanzzeitung, die ihren Lesern an vielen Wochenenden mit ihrem Magazin "How to spend it" das schöne teure Leben nahebringt.
Ein solcher Bericht zu dieser Zeit würde jeder arbeitslosen Person genug Grund dafür geben, eine Mistgabel zu holen und die Hamptons anzusteuern, so die Autorin. Der Artikel des Wall Street Journals (WSJ) würde die Wut mehr füttern als jedes "guillotine meme". Auch diese Perspektive geht von einem engen Blickwinkel aus. Das WSJ wird wahrscheinlich nur von einer bestimmten Klasse gelesen und ernstgenommen werden.