Corona-Maßnahmen: "Notbremse" und Lockerungsstreit bei Bund-Länder-Runde

Vorschläge von Union und SPD kontrovers. Linke schlägt Aussetzung von Noten und Zeugnissen vor, Gewerkschaft NGG bekräftigt Forderung nach Mindest-Kurzarbeitergeld

Vor den Bund-Länder-Beratungen über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise an diesem Montag waren wie üblich die Beschlussvorschläge der Regierungsparteien mehreren Medien bekannt. Die Gespräche könnten sich dennoch bis spät in die Nacht hinziehen. Erst war die Rede von einer Lockerung der Kontaktbeschränkungen über Ostern, wenig später von der angekündigten "Notbremse", die angesichts der neuesten Infektionszahlen und der steigenden Intensivbetten-Belegung zum Tragen komme. Wenig kommuniziert wurde über Hilfen für besonders hart betroffene Branchen und Beschäftigte.

An Lockerungen sei nur bei stabilen oder sinkenden Inzidenzzahlen zu denken, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz am Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin vor Beginn der Bund-Länder-Runde von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten. "In dieser Situation sind wir gegenwärtig nicht." Die ansteckendere britische Virusvariante sei inzwischen die dominierende in Deutschland, die Intensivbetten-Belegung sei gestiegen.

Die von Fietz erwähnte "Notbremse" sieht die Rücknahme von Öffnungen vor, wenn die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen in einer Region oder in einem Land an drei aufeinander folgenden Tagen über die Schwelle von 100 steigt. Bundesweit lag diese Sieben-Tage-Inzidenz nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) vom Montag zuletzt bei 107,3 - und damit etwas höher als am Vortag mit 103,9.

Ein Beschlussentwurf des Bundeskanzleramts, der am Montagvormittag verschickt wurde, sieht nach Medienberichten eine grundsätzliche Verlängerung des "Lockdowns" bis zum 18. April vor. Gleichwohl gibt es Überlegungen für gelockerte Kontaktbeschränkungen an Ostern, über die beim Bund-Länder-Treffen gestritten werden dürfte.

Ein Haushalt soll sich demnach mit bis zu vier weiteren Personen treffen dürfen, auch wenn dann die Grenze von maximal fünf Personen überschritten wird. Die Nachrichtenagentur AFP sowie mehrere Lokal- und Regionalzeitungen zitierten aus der Vorlage, dass die Länder für die Zeit vom 2. bis zum 5. April 2021 "Treffen mit vier über den eigenen Hausstand hinausgehenden Personen zuzüglich Kindern im Alter bis 14 Jahre aus dem engsten Familienkreis" zulassen würden.

Zum engsten Familienkreis zählen demnach Ehegatten, Lebenspartner und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sowie Verwandte in gerader Linie, Geschwister, Geschwisterkinder und deren jeweilige Haushaltsangehörige. Solche Treffen sollen dem Entwurf zufolge auch dann möglich sein, "wenn dies mehr als zwei Hausstände oder fünf Personen über 14 Jahren bedeutet". Dieser Punkt soll aber noch in eckigen Klammer stehen, wie andere "umstrittene" Vorschläge auch. Das Papier enthält demnach Vorschläge und Forderungen von Unions- wie von SPD-Seite.

Notendruck "nicht vermittelbar"

"Leider habe ich schon die Vermutung, dass auch dieses Mal die Bundesregierung nicht die Schritte einleiten wird, die für die Pandemiebekämpfung tatsächlich notwendig sind", erklärte am frühen Nachmittag der Bundesgeschäftsführer der Oppositionspartei Die Linke, Jörg Schindler, bei einer Pressekonferenz in Berlin. Nach wie vor werde zu wenig geimpft und getestet. Er befürchte vor diesem Hintergrund "Öffnungen wider besseren Wissens" oder mit falschen Prioritäten.

"Wir brauchen endlich Luftfilter für die Schulen, hier wird seit letztem Sommer nichts getan", sagte Schindler. In Ermangelung eines normalen Schulbetriebs sei auch der Notendruck auf Schülerinnen und Schüler nicht vermittelbar. Die politisch Verantwortlichen müssten deshalb über eine Aussetzung von Noten und Zeugnissen nachdenken. Lockdown-Maßnahmen, die Menschen an ihrer Berufsausübung hindern, müssten sozial abgefedert werden, betonte Schindler.

Gastronomie am Limit, Beschäftigte teils "im Nirwana verschwunden"

Auch die Gewerkschaft NGG ist gegen schnelle Öffnungsschritte, die Menschenleben gefährden könnten, sieht aber auf Seiten der Regierungsparteien kaum Verständnis für die schwierige Lage der 2,1 bis 2,2 Millionen Beschäftigten, die bis zur Corona-Krise im Gastronomiebereich tätig waren. Etwa eine Million von ihnen sei prekär beschäftigt gewesen, habe keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld und erscheine in keiner Statistik, sagte der NGG-Geschäftsführer für die Region Berlin-Brandenburg, Sebastian Riesner am Montag im Gespräch mit Telepolis.

"Fast die Hälfte der Beschäftigten ist irgendwo im Nirwana verschwunden", so Riesner. Aber auch den bisher sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die bis dato zum Teil auf Trinkgelder angewiesen waren, reiche das Kurzarbeitergeld nicht, sagte Riesner und bekräftigte die Forderung nach einem Mindest-Kurzarbeitergeld von 1.200 Euro. Außerdem müssten Gewerkschaft und Betriebsräte in Verhandlungen über Öffnungsschritte einbezogen werden, um Gesundheitsschutz und den Erhalt von Arbeitsplätzen unter einen Hut zu bringen. Die Politik habe sich bisher zu wenig mit den Hygienekonzepten der Branche auseinandergesetzt, so Riesner.

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