Corona-Notstand Blaupause für die Bewältigung der Klimakrise?

Seite 2: Der Staat als Mittel, um eine Gesellschaft zu verändern

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Nun ist es aber gerade die vornehmste Aufgabe des Staates als ideeller Gesamtkapitalist, auch mal einem Einzelkapitalisten Grenzen zu zeigen. Daher gab es von Linken viel Kritik am sogenannten deutschen Kriegssozialismus während des Weltkriegs. Verwirrung gab es, als Lenin die Maßnahmen zum Vorbild für den Aufbau des Staatskapitalismus in der frühen Sowjetunion erklärte.

Dass es genau darum ging, war Lenin und den Bolschewiki der ersten Stunde noch klar. Sie sprachen von einer notwendigen Phase um von einem wirtschaftlich wenig erschlossenen Land wie der Sowjetunion zum Sozialismus zu kommen. Erst später wurde diese staatskapitalistische Phase zur Einführung des Sozialismus verklärt.

Dunkhase erinnert in der jW-Kolumne daran, dass Lenin sich positiv auf die deutsche Kriegswirtschaft bezogen hat:

Die auch "Kriegssozialismus" genannte Wirtschaftspolitik während des Ersten Weltkriegs beeindruckte insbesondere Lenin, und der zog seine Schlüsse daraus: "Nun versuche man einmal, an Stelle des junkerlich-kapitalistischen (…) den revolutionär-demokratischen Staat zu setzen, der sich nicht davor fürchtet, auf revolutionärem Wege den Demokratismus voll und ganz zu verwirklichen. Man wird sehen, dass der staatsmonopolistische Kapitalismus in einem wirklich revolutionär demokratischen Staate unweigerlich, unvermeidlich einen Schritt, ja mehrere Schritte zum Sozialismus hin bedeutet!" ("Die drohende Katastrophe und wie man sie bekämpfen soll")

Helmut Dunkhase, junge Welt

Dunkhase verschweigt auch nicht, dass er in dieser Variante des Leninismus auch Lehren für die Gegenwart ziehen will.

Auch wenn wir in der BRD heutzutage nicht die Situation vom September 1917 in Russland haben, sollte doch diese Dialektik mit bedacht werden, statt … zu bekräftigen, dass die bei uns gedachten Verstaatlichungen rein gar nichts mit Sozialismus zu tun haben. Auch scheint mir zu kurz gegriffen zu sein, wenn in der gegenwärtigen Krise nur vom Kollateralnutzen der Herrschenden für die autoritäre Umgestaltung des Landes gesprochen bzw. der Kollateralnutzen der Linken auf Illusionsverlust beschränkt wird.

Helmut Dunkhase, junge Welt

Hier wird deutlich, dass der Corona-Notstand manche Linke motiviert, den Staat als ein Mittel zu betrachten, um eine Gesellschaft zu verändern. Die ausführliche Kritik daran, die es bereits zu Lenins Zeiten von vielen Linken gab, wird da gerne ausgeblendet.

Die Kritiker haben argumentiert, dass autoritäre Elemente in den sowjetischen Staatsaufbau auch dadurch eingeflossen sind, dass Lenin den deutschen Maßnahmenstaat im 1. Weltkrieg zum Vorbild genommen hat. Ein Staat ist eben nicht ein Vehikel, dass man einfach unterschiedlich verwenden kann wie ein Auto, so die Einwände.

Dieser Kritik müssen sich auch linke Wissenschaftler und Aktivisten stellen, wenn sie heute mit oder ohne expliziten Bezug auf Lenin der Klimabewegung seine Taktik anraten und den Corina-Notstand zur Blaupause für eine radikale ökologische Umgestaltung empfehlen.