Corona-Pandemie: Gesundheitsministerium kann eigenen "Fakten-Booster" nicht begründen – und nimmt ihn offline

Nicht haltbar: die alarmierende Zehn-Prozent-These. Bild: bmg.bund.de (Screenshot)

Zehn Prozent Erkrankter angeblich krankenhauspflichtig. Auf Telepolis-Nachfrage wich das Ministerium zunächst aus. Wenig später war das Dokument aus dem Netz verschwunden.

Kurz vor dem Herbst und einem möglichen Anstieg der Corona-Zahlen hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) deutlich überhöhte Angaben zur aktuellen gesundheitlichen Gefährdungslage durch Sars-CoV-2 verbreitet.

Auch auf Nachfrage konnten Vertreter des Ministeriums am Montag nicht erläutern, wie es zu einer alarmierenden Angabe kam, die in einem sogenannten Fakten-Booster – einer Art Faktencheck im Namen des BMG, der Internetseite zusammengegencorona.de, des Robert-Koch-Instituts (RKI) und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung – publiziert worden ist.

Heute Vormittag nun nahm das Ministerium das Dokument offline, wie ein Sprecher Telepolis auf Nachfrage bestätigte. Am Montag hatte das Ministerium unserer Redaktion zunächst noch ausweichend geantwortet.

Allerdings war der inzwischen dritte "Fakten-Booster" nach Angaben des Ministeriums am vergangenen Wochenende bereits in den regionalen Tageszeitungen, in Anzeigenblättern und in türkischen Zeitungen als bezahlte Anzeige veröffentlicht worden.

Die Kosten dafür liegen im Millionenbereich. Unklar ist, ob und wie das Ministerium die offensichtlich nicht haltbare Zahl korrigieren wird.

Denn mit den Anzeigen wurden mutmaßlich überholte Aussagen über die möglichen Gefahren des Corona-Virus massiv verbreitet. Denn in dem Dokument, das auch im Internet zu finden ist, heißt es unter anderem: "Etwa zehn Prozent der in Deutschland erkrankten Personen werden aufgrund eines schweren Covid-19-Verlaufs im Krankenhaus behandelt."

Nun herrscht beim Thema Corona nach wie vor ein relatives Zahlenchaos. Denn während das fragliche Datenblatt die Hospitalisierungsrate auf die erkrankten Personen bezieht, stellt sie das RKI stets 100.000 Einwohnern gegenüber. Daraus errechnet sich der sogenannte Inzidenzwert.

An anderer Stelle werden die Corona-Infizierten als Grundlage der Berechnung herangezogen, was wiederum nicht mit der Gesamtbezugsgruppe der Covid-19-Erkrankten übereinstimmt. Zahlenbasis und Ableitung bleiben so oft unklar.

In der PDF-Version der Anzeige verweist das federführende Ministerium auf den epidemiologischen Steckbrief auf der Website des Robert-Koch-Instituts. Der allerdings ist letztmalig am 26. November 2021 aktualisiert worden. Die Datenbasis der Aussage in diesem Steckbrief zu den Hospitalisierungen selbst ist sogar noch einiges älter:

"In einer Analyse der Daten aus dem deutschen Meldesystem (bis Februar 2021) wurden kumulativ ca. zehn Prozent der in Deutschland übermittelten Fälle hospitalisiert." Die Studie selbst bezieht sich auf einen Zeitraum von Januar 2020 bis Februar 2021.

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