Corona sorgt für Wahlverschiebungen
Spanien: Hohe Infektionszahlen führen zur Verschiebung der katalanischen Wahlen und stärken die Puigdemont-Kandidatur
Eigentlich sollte am 14. Februar in Katalonien ein neues Parlament gewählt werden. Doch Katalonien geht den Thüringer Weg. Dort hatte man sich gerade darauf geeinigt, die Wahlen mit der Bundestagswahl am 26. September zusammenfallen zu lassen. Katalonien springt kürzer und verschiebt die Wahlen wegen explodierender Corona-Zahlen auf den 30. Mai. Darauf hat sich die Regierungskoalition mit der Mehrheit der Parteien geeinigt.
Obwohl sich auch die Coronavirus-Lage in Portugal heftig zugespitzt hat, das Land nun wieder für vier Wochen in einen harten Lockdown geht, hält es dagegen an den Präsidentschaftswahlen am 24. Januar fest. Die Wahlen in Katalonien wären dringend notwendig gewesen, um die diffusen Kräfteverhältnisse auch unter den tief zerstrittenen katalanischen Partnern zu klären und damit auch das Verhältnis zum spanischen Staat.
So wird die Situation, in der Vizepräsident Pere Aragonès nur geschäftsführend im Amt ist, nicht so schnell beendet: Das Parlament ist aufgelöst, kann also keine Gesetze verabschieden. Diese Lage wird nun vermutlich bis Anfang des Sommers andauern. Das ist angesichts der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie gravierend.
Nachvollziehbar ist die Entscheidung aber, da Spanien am Mittwoch mit 39.000 neu entdeckten Corona-Infektionen alle "Rekorde" pulverisiert hatte. Am Freitag wurde auch dieser Rekord mit 40.200 schon wieder gerissen. Die 14-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner liegt im Durchschnitt schon bei hohen 574.
In einigen Regionen füllen sich die Intensivstationen schnell wie zum Beispiel in Valencia. Dort sind sie schon zu 50 Prozent mit Covid-Patienten belegt. Aber auch im angrenzenden Katalonien steigen die Infektionszahlen. Die 14-Tage-Inzidenz liegt mit 588 sogar schon über dem Durchschnitt und am Freitag wurden 4.500 neue Infektionen entdeckt.
Da das katalanische Gesundheitsministerium steigende Werte für die kommende Woche erwartet, sprach es sich gegen die Abhaltung der Wahlen am 14. Februar aus, da sie praktisch mit der Spitze der dritten Welle zusammenfallen würden. Erwartet wird, dass die Krankenhäuser und Intensivstationen zu diesem Zeitpunkt besonders stark beansprucht würden.
Dass Katalonien wahrscheinlich über die Dauer von mehr als einem halben Jahr keine ordentliche Regierung haben wird, dafür ist eine über eine politisierte spanische Justiz provozierte Situation verantwortlich, die Präsident Quim Torra über eine Lappalie aus dem Amt gehebelt hat. Weil er ein Transparent am Amtssitz in Barcelona nicht rechtzeitig abgehängt hatte, startete der Wahlrat (JEC) ein Verfahren, in dem Torra mit Amtsverbot belegt wurde.
Hochrangige Juristen wie der andalusische Professor für Verfassungsrecht Javier Pérez Royo meinen längst, dass Spanien einen "juristischen Krieg" gegen Katalonien führt.
Streit über die Verschiebung der Wahlen
Aber über die Wahlverschiebung gab es auch Streit. Bis Donnerstag stemmten sich die spanischen Sozialdemokraten (PSOE) dagegen. Für die tritt mit dem spanischen Gesundheitsminister Salvador Illa in Katalonien ausgerechnet der Mann als Kandidat an, der für das Missmanagement in den drei "Corona-Wochen" verantwortlich ist. Die PSOE bewegt wahltaktische Gründe - wegen derzeit relativ guter Umfrageergebnisse.
Erst am Donnerstag lenkte die Partei ein, wollte die Abstimmung aber nur um einen Monat verschieben. Damit blieben die Sozialdemokraten bei den Beratungen aber allein auf breiter Flur.
Dass sich in vier Wochen die Infektionslage deutlich verbessert, ist ohne einen Lockdown wie in Portugal illusorisch. Den will Illa aber nicht, obwohl ihn dazu frühere Berater wie Rafael Bengoa drängen. Der ausgewiesene Experte, einst auch Berater von Barack Obama und früherer baskischer Gesundheitsminister für die Sozialdemokraten, meint, die derzeitige Lage sei "gleich oder schlechter" wie im März.
Bengoa fordert mit Wissenschaftlern in der Fachzeitschrift The Lancet eine unabhängige Untersuchung der Covid-Vorgänge in Spanien. Dafür führen sie zum Beispiel auch die Zahl der offiziellen Zahl der Corona-Toten an. Die wird derzeit mit 53.314 angegeben. Sie weicht extrem von der Übersterblichkeit ab, die das Statistikamt mit 80.203 allein für 2020 beziffert.
Das Verhalten der Sozialdemokraten konnte auch Podemos nicht verstehen, mit der die PSOE in Madrid in einer Koalition regiert. Das machte die Podemos-Chefin in Katalonien Jéssica Albiach deutlich. Eine mögliche Verlegung der Wahlen war zudem schon im Regierungsdekret verankert worden - mit Blick darauf, dass die Lage in der Coronapandemie dies erfordern könne.
Abzusehen ist, dass die Verlegung der Wahl der Kandidatur des Exilpräsidenten Carles Puigdemont zuspielt, für den sich seine Vertraute Laura Borràs stark macht. Der Listenführer für Barcelona hat nun mehr Zeit für den Umbau der einst offenen Liste "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat) zu einer Partei.
Ohnehin hat sich die Lage der Exilanten in Belgien stark verbessert, da das Land nun definitiv die Auslieferung des ehemaligen Kultusministers Lluis Puig an Spanien abgelehnt hat. Das ist eine Vorentscheidung zu den Verfahren gegen Puigdemont und zwei weiteren Europaparlamentariern.
Das Urteil macht unverständlich klar, dass die Richter keine der Anschuldigungen wie beispielsweise "Aufruhr" nachvollziehen können. Bemerkenswert war, dass sie auch auf die UN-Arbeitsgruppe für willkürliche Inhaftierungen verwiesen und daran zweifeln, dass die Katalanen in Spanien einen fairen Prozess erhalten.
In der Urteilsbegründung drücken sie ihr Unverständnis darüber aus, dass Politiker wie Puig - und damit auch Puigdemont - dem Vorwurf der "Korruption" oder "Veruntreuung" von Steuergeldern ausgesetzt sind, weil Geld zur "Durchführung eines Referendums" eingesetzt worden sei. Angeführt wird, dass schließlich "die gesamte Bevölkerung, Befürworter und Gegner" daran hätten teilnehmen können. Die Brüsseler Richter verweisen auch darauf, dass die "Durchführung eines Referendums auch nach dem spanischen Recht nicht strafbar ist" und watschen die spanische Justiz heftig ab.
Damit ist klar, dass Belgien niemals Puigdemont an Spanien ausliefern wird. In der Folge würde das gesamte Verfahren im Europaparlament hinfällig. Dort versucht Spanien weiter, Puigdemont, Toni Comín und Clara Ponsatí die Immunität zu entziehen, um sie danach vor ein belgisches Gericht zu stellen. Das soll dann die Auslieferungen beschließen. Das wird aber nicht passieren, weshalb ein geordneter Rückzug angesagt wäre.
Das Europaparlament zieht das Verfahren aber durch. Es bietet den drei katalanischen Parlamentariern - wie schon am Donnerstag Puigdemont - nun die Möglichkeit, ihre Position darzulegen, und damit eine breite Bühne im Wahlkampf. "Wir werden kämpfen", erklärte der Exilpräsident, bevor er den zuständigen Ausschuss betrat. Näher wollte er sich nicht äußern, da er die "Vertraulichkeit" der Kommission respektiert.