"Inzwischen ist das Vorgehen Spaniens schon Vorbild für die Türkei in Repressionsfragen"
Interview mit Laura Borràs, Fraktionschefin der JxCat und mögliche Nachfolgerin von Quim Torra, über die "Demokratiephobie" des spanischen Staats, die Erwartungen an die beginnenden Verhandlungen und die Brüche in der Unabhängigkeitsbewegung
Der Verhandlungsprozess zwischen Spanien und Katalonien hat zaghaft am vergangenen Donnerstag begonnen, als der spanische Regierungschef Pedro Sánchez aus Madrid in die katalanische Metropole Barcelona gereist war, um sich mit Quim Torra zu treffen. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Republikanische Linke Kataloniens (ERC) durch Enthaltung Sánchez im Januar zum Regierungschef gemacht hatte. Allerdings hatte Sánchez das Treffen zwischenzeitlich sogar wieder abgesagt, da die spanische Wahlbehörde (JEC) inzwischen durchgesetzt hat, dass Torra der Parlamentssitz aberkannt wurde. Das führte zur Regierungskrise zwischen Torras "Gemeinsam für Katalonien" und der ERC und schließlich zum Bruch, weshalb Torra baldige Neuwahlen angekündigt hat.
Allerdings wollte die ERC nicht als wortbrüchig dastehen, die gegenüber Sánchez durchsetzte, dass er sich trotz allem mit Torra treffen müsse, da sonst die Abmachungen schon wieder Makulatur gewesen wären, mit der Sánchez doch noch Regierungschef wurde. Er war gezwungen einzulenken, da er sonst keinen Haushalt verabschieden kann und seine Legislaturperiode wäre praktisch schon wieder zu Ende gewesen, bevor sie richtig begonnen hat. Denn auch im Telepolis-Gespräch hatten ERC-Anführer erklärt, dass die Unterstützung sofort zu Ende wäre, wenn es keine Verhandlungen und Fortschritte geben würde.
So musste Sánchez trotz massiver Angriffe der rechten Opposition nach Barcelona zum Gespräch mit Torra reisen, nachdem er mehr als ein Jahr Funkstille verordnet hatte und nicht einmal den Telefonhörer abnahm, wenn der Katalane mit ihm sprechen wollte. Torra bezeichnete das Treffen als "freundschaftlich". Eine Verhandlungskommission wird nun ein weiteres Treffen noch im Februar vorbereiten.
Doch schon jetzt zeichnen sich Konfliktfelder ab, da die katalanische Regierung allein an diesem Verhandlungstisch über die Konfliktlösung sprechen und den Dialog nicht durch untergeordnete Fragen verwässern will, für die es andere institutionelle Bahnen gibt. Angesichts von Versprechen, die von Seiten von Sánchez' Sozialdemokraten (PSOE) immer wieder gebrochen wurden, besteht die katalanische Regierung auf einem unabhängigen Beobachter, der Absprachen bezeugen kann. Dagegen wendet sich aber die PSOE.
Über die Verhandlungen, die Lage in Katalonien, die Aussichten und Hoffnungen sprach Telepolis mit Laura Borràs. Sie wird nach dem erzwungenen Abtritt von Torra inzwischen hinter vorgehaltener Hand als Nachfolgerin gehandelt. Die 49-jährige Universitätsprofessorin kandidierte als unabhängige Kandidatin für JxCat, hinter der der exilierte ehemalige Regierungschef Carles Puigdemont steht, der trotz aller Verhinderungsversuche nun im Europaparlament sitzt. Sie war nach der Inhaftierung und Exilierung der Puigdemont-Regierung und den Wahlen, die über den Verfassungsparagraphen 155 aus Spanien im Dezember 2017 erzwungen wurden, zunächst katalanische Kultusministerin. Die Vertrauensfrau von Puigdemont führt nach den spanischen Parlamentswahlen nun die JxCat-Fraktion im Madrider Parlament. Sie nimmt damit eine zentrale und gut sichtbare Position ein, die als Sprungbrett für größere Aufgaben gilt.
"Die Politik wird zunehmend über Gerichtsverfahren und Urteile bestimmt"
Könnten Sie JxCat zunächst einmal politisch einordnen? Die Formation des Exil-Präsidenten Carles Puigdemont kommt ja eigentlich aus der Christdemokratie, sie hat aber viele unabhängige Kandidaten auf seiner Liste wie Sie, der inhaftierte ehemalige ANC-Präsident Jordi Sànchez und sogar ausgewiesene radikale Linke wie Roger Español.
Laura Borràs: "Gemeinsam für Katalonien" (JxCat) entstand als Projekt, als Katalonien im Oktober 2017 über den Paragraphen 155 unter spanische Zwangsverwaltung gestellt wurde. Das Parlament wurde aufgelöst und die legitime Regierung abgesetzt, obwohl nichts davon in dem Artikel steht und noch weniger etwas davon, Regierungsmitglieder zu inhaftieren. Das hat Spanien aber alles getan.
Wir hatten zuvor eine Regierungsmehrheit der Parteien, die auf einer gemeinsamen Liste für die Unabhängigkeit eintraten. Das waren PdeCat, die aus der alten christdemokratischen CiU hervorgegangen war, und die Republikanische Linke Kataloniens (ERC). Sie regierten gemeinsam bis zur Zwangsverwaltung. Angesichts der nationalen Notsituation danach rief Puigdemont aus dem Exil die Akteure im Land dazu auf, auch die linksradikale CUP, eine gemeinsame Liste all derer aufzustellen, die beim Referendum für die Unabhängigkeit gestimmt haben, um gegen die 155-Parteien gemeinsam anzutreten.
Schon hier zeigte sich ein Bruch, da die ERC nicht erneut auf eine Einheitsliste wollte, und auch die CUP wollte das weiterhin nicht. Da dieses breite Bündnis nicht zustande kam, bat Puigdemont seine PdeCat, eine Liste mit unabhängigen Kandidatinnen oder mit Kandidaten von anderen Parteien zu öffnen. Ich bin auch zwei Jahre später kein PdeCat-Mitglied, führe aber die Fraktion im Kongress in Madrid an.
Wie schätzen die Situation unter den Unabhängigkeitsparteien nach dem Bruch des Regierungsbündnisses zwischen JxCat und ERC kürzlich ein?
Laura Borràs: Es ist eine Situation, die für jemanden wie mich als Universitätsprofessorin schwer zu handhaben ist. Mir war immer wieder angeboten worden, Mitglied einer Partei zu werden, was ich aber nie wollte. Als mich Präsident Puigdemont darum bat, habe ich wegen der demokratischen Ausnahmesituation zugestimmt, die wir durchleben, eine politische Rolle einzunehmen.
Es ist für mich ein totaler Wahnsinn, dass der spanische Staat darauf mit brutaler Gewalt und Repression reagiert hat, dass wir das Recht auf Selbstbestimmung in einem Referendum ausgeübt haben. Wir Wähler wurden geprügelt, die Urnen wurden gestohlen, um uns in Katalonien dann mit einer Repressionswelle zu überziehen, die bis heute nicht vorbei ist. Wir befinden uns heute nun auch in einer juristischen Ausnahmesituation. Die Politik wird zunehmend über Gerichtsverfahren und Urteile bestimmt. Für jemanden wie mich, ohne Parteihintergrund, ist es sehr schwer zu begreifen, dass das Unabhängigkeitslager nicht gemeinsam dem brutalen Angriff des spanischen Staats entgegentritt.
Und das geht vielen Leuten so. Auf den Demonstrationen wird stets die Einheit von uns gefordert. Sie sind sich darüber klar, dass wir nur geeint widerstehen können. In der vordersten politischen Linie zu erleben, dass die ERC nicht den Parlamentssitz von Präsident Quim Torra verteidigt hat, ist sehr traurig und schwer zu verdauen. Aber wir müssen realistisch sein. Das ist die Lage. Wir müssen daran arbeiten, das zu verändern.
Es ist klar, dass die Regierung daran zerbrochen und die Legislaturperiode beendet ist. Aus Verantwortungsbewusstsein gegenüber der Bevölkerung werden wir aber erst den Haushalt beschließen, da das Land endlich einen Haushalt braucht. Danach sollen die Leute an den Wahlurnen entscheiden, welche Strategie sie für sinnvoller halten, um vorwärts zu kommen.
"Wir wissen, dass der spanische Staat alles unternehmen wird, um uns auszuschalten"
Wer ist daran schuld, dass Präsident Torra vorgezogene Wahlen ankündigen musste? Er beschuldigte die ERC und deren Parlamentspräsidenten Roger Torrent sogar der "deslealtad", was man als "Untreue" oder auch als "Verrat" übersetzen kann. Seit einiger Zeit schon sind die verschiedenen Strategien sichtbar. Ihre JxCat wollte auch Pedro Sánchez nicht zum Präsidenten machen, die ERC versuchte das aber im April sogar ohne jede Gegenleistung.
Laura Borràs: Ich spreche über den Schmerz, dass wir nicht gemeinsam den Weg gehen, und nicht über Schuld. Ich spreche über Verantwortlichkeiten. Zwei streiten sich nicht, wenn einer sich daran nicht beteiligt, aber zwei einigen sich auch nicht, wenn eine Partei nicht will. Von JxCat haben wir immer die Einheit angeboten: gemeinsame Listen, gemeinsames strategisches Vorgehen, Einheit im Madrider Parlament. Ich hatte eine gemeinsame Gruppe für die Unabhängigkeit vorgeschlagen. Wir hätten damit deutlich mehr Sitze in Madrid erhalten, als die 13 der ERC, unsere 8 und die beiden der CUP.
Aber wie soll man das Verhalten des Parlamentspräsidenten Torrent gegenüber Präsident Torra anders als "desleal" bezeichnen? Keinen Monat zuvor wurde mit den ERC-Stimmen im Parlament ein Antrag verabschiedet, in der das Vorgehen der spanischen Wahlbehörde als "Staatsstreich" bezeichnet wurde, weil die gefordert hatte, Torra den Status als Parlamentarier abzusprechen. Das sind harte Worte. Wie ist es dann kurz darauf möglich, dass man diese Position und den Status des Präsidenten nicht verteidigt?
Wir wissen, dass der spanische Staat alles unternehmen wird, um uns auszuschalten. Als ich meinen Amtseid als Kultusministerin der katalanischen Regierung schwor, wusste ich, dass meine Vorgängerin im Exil ist. Wenn man also in der vordersten Linie steht, muss einem klar sein, dass man Angriffen aus Spanien ausgesetzt sein wird. Das ist zwar eine schwere Entscheidung, das ist aber eine bewusste Entscheidung, die man fällen muss, da wir es in Spanien nicht mit einer normalen demokratischen Situation zu tun haben.
Wann wird es Wahlen geben, vor oder nach den Sommerferien? Hängt es nur von den Aktionen der spanischen Justiz ab, die Präsident Torra des Amts entheben will, weil er ein paar gelbe Schleifen nicht schnell genug auf Anordnung einer Wahlbehörde entfernt hat, die nach Ansicht von Verfassungsrechtlern keine Kompetenzen in der Frage hat.
Laura Borràs: Das ist ein Szenario, das wir nicht kontrollieren. Eigentlich hat es der Oberste Gerichtshof nicht in der Hand zu entscheiden, wann Wahlen stattfinden und wer regiert. Die Bürger wählen die Vertreter, die sie haben wollen. Aber hier kommen Gerichte und sägen Präsidenten ab. Die drei letzten Präsidenten Kataloniens wurden vom spanischen Staat juristisch verfolgt. Zuerst Artur Mas, dann Puigdemont und nun Torra. 10 von 12 katalanischen Präsidenten wurden aus Spanien mit Repression überzogen. Das zeigt, dass es ein Problem gibt. Ich nenne das Demokratiephobie im spanischen Staat.
Also wann gibt es Wahlen?
Laura Borràs: Die kann der Oberste Gerichtshof auslösen, aber wenn er nicht bald über den Widerspruch von Torra gegen sein Urteil entscheidet, wird Präsident Torra das Parlament auflösen, nachdem der Haushalt beschlossen ist.
Werden Sie Präsidentschaftskandidatin, wie eifrig gemunkelt wird?
Laura Borràs: Es gibt natürlich viele Gerüchte. Wie ich schon sagte. Meine professionelle Tätigkeit ruht, in der ich sehr glücklich war und wo ich eine sehr interessante Tätigkeit an der Universität im Dienst für Katalonien ausüben konnte. Ich führe nun die Tätigkeit aus, die im Team für mich bestimmt wird. Wir haben einen Kandidaten, dass ist Puigdemont, der legitime Präsident Kataloniens. Wir arbeiten gemeinsam daran, das beste Ergebnis zu erreichen, jeder auf der für ihn oder sie bestimmten Position. Individualismus bringt in dieser Lage nichts vorwärts. Es ist ein Mannschaftsspiel gefordert, um das Beste für Katalonien zu erreichen.
Am Donnerstag fand ein erstes Treffen zwischen Quim Torra und dem spanischen Regierungschef Pedro Sánchez statt. Wie beurteilen Sie das Treffen? Ist es der Beginn einer ernsthaften Verhandlung?
Laura Borràs: Darauf hoffe ich natürlich, zumal die Situation für Torra schwierig ist. Unter normalen Bedingungen hätte er schon Neuwahlen angesetzt, nachdem der Bruch der Regierungskoalition deutlich wurde. Aus Verantwortungsbewusstsein hat er das noch nicht getan. Er nimmt auch die Verhandlungen sehr ernst. Seit Sánchez den Dialog hingeworfen hatte, hat er immer wieder den Dialog und Verhandlungen gefordert, um Lösungen zu finden. Dafür muss man sich treffen und miteinander sprechen. Sánchez hat in der Frage immer wieder kopernikanische Schwenks hingelegt, jetzt scheint er wieder einmal auf einen Dialog zu setzen. Wir wissen nicht, ob das aus Überzeugung geschieht oder angesichts der politischen Situation, in der er sich befindet (da er von den ERC-Stimmen abhängig ist, Anmerkung des Autors). Es gab nun das erste Treffen, was ein Normalisierungssignal ist. Jetzt wurde die Basis für reale Verhandlungen gelegt. Wir werden sehen, welchen Willen es dazu gibt.
Hat sich für Sie real etwas geändert im Vorgehen Spaniens gegen Katalonien? Ist es eine Geste, dass die Strafen für Aufruhr gesenkt werden sollen, wovon auch die verurteilten katalanischen Gefangenen profitieren sollen. Andererseits gibt es eine neue Anklage gegen Torra, sogar der ERC-Chef Oriol Junqueras sitzt noch im Gefängnis, obwohl der Europäische Gerichtshof geurteilt hat, dass er Immunität genießt und freigelassen werden muss. Sogar das Ministerium für Staatsanwaltschaft stellt sich weiter gegen seine Freilassung.
Laura Borràs: Wir sehen, dass es auf der einen Seite zwar Gesten und schöne Worte gibt, aber dann wird wieder genau das Gegenteil gemacht. Das lässt natürlich Zweifel am ernsthaften Willen aufkommen, eine Lösung zu finden. Sánchez sprach zwar in seiner Antrittsrede von der Entjustizialisierung der Politik, gibt aber am folgenden Tag dem juristischen Dienst die Anweisung, dafür zu sorgen, dass Präsident Puigdemont die Immunität im Europaparlament aberkannt wird. Ein klarer Widerspruch.
Wir haben stets gewarnt und sind deshalb sehr skeptisch angesichts von Doppelbotschaften. Wir sehen zwar einen anderen Kurs von Sánchez, aber im Wahlkampf sagte er deutlich, dass die Staatsanwaltschaft zur Regierung gehört. Es ist seine Staatsanwaltschaft, die es zum Beispiel ablehnt, dass der politische Gefangene Jordi Sànchez einen Hafturlaub bekommt, den die zuständigen Behörden genehmigt hatten. So kann das nicht weiter gehen, dass es einen rhetorischen Diskurs über einen Dialog gibt und gleichzeitig dann ganz reale Repression.
Heißt das, dass für reale Verhandlungen ein Stopp der Repression gefordert wird? Welche Forderungen stellt die katalanische Regierung darüber hinaus?
Laura Borràs: Es gibt eine absolute Einigkeit im Unabhängigkeitslager, über die Parteien hinaus auch in den zivilgesellschaftlichen Organisationen, Gewerkschaften …, dass wir eine demokratische Abnormalität erleben. Es ist Konsens, dass es kein Einfall von Torra ist, dass die Repression gestoppt werden muss. Dazu muss es eine Amnestie für die politischen Gefangenen und die etwa 2000 Menschen geben, gegen die Verfahren laufen. Das wären klare Zeichen dafür, den politischen Konflikt mit Katalonien lösen zu wollen. Dazu kommt natürlich, dass die Bevölkerung in Katalonien frei über ihre Zukunft entscheiden kann.
"Nur ein demophober Staat verhindert eine Abstimmung"
Also ein vereinbartes Referendum über die Unabhängigkeit wie in Schottland?
Laura Borràs: Wir sind vor allem Demokraten und vertreten das Recht auf Selbstbestimmung. Uns wird immer gesagt, es gäbe keine Mehrheit für die Unabhängigkeit und so weiter. Die einfachste Form, das herauszufinden ist, eine Abstimmung mit allen Garantien, ohne Druck und Gewalt, zu der Frage durchzuführen. Wir sind bereit, auch eine Niederlage zu akzeptieren.
Ist der spanische Staat zur Durchführung bereit, der stets erklärt, dass uns die Unterstützung fehlt? Wäre er bereit das Ergebnis zu akzeptieren? Dann würden wir das wahre Gesicht sehen. Inzwischen ist das Vorgehen Spaniens schon Vorbild für die Türkei in Repressionsfragen. Das hat die türkische Regierung unter Erdogan schon offen erklärt. Dazu gehört, dass nun auch abgehört werden darf, sogar ohne richterlichen Beschluss. Für den digitalen Maulkorb wird Spanien mit China und dem Iran verglichen. In der Besessenheit, die Unabhängigkeitsbewegung zu zerschlagen, zerschlägt man in Spanien die Demokratie. Deshalb appellieren wir stets an alle Demokraten in Spanien, sich diese gravierenden Vorgänge anzuschauen.
Glauben Sie, dass man mit dieser Regierung zu einem abgestimmten Referendum kommen kann?
Laura Borràs: Nein. Das glaube ich wahrlich nicht. Freiwillig wird keine spanische Regierung uns ein Referendum und das Selbstbestimmungsrecht zugestehen. Das geschieht nur, wenn sie dazu gezwungen sind. Aus eigener demokratischer Überzeugung, wie Großbritannien in Schottland, wird das nicht geschehen. In einem normalen Land will man, dass die Leute stolz darauf sind, zum Land zu gehören.
Der britische Regierungschef Cameron sagte das mit Blick auf Schottland sehr klar, dass er vor allem Demokrat ist und erst danach Engländer. Er hätte die schottische Forderung ablehnen können. Da er aber ein Projekt für Schottland innerhalb Großbritanniens hatte, ließ er die Menschen an der Wahlurne entscheiden. Ich hätte mich gefreut, wenn sich Spanien so verhalten hätte. Ich habe aber keine Hoffnung, dass es das tun wird.
Katalonien wird von Spanien als Eigentum betrachtet und es ist vielen dort egal, was wir dazu sagen. Das geschieht mit einer Note von Gewalt und Kolonialismus, Krieg und Eroberungen von Katalonien wie vor 300 Jahren oder 1939 unter der Franco-Diktatur. Das verhindert in Spanien, dass wahrgenommen wird, dass Katalonien ein Selbstbestimmungsrecht hat.
Obwohl ich nicht glaube, dass sich das mit dieser Regierung ändert, müssen wir daran arbeiten. Das Selbstbestimmungsrecht besteht, es gibt einen Konsens von 80% der Bevölkerung in Katalonien, dass abgestimmt werden soll. Das heißt nicht, dass 80% für die Unabhängigkeit sind, aber 80% der Bevölkerung fordern die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts. Nur ein demophober Staat verhindert eine Abstimmung.
Für Sie ist also klar, dass diese Verhandlungen schon ein Verfallsdatum haben?
Laura Borràs: Das hätten sie nicht, wenn wir es mit einer demokratischen Regierung auf der anderen Seite zu tun hätten. Es gibt a priori eine Chance, da in der Regierung mit Podemos eine Partei sitzt, die für das Selbstbestimmungsrecht und ein Referendum eintritt ...
... die aber dem digitalen Maulkorb zugestimmt und plötzlich sogar dem vom Diktator eingesetzten König applaudiert und seinen "Mut" lobt, den sie vor dem Eintritt in die Regierung abgelehnt hatte.
Laura Borràs: Exakt. Das ist das Problem. Die Frage ist immer, aus welchem Blickwinkel man spricht. Es ist einfach, ein Referendum zu fordern, wenn man in der Opposition ist, es aber nicht zu tun, wenn man in der Regierung sitzt. In diesem Sinne hat auch Sánchez immer gesagt, dass er sich von der Rechten in Spanien unterscheidet. Aber in Katalonien verhält er sich ganz ähnlich und hat den 155 unterstützt, mit dem die Repressionswelle eingeleitet wurde.
Podemos hatte das nicht mitgemacht. Die PSOE ist ein direkter Komplize und sehr wichtig für die Repression hier. Mit den Verhandlungen könnte sie zeigen, dass man den Worten auch Taten folgen lassen kann. Wenn das nicht geschieht, wie schöne Versprechungen der PSOE, die immer wieder gebrochen wurden, wird nur mehr Schaden angerichtet. Wir warnen immer wieder davor, aber wir wollen einen Dialog und deshalb sitzen wir am Verhandlungstisch. Es gibt verschiedene Gremien, in denen über Finanzierung und andere Sachen gesprochen werden kann. An diesem Verhandlungstisch kann es nur um das Selbstbestimmungsrecht der Katalanen und das Ende der Repression gehen.