Covid-19: Arzneien für die Wirtschaft
Die EU-Kommission kündigt einen 25-Milliarden Euro schweren Fonds an und Donald Trump möchte den Kongress zu einer bis Jahresende begrenzten Senkung der Einkommensteuer bewegen
Gestern Abend verkündete die deutsche EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, sie habe sich in einer Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer darauf geeinigt, "alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, damit die europäische Wirtschaft [dem Covid-19-]Sturm widersteht". Außer dem Ausschöpfen der "Flexibilität" im Stabilitätspakt und der Erlaubnis durch Staatshilfen aus Mitgliedsländerhaushalten gehöre dazu auch ein europäischer "Investitionsfonds für den Gesundheitssektor und Unternehmen", der ihren Wünschen nach 25 Milliarden Euro umfassen soll.
EU-Ratspräsident Charles Michel nannte als "Prioritäten" im Umgang mit der Corona-Krise neben einer "Eindämmung der Verbreitung des Virus", der "Förderung der Forschung nach einem Impfstoff" und dem "Vorgehen gegen die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen" auch die "Beschaffung medizinischer Ausrüstung". Dabei müsse "sichergestellt werden, dass der Binnenmarkt richtig funktioniert und ungerechtfertigte Hindernisse vermieden werden" - unter anderem bei der Versorgung mit Atemschutzmasken.
Die deutsche Bundesregierung hatte vorher die Ausfuhr dieser Waren (die sich dem Trigema-Inhaber Wolfgang Grupp zufolge eigentlich "locker zusammennähen" lassen) verboten, während die Chinesen dem relativ zur Bevölkerungzahl inzwischen am stärksten betroffenen Land Italien neben tausend Beatmungsgeräten, 50.000 Testkits und 20.000 Schutzanzügen auch 100.000 Atemschutzmasken spendeten. Ein schweizerischer Parodieaccount kommentierte das deutsche Vorgehen mit der sarkastischen Bemerkung: "Wir bitten um Ihr Verständnis. Deutschland braucht unsere Masken. Es müssen noch Fussballspiele in vollen Stadien ausgetragen werden."
EU-Kommission sieht über italienische Verstöße gegen den Stabilitätspakt hinweg
In Italien finden Fußballspiele dagegen entweder gar nicht oder ohne Zuschauer statt. Das ist dort jedoch nicht die einzige Schutzmaßnahme, die erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen haben wird (vgl. Covid-19: Quarantäneregeln gelten nun in ganz Italien). Aus dem 2019 mit 0,2 Prozent ohnehin nur minimalem italienischen Wirtschaftswachstum wird deshalb 2020 sehr wahrscheinlich eine Rezession.
Der will die italienische Regierung mit bislang 8,4 Milliarden Euro gegensteuern. Darüber, dass die Staatsführung damit gegen den Euro-Stabilitätspakt verstößt, wird die EU-Kommission hinwegsehen, wie der italienische EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni am Freitag dem italienischen Finanzminister Roberto Gualtieri schrieb.
Etwa fünf Prozent der deutschen Exporte gehen nach Italien, weshalb die deutsche Wirtschaft die Covid-19-Auswirkungen auch ohne die bislang ausgebliebenen einschneidenden Schutzmaßnahmen spüren wird. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel scheint die "Spahnsche Grippe" bemerkenswert locker zu nehmen, obwohl sie nach eigenen Angaben davon ausgeht, dass sich 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung mit dem Virus anstecken werden. Bei einer - allerdings umstrittenen - Mortalitätsrate von 3,4 Prozent würden dann mindestens 1,6 Millionen Menschen daran sterben (vgl. Zahlen, bitte! 3,4 % Coronavirus-Fallsterblichkeit, eine "false Number"? Etwas Pandemie-Statistik). Dass es vor allem alte Leute treffen wird, finden nicht alle Deutschen schlecht - darunter die die Rapper von K.I.Z. und die Ehefrau des Besenfrisurpromis Sascha Lobo.
Trump verhandelt mit dem Kongress
Dass sich die am Montag eingebrochenen Aktienmärkte gestern erholten dürfte auch mit Donald Trumps Ankündigung zu tun haben, mit dem US-Kongress über staatliche Hilfen zur Eindämmung der Krise zu verhandeln. Die Hoffnung könnte allerdings verfliegen, wenn sich herausstellt, dass die demokratische Mehrheit im Repräsentantenhaus solche Hilfen verweigert, weil sie fürchtet, dass sie für den Amtsinhaber bei der Präsidentschaftswahl im November werbend wirken. Mit seinem Vorschlag einer bis Jahresende begrenzten Einkommensteuersenkung hat Donald Trump auch wenig getan, um diesem Eindruck entgegenzuwirken.
Andere Maßnahmen, über die gesprochen wird, sind Steuererleichterungen für besonders betroffene Wirtschaftszweige, ein Krankengeld für Arbeitnehmer ohne Lohnfortzahlung und Kredite für Selbständige. Kommentatoren wie Ben Sixsmith regen darüber hinaus an, schlecht versicherten und finanziell klammen Amerikanern mit Umsonst-Behandlungsoptionen die Angst vor Arzt- und Krankenhauskonsultationen zu nehmen. Vorbild ist hier Singapur, wo man es damit trotz enger Verbindungen zu China schaffte, die Ansteckungs- und Mortalitätsrate verhältnismäßig gering zu halten.
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